Entscheidungsstichwort (Thema)
Rauchverbot in Passagierflugzeugen
Leitsatz (redaktionell)
Solange das Rauchen an Bord von Verkehrsflugzeugen noch nicht gesetzlich verboten ist, haben Flugbegleiter keinen Anspruch darauf, daß die Fluggesellschaft den Passagieren das Rauchen verbietet.
Normenkette
BGB § 1004; HGB § 62 Abs. 1; BGB § 618 Abs. 1; GewO § 120a Abs. 1; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die klagende Stewardeß verlangt von der beklagten Fluggesellschaft einen tabakrauchfreien Arbeitsplatz.
Die Klägerin ist seit 1980 als Flugbegleiterin (Stewardeß) bei der Beklagten beschäftigt. Sie ist Nichtraucherin. Die Beklagte bot - jedenfalls bis zum Abschluß des Berufungsverfahrens - keine reinen Nichtraucherflüge an. Sie sah vielmehr für Passagiere Raucher- und Nichtraucherzonen vor. Allerdings ist das Rauchen in den Gängen und Toilettenbereichen der Flugzeuge sowie während der Start- und Landephase generell untersagt. Das in den Maschinen installierte Lüftungssystem arbeitet nicht ausschließlich mit Frischluft, sondern mit größeren Anteilen rezirkulierter Luft. Für das Bordpersonal, das in Raucher- und Nichtraucherzonen gleichermaßen eingesetzt wird, besteht während der Servicetätigkeit Rauchverbot. Zum Schutz der Nichtraucher werden bei der Beklagten darüber hinaus als "Leitlinien" bezeichnete, zusammen mit der Gruppenvertretung des fliegenden Personals erarbeitete Empfehlungen für das Verhalten der Mitarbeiter praktiziert. Eine Betriebsvereinbarung, die das Rauchen an Bord reglementiert, ist nicht abgeschlossen.
Die Klägerin wird überwiegend auf Langstreckenflügen eingesetzt. Sie hat beispielsweise von Dezember 1992 bis Mai 1993 effektiv 284 Flugstunden absolviert. Unter Außerachtlassung einsatzfreier Zeiten ergibt dies eine kalendertägliche Flugzeit innerhalb von sechs Monaten von weniger als zwei Stunden im Durchschnitt.
Zur Begründung des Anspruchs auf einen tabakrauchfreien Arbeitsplatz hat die Klägerin vorgetragen: Der während ihrer Arbeit an Bord unvermeidliche Kontakt mit Tabakrauch führe bei ihr zu akuten gesundheitlichen Beeinträchtigungen wie Rötung oder Entzündung der Bindehaut und der Nasenschleimhaut, Kopfschmerzen und Hustenanfälle. Überdies gefährde das Passivrauchen langfristig ihre Gesundheit. Es sei medizinisch unbestritten und gerichtskundig, daß Passivrauchen nicht nur allgemein, sondern auch und gerade unter den in Verkehrsflugzeugen herrschenden Bedingungen die Gesundheit gefährde. Jedenfalls seien die vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse von solchem Gewicht, daß es Sache der Beklagten sei, die gesundheitlichen Gefährdungen durch Passivrauchen zu widerlegen, die in Form chronischer Gesundheitsschäden, Koronarerkrankungen bis hin zu Krebsauslösung aufträten. Die Folgen des Passivrauchens entsprächen in abgeschwächter Form denen des Aktivrauchens. Eine Unschädlichkeitsgrenze gebe es bei Karzinogenen (krebsauslösenden Substanzen) wegen der Summationswirkung einzelner und der Potenzierungswirkung verschiedener Substanzen nicht. Die Klägerin verweist hierzu auf die von ihr vorgelegten Studien, Untersuchungen und Äußerungen, insbesondere eine Expertise des Bundesgesundheitsamtes vom 20. März 1992 und deren Aktualisierung vom 10. Mai 1993 mit ihren auf Vielflieger und Bordpersonal bezogenen Aussagen, eine Entschließung des EG-Rates vom 18. Juli 1989 und eine Studie des Deutschen Krebsforschungszentrums vom März 1992. Die von der Beklagten vorgelegte Untersuchung des Instituts für Arbeitssicherheit von 1982 sei nicht aussagekräftig, da Karzinogene dort nicht behandelt worden seien.
