Dipl.-Ing. Cornelia von Quistorp
Zur Normalität in der Landwirtschaft gehört aktuell beides: einerseits gibt es immer noch viele bäuerliche Familienbetriebe, die die Strukturen bis jetzt stark geprägt haben. Andererseits kommen immer mehr Großbetriebe mit oft zahlreichen Angestellten hinzu, die im Grunde diesselben Arbeitsschutzstrukturen sicherstellen müssen, wie es andere mittelständische Unternehmen auch tun.
1.2.1 Mitarbeitende Familienangehörige
Traditionell ging – und geht nicht selten heute noch – die Personalplanung bäuerlicher Familienbetriebe dahin, dass die aktuell im arbeitsfähigen Alter stehende Generation mit Unterstützung der Elterngeneration (oft heute noch "Altenteiler" genannt) einen Hof bewirtschaftet, und zwar möglichst solange, bis die eigenen Kinder ihrerseits weit genug herangewachsen sind, um mitarbeiten zu können. Daher ist es im Landwirtschaftsbereich absolut normal, dass Menschen in einer sehr weiten Altersspanne gewerbsmäßig beschäftigt sind, also auch deutlich jünger als 16 Jahre und deutlich älter als 65 bzw. 67 Jahre. Entsprechend weit gefasst sind die Informationen der SVLFG. Sie berücksichtigen die Tatsache, dass der Übergang von Spiel zu Arbeit bei Landwirtskindern oft fließend verläuft, und empfehlen betriebliche Strukturen, in denen auch Ältere noch sicher arbeiten können.
Jugendarbeitsschutzgesetz
Das JArbSchG gilt selbstverständlich auch in der Landwirtschaft. Demnach dürfen Kinder erst ab 13 Jahren mit Einwilligung des Personensorgeberechtigten beschäftigt werden, soweit die Beschäftigung leicht und für Kinder geeignet ist, d. h., sie nicht nachteilig beeinflusst. In landwirtschaftlichen Familienbetrieben dürfen 3 statt der sonst zulässigen 2 Stunden täglich gearbeitet werden, allerdings nur im Zeitraum von 8–18 Uhr und nicht vor oder während des Schulunterrichtes.
Ab 16 Jahren dürfen Jugendliche während der Erntezeit bis zu 9 Stunden am Tag arbeiten, wobei nicht mehr als 85 Stunden in einer Doppelwoche anfallen dürfen.
Diese Vorgaben werden im landwirtschaftlichen Bereich oft als praxisfremd erlebt und nicht eingehalten. Arbeitsspitzen gibt es in der Landwirtschaft nicht nur in der Erntezeit und auf Feldern und in den Ställen ist auch noch nach 18 Uhr vieles zu tun, bei dem nicht nur Landwirtskinder, sondern auch interessierte andere jugendliche Helfer gerne freiwillig dabei sind – i. d. R. ohne Konflikte mit Schule oder Entwicklung. Schwierig wird es dann, wenn bei Ausbildungsverhältnissen der Lehrbetrieb das Jugendarbeitsschutzgesetz regelmäßig nicht umsetzt und Jugendliche entsprechend überfordert werden.
1.2.2 Angestellte
Wegen der Bedingungen, die ein globales Wirtschaftssystem schafft, sind landwirtschaftliche Betriebe in vielen Sparten nur noch überlebensfähig, wenn sie eine Größe haben, die nicht mehr von den Arbeitskräften zu bewältigen ist, die eine Familie pro Generation bereitstellen kann. Daher beschäftigen die meisten Betriebe mittlerweile Angestellte bzw. mindestens Aushilfen. Trotzdem verstehen sich viele Landwirte immer noch vorrangig als "Arbeiter", die anpacken und vor allem eines wollen, nämlich die oft jahreszeitlich anfallenden Arbeiten möglichst gut bewältigen, damit der Hof bestehen und wirtschaftlich betrieben werden kann.
In einem solchen Bewusstsein spielt die Verantwortung als Arbeitgeber, der seinen Betrieb inklusive Personalverantwortung professionell organisieren und führen muss, oft eine untergeordnete Rolle, auch wenn die Beschäftigung von Mitarbeitern bereits ein Maß erreicht hat, nach dem u. a. eine regelgerechte Arbeitsschutzstruktur sinnvoll und erforderlich ist. Die SVLFG bietet dazu Information, Beratung und Handlungshilfen an, z. B. in ihrer Broschüre B02 "Verantwortung im Arbeitsschutz".
Arbeitsschutzausschuss auf dem Bauernhof?
Jeder Landwirt, der Personen angestellt beschäftigt, braucht
- eine dokumentierte Gefährdungsbeurteilung,
- dokumentierte Erst- und Folgeunterweisungen,
- Beratung durch eine Fachkraft für Arbeitssicherheit (alternativ bei weniger als 20 Festangestellten ein Unternehmermodell mit entsprechenden Fortbildungen), außerdem bei Bedarf einen Betriebsarzt.
Ab 10 Beschäftigten muss für Ersthelfer gesorgt sein.
Ab 20 Beschäftigten muss es
- einen Sicherheitsbeauftragten und
- einen Arbeitsschutzausschuss geben, der regelmäßig zusammentritt und Arbeitsschutzfragen klärt.
Größere Betriebe in arbeitsintensiven Branchen innerhalb der Landwirtschaft erreichen diese Beschäftigtenzahlen häufig, zumindest in einigen Monaten des Jahres. Trotzdem wird man vielerorts diese Strukturen noch vergeblich suchen. Zu lange hat sich die Arbeit in der Landwirtschaft weitgehend separat von der übrigen Arbeitswelt und geprägt von bäuerlichen Familienbetrieben abgespielt, als dass sich in den neu entstehenden modernen Großbetrieben schnell eine entsprechende Unternehmenskultur ausbilden könnte. Hier bleibt noch viel zu tun.
VSG 1.2 "Sicherheitstechnische und arbeitsmedizinische Betreuung"
Diese Vorschrift erläutert (analog der DGUV-V 2 in anderen Wirtschaftzweigen) die Details der Arbeitsschutzberatung für den Ber...