Dipl.-Ing. Cornelia von Quistorp
Um entscheiden zu können, ob ein Einsatz des Betroffenen während der AU mit der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers zu vereinbaren ist und keine anderen Risiken mit sich bringt, muss der Arbeitgeber in einer Gefährdungsbeurteilung ermitteln, ob ein gesundheitlich eingeschränkter Mitarbeiter seine Tätigkeiten ausüben kann oder nicht. I. d. R. muss der Arbeitgeber das selbstverantwortlich und aus eigener Einschätzung sowie in Abstimmung mit dem betroffenen Arbeitnehmer tun, wobei ihm betriebliche Experten, wie Fachvorgesetzte, Sicherheitsfachkraft und Betriebsarzt, zur Verfügung stehen.
Für betriebliche Tätigkeiten, wie z. B. das Bedienen bestimmter Maschinen oder Anlagen, oder sicherheitsrelevante Tätigkeiten, z. B. im innerbetrieblichen Transport, oder bei der Anlagenüberwachung gibt es keine festgeschriebenen Entscheidungskriterien zur Tauglichkeit. Behandelnde Ärzte können nur hinzugezogen werden, wenn der Betroffene sie von der Schweigepflicht entbindet, aber sie tun sich oft schwer, ohne Kenntnis der betrieblichen Umstände zu einer solchen Frage Stellung zu nehmen. Ein Ausschlusskriterium ist sicher, wenn die gesundheitlichen Einschränkungen mit der Einnahme von Medikamenten einhergehen, die sich am Arbeitsplatz sicherheitsrelevant auswirken können.
Sinnvoll ist eine betriebsinterne, schriftliche Dokumentation des Vorgehens. Darin kann z. B. festgehalten werden:
- Eine Aufklärung des Betroffenen, dass jede Tätigkeit für den Betrieb während der AU-Zeit rein freiwillig und jederzeit widerruflich ausgeübt wird.
- Die Erklärung, dass der Betroffene nach seiner Einschätzung ohne gesundheitliche Bedenken die vorgesehenen Tätigkeiten ausüben kann.
- Eine Auflistung der während der AU auszuübenden Tätigkeiten (als Positiv- oder Negativliste möglich).
Eine förmliche "Gesundschreibung" des behandelnden Arztes ist nicht erforderlich. Es bleibt grundsätzlich bei der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit, solange der Arzt der Auffassung ist, dass die zuletzt ausgeübte Tätigkeit nicht in vollem Umfang geleistet werden kann.
Nach einer auf diese Weise getroffenen Entscheidung besteht für die Tätigkeit eines Arbeitnehmers mit gesundheitlichen Einschränkungen voller Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
Teilnahme am Straßenverkehr
Für die Teilnahme am Straßenverkehr ist nicht vorrangig das Ergebnis der betrieblichen Gefährdungsbeurteilung relevant, sondern die verkehrsrechtlichen Grundlagen. Danach darf, wer z. B. wegen eines ruhig gestellten Armes oder Beines sein Auto nicht so bedienen kann wie sonst, am Straßenverkehr nicht teilnehmen, auch wenn er/sie es praktisch ohne große Probleme könnte. Da zählt auch nicht das Argument, dass Menschen mit vergleichbaren Behinderungen durchaus ein Auto steuern – für diese sind nämlich die Einschränkungen amtlich festgestellt und die sich daraus ergebenden Maßnahmen, wie ein entsprechend ausgestattetes Auto, in der Fahrerlaubnis eingetragen.
Auch wenn Medikamente eingenommen werden, die eine Teilnahme am Straßenverkehr am Steuer eines Autos nicht zulassen, gehört das Autofahren sicher nicht zu den Tätigkeiten, die der Arbeitgeber während einer AU-Phase zulassen darf.
Sonderfall Mutterschutz
Mutterschutzfristen folgen dem MuSchG und sind nicht mit Arbeitsunfähigkeitszeiten gleichzusetzen. Es gelten besondere Vorgaben. In der 6-wöchigen Schutzfrist vor der Entbindung darf eine Schwangere auf eigenen, jederzeit widerruflichen Wunsch weiter arbeiten, wobei die allgemein in der Schwangerschaft geltenden Beschäftigungsverbote und Schutzmaßnahmen natürlich zu berücksichtigen sind. In den 8 Wochen nach der Entbindung (in Sonderfällen wie bei Früh- und Mehrlingsgeburten oder Geburten von Kindern mit Behinderung 12 Wochen) ist es aber ausdrücklich und ausnahmslos untersagt, Mütter in irgendeiner Form von Arbeitsverhältnis zu beschäftigen.