Weiter hat die Klägerin geltend gemacht: Die Beklagte sei aus Rechtsgründen verpflichtet, ihr bestmöglichen Schutz vor gesundheitlichen Risiken und Gefährdungen zu gewähren. Dies könne nur mittels vollständigen Rauchverbots im Flugzeug erreicht werden. Die Einrichtung von Raucher- und Nichtraucherzonen und die vorhandenen Abluftsysteme seien kein geeignetes Mittel zum wirksamen Schutz von Nichtrauchern vor den Gefahren des Passivrauchens. Selbst wenn die Entlüftungsanlagen nicht mit einem hohen Anteil rezirkulierter Luft, sondern ausschließlich mit Frischluft betrieben würden, sei es technisch unmöglich, rauchfreie Luft zu erzeugen, wenn während des Fluges im Flugzeug geraucht werde. Zumindest aber müsse die Beklagte - gleichgültig, auf welchem Weg - dafür Sorge tragen, daß die bei Nichtraucherflügen festgestellten Mittelwerte für Nikotin, RSP und CO in der Atemluft (Bundesgesundheitsamt, Studie vom 10. Mai 1993) nicht überschritten würden. Sie, die Klägerin, brauche sich nicht auf die Möglichkeit einer Versetzung in den Bodenbereich verweisen zu lassen, da sie Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung habe.
Dem Anspruch auf bestmöglichen Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz dürften wirtschaftliche Gesichtspunkte nicht entgegengehalten werden. Vielmehr müsse die Beklagte ihr Marktangebot notfalls bis zur Grenze der Existenzgefährdung den Erkenntnissen des Gesundheitsschutzes anpassen. Die von der Beklagten behaupteten Wettbewerbsnachteile bei Einführung eines generellen Rauchverbots bestünden nicht. Die Beklagte selbst habe einmal ein Rauchverbot für Inlandsflüge angekündigt, dies aber unter dem Druck der Tabakindustrie wieder fallengelassen. Wirtschaftliche Nachteile entstünden der Beklagten vor allem deshalb nicht, weil alle anderen Anbieter ein gerichtliches Verbot innerhalb weniger Tage übernehmen müßten, bei Inlandsflügen nur kurze Zeiträume betroffen seien und auch heute schon keine Raucherflüge im eigentlichen Sinne gebucht werden, sondern Raucherplätze nur begrenzt vergeben werden könnten. Modellversuche der Beklagten hätten ohnehin ergeben, daß Passagiere und Bordpersonal weit überwiegend einem Rauchverbot positiv gegenüberstünden.
Hilfsweise müsse die Beklagte eine Betriebsvereinbarung anstreben, die den Besatzungsmitgliedern das Rauchen an Bord verbiete.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, bei den Flügen,
bei denen die Klägerin als Flugbegleiterin
eingesetzt wird, ein uneingeschränktes Rauch-
verbot
a. gegenüber ihrem in den Flugzeugen einge-
setzten Personal und
b. gegenüber den Fluggästen
anzuordnen und durchzusetzen.
hilfsweise zu 1a.
2. die Beklagte zu verurteilen, der Personalver-
tretung Bord ein Angebot zum Abschluß einer
Betriebsvereinbarung mit folgendem Mindestin-
halt zu unterbreiten:
"Während der Beschäftigung an Bord von
Flugzeugen ist den Besatzungsmitgliedern
Rauchen untersagt, sofern und solange nicht
alle Besatzungsmitglieder zustimmen, daß
geraucht wird."
hilfsweise zu 1b.
3. die Beklagte zu verurteilen, sicherzustellen,
daß bei Flügen, bei denen die Klägerin als
Flugbegleiterin eingesetzt wird, im Innenraum
der Flugzeuge einschließlich der Galleys Kon-
zentrationen von Schadstoffen in der Atemluft
durch Tabakrauch vermieden werden, die geeig-
net sind, die Gesundheit der Klägerin zu be-
einträchtigen (mehr als 0,08 Mikrogramm/cbm
Nikotin oder mehr als 11 Mikrogramm/cbm RSP -
Rauchpartikel - oder mehr als 0,5 ppm CO).
