Der Begriff "awareness" stammt aus dem Englischen und bedeutet so viel wie Bewusstsein, Wahrnehmung. In der Psychologie ist die "situation awareness" als das aktive Bewusstmachen von Einflüssen in einer bestimmten Umgebungssituation definiert. Das heißt: Eine Person macht sich im Hier und Jetzt bewusst, in welcher Umgebung sie sich gerade befindet und welche Handlungsmöglichkeiten sich gerade für sie selbst aus dieser Situation ergeben. Somit bedeutet Awareness nicht nur das bloße Wahrnehmen von äußeren Phänomenen an sich, sondern auch ein Wahrnehmen von sozialpsychologischen Prozessen. Diese sozialpsychologischen Prozesse drücken sich als mögliche Handlungsspielräume und vor allem auch als Entscheidungsverhalten von Individuen aus.
Das Konzept Awareness stammt ursprünglich aus der Ergonomie. In diesem Kontext beschreibt Awareness die Fähigkeit von Menschen, in Arbeitsumgebungen jederzeit alle auf sie einströmenden Reize zeitgleich zu erfassen und zu verarbeiten, mögliche Handlungen abzuleiten, sich zugunsten einer Handlungsmöglichkeit zu entscheiden und diese abschließend umzusetzen. Ein Beispiel ist der Beruf eines Rettungssanitäters: Ein Sanitäter befindet sich in seinem Arbeitsalltag permanent in komplexen und dynamischen Situationen, die zeitkritische Handlungen erfordern. Ergonomisch betrachtet tut sich hier z. B. die Frage auf, wie Arbeitsgeräte beschaffen sein müssen, damit der Sanitäter in Echtzeit so schnell und optimal wie möglich handeln kann.
Was hat Awareness nun mit Arbeitsschutz zu tun? Nehmen wir das Beispiel eines Technikmitarbeiters in der Produktion. Die Anlage in seinem Produktionsbetrieb wird im Drei-Schicht-Betrieb 24 Stunden lang betrieben. Fällt sie aus, entstehen seiner Firma immense Kosten, weshalb er auch angehalten ist, Wartungsarbeiten in Zeiträumen vorzunehmen, in denen die Anlage produktionsbedingt sowieso umgebaut werden muss (z. B. Rüstzeiten). Fällt nun aber in der laufenden Produktion die Anlage aus, steht der Techniker unter immensem Druck. Er muss so schnell wie möglich die Fehlerquelle identifizieren, ggf. Teile ausbauen, reparieren oder neue besorgen. Sein Technikleiter und der Produktionsleiter erwarten von ihm, dass die Produktion schnell wieder anlaufen kann. Schnelle Prozessabläufe und Zeitdruck führen an dieser Stelle häufig zu Gefahren. Der Arbeitsschutz wird außer Acht gelassen, um keine Produktivitätseinbußen zu riskieren.
Awareness für Arbeitssicherheit ist somit nicht nur die Fähigkeit, Handlungsspielräume in einer bestimmten Situation zu erfassen, sondern sie ist eingebettet in ein komplexes Geflecht aus einer Vielzahl von weiteren Faktoren (vgl. Abb. 1). All diese inneren und äußeren Faktoren tragen erst zur Awareness bei.
Abb. 1: Awareness als Zusammenspiel
Sicherheitsmaßnahmen und -kampagnen im Unternehmen schaffen die Grundlage für sicherheitsbewusstes Arbeiten. Sie vermitteln praktisches und theoretisches Wissen und führen im Idealfall zu einer positiven Einstellung des Mitarbeiters gegenüber Arbeitssicherheit. Damit der Mitarbeiter allerdings das Gelernte im Arbeitsalltag umsetzen kann, müssen auch die organisationalen Rahmenbedingungen hierfür geschaffen sein. Beeinflusst werden diese Rahmenbedingungen durch die unternehmensindividuelle Ausgangslage und das strategische sowie operative Vorgehen bei der Umsetzung im Zuge der Maßnahmen des Arbeitsschutzes. Daher ist eine systematische Planung und professionelle Begleitung unabdingbar für das Gelingen dieses Veränderungsprozesses im Unternehmen.