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat entgegnet: Angesichts der durchschnittlichen effektiven Flugzeiten der Klägerin von weniger als zwei Stunden pro Kalendertag seien bei ihr sowohl kurz- wie auch langfristige gesundheitliche Beeinträchtigungen auszuschließen. Akute Beschwerden habe die Klägerin nur pauschal behauptet und nicht belegt. Die Frage einer gesundheitlichen Gefährdung durch Passivrauchen in Verkehrsflugzeugen lasse sich nicht eindeutig im Sinne des Klagevorbringens beantworten. Untersuchungen des Berufsgenossenschaftlichen Instituts für Arbeitssicherheit seien jedenfalls 1982 zu dem Ergebnis gekommen, daß im Vergleich mit gültigen Grenzwerten und im Hinblick auf die Dauer der täglichen Exposition eine gesundheitliche Gefährdung als nicht wahrscheinlich angesehen werden müßte. Bis heute gebe es weder Äußerungen des Bundesgesundheitsamtes noch des US-amerikanischen FAA (Federal Aviation Authority), wonach die umgewälzte Luft in Verkehrsflugzeugen wegen darin enthaltenen Tabakrauchs eine Gesundheitsgefährdung darstelle. Auch bei ihr, der Beklagten, erreiche die Tabakrauchkonzentration keine langfristig gesundheitsgefährdenden Werte. Im übrigen verhalte sich die Klägerin widersprüchlich. Ihr sei bei Ihrer Bewerbung um einen Arbeitsplatz als Flugbegleiterin die jetzt von ihr bekämpfte Situation in den Verkehrsflugzeugen bekannt gewesen.
Zu einem generellen Rauchverbot gegenüber Passagieren sei sie als Luftfahrtunternehmen, das sich am Markt gegenüber nationaler und internationaler Konkurrenz behaupten müsse, ohne gesetzliche Vorgaben nicht verpflichtet. Ein Rauchverbot nur für Einsatzflüge der Klägerin sei wegen des zeitlichen Auseinanderfallens von Flugplänen und Einsatzplänen gar nicht möglich, wolle man nicht Kunden kurzfristig mitteilen müssen, daß ihr gebuchter Flug zum Nichtraucherflug erklärt werde, und damit die Abwanderung verärgerter Kunden riskieren. Im übrigen unterlägen die für den Folgemonat zu erstellenden Einsatzpläne durch Ausfälle, Verspätungen und Erkrankungen ständiger Veränderung. Müßte sie selbst ein absolutes Rauchverbot verhängen, werde von ihr wirtschaftlich Unmögliches verlangt und in den Kernbereich ihrer unternehmerischen Freiheit eingegriffen. Sie würde dadurch zur Inkaufnahme massiver Wettbewerbsnachteile gezwungen. Nicht ein einziges der konkurrierenden Unternehmen biete Nichtraucherflüge im Inland an. Im internationalen Flugverkehr sei das Angebot von Nichtraucherflügen gering und beruhe zudem ausschließlich auf gesetzlichen Vorgaben. Die Fluggesellschaft SAS habe ein zunächst verhängtes Rauchverbot zurückgenommen, nachdem Kunden abgewandert seien. Eben dies müsse auch die Beklagte beim herrschenden Preis- und Konkurrenzkampf befürchten.
Im übrigen könne sie, die Beklagte, gegenüber Mitarbeitern ohne Beteiligung der Betriebsvertretung kein Rauchverbot erlassen. Sie könne auch nicht zur Ausübung eines Initiativrechts verurteilt werden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos. Das Landesarbeitsgericht hat die Zulässigkeit des Antrags zu 1) insoweit verneint, als die Klägerin beantragt hat, ein angeordnetes Rauchverbot auch "durchzusetzen". Im übrigen hat es die Klage ebenso wie das Arbeitsgericht für unbegründet gehalten. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf einen tabakrauchfreien Arbeitsplatz an Bord der Luftfahrzeuge.
A. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die Klage auch insoweit zulässig, als die Beklagte dazu verurteilt werden soll, ein Rauchverbot "durchzusetzen". Mit diesem Antrag geht es der Klägerin ersichtlich darum, daß die Beklagte es nicht bei dem bloßen Ausspruch eines Rauchverbots beläßt, sondern sich auch um dessen Einhaltung bemüht. Die Beklagte soll auf Personal und Fluggäste mit dem Ziel einwirken, das Rauchverbot einzuhalten.
Ein derart auf "Einwirkung" gerichteter Klageantrag ist bestimmt genug im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (BAGE 70, 165 = AP Nr. 3 zu § 1 TVG Durchführungspflicht; unter Aufgabe von BAGE 57, 268 = AP Nr. 20, zu § 1 TVG Tarifverträge: Druckindustrie). Der Schuldner wird danach verurteilt, den Dritten aufzufordern bzw. darauf hinzuweisen, eine bestimmte Handlung vorzunehmen oder zu unterlassen. Dabei hat der Schuldner die Wahl, wie er auf den Dritten einwirkt, um dem Urteilsspruch gerecht zu werden. Insoweit handelt es sich um eine unvertretbare Handlung, die nach § 888 ZPO vollstreckt werden kann. An der Bestimmtheit des Klageantrags ändert dies nichts.
B. Die Klage ist aber nicht begründet.
I. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, daß die Beklagte gegenüber den Fluggästen ein uneingeschränktes Rauchverbot anordnet und durchsetzt.
1. Der Anspruch ergibt sich nicht aus § 5 Satz 1 der Arbeitsstättenverordnung. Hiernach muß "in Arbeitsräumen ... unter Berücksichtigung der angewandten Arbeitsverfahren und der körperlichen Beanspruchung der Arbeitnehmer während der Arbeitszeit ausreichend gesundheitlich zuträgliche Atemluft vorhanden sein". In Nr. 2 Abs. 1 der Arbeitsstätten-Richtlinien zu § 5 (Arbeitsstätten-Richtlinie Lüftung ASR 5 - abgedruckt in Nipperdey II, Arbeitssicherheit Nr. 201) heißt es dazu:
Ausreichend gesundheitlich zuträgliche Atemluft
ist in Arbeitsräumen dann vorhanden, wenn die
Luftqualität im wesentlichen der Außenluftquali-
tät entspricht, es sei denn, daß außergewöhnliche
Umstände die Außenluftqualität beeinträchtigen.
Außergewöhnliche Umstände sind z.B.: Enge, sehr
verkehrsreiche Straßen in Tallage ohne ausrei-
chend regelmäßige Windbewegungen; unmittelbare
Nähe von Produktionsanlagen mit starker Geruchs-
belästigung. Extreme Witterungsverhältnisse sind
dabei nicht zu berücksichtigen.
Diese Vorschriften sind hier nicht anzuwenden. Die Arbeitsstättenverordnung gilt nach ihrem § 1 Abs. 2 nicht "für Arbeitsstätten im Reisegewerbe und Marktverkehr sowie für Straßen-, Schienen- und Luftfahrzeuge im öffentlichen Verkehr".
2. Der geltend gemachte Anspruch ergibt sich auch nicht aus § 618 Abs. 1 BGB. Auch insoweit ist der zutreffenden Begründung des Landesarbeitsgerichts zu folgen (zustimmend auch Leßmann, AuR 1995, 241, 244).
Dabei unterstellt der Senat zugunsten der Klägerin, daß Passivrauchen in Verkehrsflugzeugen grundsätzlich gesundheitsschädlich bzw. -gefährdend ist.
a) Nach § 618 Abs. 1 BGB hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Durchführung von Maßnahmen gegen Gefahren für Leben und Gesundheit nur insoweit, "als die Natur der Dienstleistung es gestattet". Damit ist nichts anderes gemeint als die "Natur des Betriebs", wie es in den gleichbedeutenden §§ 120 a Abs. 1 GewO und 62 Abs. 1 HGB heißt. Es geht demnach nicht an, die "Natur der Dienstleistung" unabhängig von den vom Arbeitgeber zulässigerweise gesetzten Bedingungen zu bestimmen.
Bei Arbeit in einem Gewerbebetrieb können Maßnahmen des Gesundheitsschutzes i.d.R. dann nicht verlangt werden, wenn diese zu einer Veränderung der unternehmerischen Betätigung führen würden. Allerdings gilt das nur insoweit, als es sich um eine rechtlich zulässige Betätigung handelt, bei der der Unternehmer den Arbeitnehmer einsetzt. Das heißt, die unternehmerische Betätigung als solche muß den einschlägigen gewerberechtlichen, berufsregelnden, gesundheitspolizeilichen und sonstigen Bestimmungen entsprechen. Es ist Aufgabe des Gesetz- und Verordnungsgebers, bei der Schaffung dieser Vorschriften die Interessen aller Beteiligten, also der Unternehmer, der betroffenen Kunden und der Arbeitnehmer abzuwägen. Dazu gehören auch die durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG besonders geschützten Rechtsgüter Leben und körperliche Unversehrtheit.
Ist die konkrete unternehmerische Betätigung, bei der der Arbeitnehmer eingesetzt wird, als solche rechtmäßig, so kann der Arbeitnehmer keine Maßnahmen zum Schutz seiner Gesundheit verlangen, die zu einer Veränderung oder zu einem faktischen Verbot dieser Betätigung führen würde. Verbleibende Beeinträchtigungen seiner Gesundheit muß der Arbeitnehmer grundsätzlich hinnehmen (ähnlich Leßmann, AuR 1995, 241, 244). § 618 BGB ist keine Generalklausel, die im Interesse des Arbeitnehmerschutzes das Verbot solcher Betätigungen ermöglicht, die gewerberechtlich und nach anderen Vorschriften erlaubt sind. Die hohe Wertigkeit, die die durch § 618 BGB geschützten Rechtsgüter Leben und Gesundheit nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG haben, ändert daran nichts.
b) Der Unternehmer kann im Grundsatz frei darüber entscheiden, ob und wie lange er eine solche erlaubte Tätigkeit ausüben will. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 1 KSchG sind die Gerichte für Arbeitssachen grundsätzlich nicht dazu befugt, unternehmerische Entscheidungen auf ihre Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit zu überprüfen. Eine gerichtliche Überprüfung kann sich nur darauf erstrecken, ob die Unternehmerentscheidung offenbar unsachlich oder willkürlich ist (vgl. BAG Urteil vom 30. April 1987 - 2 AZR 184/86 - BAGE 55, 262 = AP Nr. 42 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung = EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 47). Unternehmerisches Verhalten ist stets risikobehaftet. Die wirtschaftliche Entwicklung hängt von zahlreichen Faktoren ab. Eine Korrektur der Unternehmerentscheidung durch die Gerichte für Arbeitssachen läßt sich daher - von Ausnahmefällen abgesehen - sachlich nicht rechtfertigen (KR-Etzel, 4. Aufl., § 1 KSchG Rz 493).
Diese Grundsätze sind auch im Rahmen von § 618 Abs. 1 BGB, § 120 a Abs. 1 GewO und § 62 Abs. 1 HGB anwendbar. Die Entscheidung des Unternehmers und Arbeitgebers, eine erlaubte Tätigkeit weiter auszuüben, ist grundsätzlich nicht von den Gerichten für Arbeitssachen überprüfbar. Der Arbeitnehmer kann nicht einwenden, daß eine Änderung der unternehmerischen Betätigung in dem von ihm gewünschten Sinne wirtschaftlich unschädlich oder nützlich wäre.
c) Europarechtliche Vorschriften stehen dieser Auslegung nicht entgegen. Die Vorschriften des deutschen Rechts sind europarechtskonform auszulegen (BAGE 73, 166, 174 f. = AP Nr. 42 zu Art. 119 EWG-Vertrag). Zwar bedürfen Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaften grundsätzlich der Umsetzung in das nationale Recht, da sie sich nur an die Mitgliedstaaten wenden. Gleichwohl sind sie - wenn sie eindeutig sind und insbesondere wenn die dem nationalen Gesetzgeber in der Richtlinie gesetzte Frist abgelaufen ist - bei der Auslegung nationalen Rechts zu berücksichtigen (EuGH Urteil vom 8. Oktober 1987 - EuGHE 1987, 3982 - Kolpinghuis Nijmegen -; BGH Beschluß vom 3. Juni 1993 - I ZB 9/91 - NJW 1993, 3139). Das gilt auch für das Arbeitsschutzrecht (vgl. dazu Bücker/Feldhoff/Kohte, Vom Arbeitsschutz zur Arbeitsumwelt, 1994, Rz 328 ff.).
Nach dem 13. Erwägungsgrund der EG-Richtlinie 89/391 vom 12. Juni 1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit (Rahmenrichtlinie Gesundheitsschutz - ABl. Nr. L 183) stellen "die Verbesserung von Sicherheit, Arbeitshygiene und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz ... Zielsetzungen dar, die keinen rein wirtschaftlichen Überlegungen untergeordnet werden dürfen". Die dem nationalen Gesetzgeber zur Umsetzung der Richtlinie gesetzte Frist (Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie) ist abgelaufen.
Daraus kann die Klägerin schon deswegen nichts für sich herleiten, weil es sich nur um einen Erwägungsgrund und nicht um eine der Anwendung fähige Norm handelt. Unabhängig davon fehlt es an der erforderlichen Eindeutigkeit. Die EG-Richtlinie 89/391 enthält im wesentlichen nur allgemeine Vorschriften. Besondere Vorschriften enthalten die nach Art. 16 Abs. 1 EG-Richtlinie 89/391 zu erlassenden Einzelrichtlinien, u.a. die EG-Richtlinie vom 28. Juni 1990 über den Schutz der Arbeitnehmer gegen die Gefährdung durch Karzinogene bei der Arbeit (ABl. Nr. L 196). Nach dessen Art. 16 Abs. 1 legt "der Rat nach dem Verfahren des Art. 118 a des Vertrages für alle Karzinogene, bei denen dies möglich ist, durch Richtlinien Grenzwerte fest und erläßt andere damit unmittelbar zusammenhängende Bestimmungen". Das ist bislang noch nicht geschehen (Theuer, DB 1996, 273).
d) Für den vorliegenden Fall bedeutet dies: Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Ausspruch und Durchsetzung eines Rauchverbots gegenüber den Passagieren, weil diese Maßnahme zu einer Änderung der unternehmerischen Betätigung und damit zu einem partiellen Verbot einer - bislang - erlaubten unternehmerischen Betätigung führen würde. Das unterscheidet den Streitfall von solchen Fällen, in denen sich die unternehmerische Betätigung durch ein Tabakrauchverbot nicht ändert.
(1) Zu Unrecht meint die Klägerin, ein Rauchverbot ändere die "Natur der Dienstleistung" nicht. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausführt, betreffen die Maßnahmen nicht nur die technisch-organisatorische Ausgestaltung des Arbeitsplatzes und das Verhalten von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Sie würden sich vielmehr unmittelbar auf die unternehmerische Betätigung der Beklagten auswirken. Sie könnte ihren Passagieren - jedenfalls soweit die Klägerin als Flugbegleiterin eingesetzt wird - keine "Raucherplätze" mehr anbieten. Zum Angebot der Beklagten gehört die Beförderung von Passagieren in Verkehrsflugzeugen. Dieses Angebot wird maßgeblich auch von den Bedingungen bestimmt, unter denen diese Beförderung stattfinden soll. Dazu gehört neben der Bewirtung auch die Frage, ob der Passagier rauchen darf oder nicht.
Die Beklagte bietet seit Jahrzehnten ebenso wie andere Fluglinien, aber auch die Bahn Raucherplätze an. Es gibt bislang keine gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der nichtrauchenden Passagiere und Arbeitnehmer, obwohl die gesundheitlichen Gefahren des Passivrauchens seit Jahrzehnten diskutiert und von immer mehr Wissenschaftlern und Institutionen als bewiesen angesehen werden. Es gehört heute noch zum Berufsbild der Flugbegleiterin, auch in den Raucherzonen der Verkehrsflugzeuge tätig zu werden. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte für Arbeitssachen, hier anstelle des Gesetz- oder Verordnungsgebers tätig zu werden (vgl. auch BVerwG Beschluß vom 19. Januar 1996 - 11 B 90/95 - NJW 1996, 1297).
(2) Die Klägerin kann auch nicht mit ihrer Behauptung gehört werden, die Einführung eines Rauchverbots würde nicht zu Umsatzeinbußen führen. Es handelt sich dabei um eine Prognose über die weitere wirtschaftliche Entwicklung. Da die unternehmerische Entscheidung von den Gerichten für Arbeitssachen grundsätzlich nicht überprüft werden kann, sind die Darlegungen der Klägerin nicht dem Beweis zugänglich. Die Klägerin macht selbst nicht geltend, daß die unternehmerische Entscheidung der Beklagten, auch Raucherplätze anzubieten, offenbar unsachlich oder willkürlich ist. Damit erweist sich die Rüge der Revision, das Landesarbeitsgericht habe die §§ 139, 278 Abs. 3 ZPO verletzt, als unbegründet.
3. Ein Anspruch auf Anordnung eines Rauchverbots gegenüber den Passagieren ergibt sich auch nicht aus einer entsprechenden Anwendung von § 1004 BGB. Dabei geht der Senat auch in diesem Zusammenhang davon aus, daß Passivrauchen in den Verkehrsflugzeugen der Beklagten gesundheitsschädlich ist. Die Klägerin ist aber - nach derzeitiger Rechtslage - zur Duldung verpflichtet (§ 1004 Abs. 2 BGB). Im Rahmen ihres Arbeitsvertrages als Stewardeß hat sie auch in den Raucherzonen der Flugzeuge zu arbeiten.
Im übrigen ist § 618 BGB die speziellere Norm. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausführt, kann die entsprechende Anwendung des § 1004 BGB nicht zu einer Erweiterung der in § 618 BGB näher bestimmten Rechte und Pflichten führen.
II. Unbegründet ist auch der Hilfsantrag der Klägerin, mit dem sie die Verurteilung der Beklagten erreichen will, sicherzustellen, daß bei Flügen, bei denen sie eingesetzt wird, die Schadstoffkonzentration in der Atemluft bestimmte näher bezeichnete Werte nicht übersteigt. Hat die Klägerin keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Anordnung und Durchsetzung eines Rauchverbots gegenüber den Fluggästen, so besteht auch kein Anspruch darauf, daß die Konzentration von Schadstoffen in der Atemluft derjenigen von reinen Nichtraucherflügen entspricht.
III. Die Klägerin kann von der Beklagten auch nicht verlangen, daß diese gegenüber ihrem in den Flugzeugen eingesetzten Personal ein uneingeschränktes Rauchverbot anordnet und durchsetzt.
1. Ein solcher Anspruch kann nach § 618 BGB nur dann bestehen, wenn dieses Verbot zum Schutz der Gesundheit der Klägerin erforderlich ist (vgl. auch BVerwG Urteile vom 13. September 1984 - 2 C 33/82 -, vom 26. November 1987 - 2 C 53/86 - NJW 1985, 876; 1988, 783 und vom 25. Februar 1993 - 2 C 14/91 - DVBl 1993, 955). Das hat sie nicht dargetan. Während der Servicetätigkeit besteht ohnehin Rauchverbot. Die Klägerin hat es an jeglichem Vortrag dazu fehlen lassen, ob während der Flüge, auf denen sie eingesetzt wird, von anderen Besatzungsmitgliedern geraucht wird, und wann, wo und wie oft dies geschieht. Sicher dürfen die Anforderungen an die Darlegungslast der Klägerin in diesem Zusammenhang nicht überspannt werden. Das enthebt sie aber nicht der Verpflichtung, dem Beweis zugängliche Behauptungen aufzustellen.
2. Aus denselben Gründen hat auch der Hilfsantrag, die Beklagte zu verurteilen, der Personalvertretung Bord ein Angebot zum Abschluß einer Betriebsvereinbarung zu machen, keinen Erfolg. Ein solcher Anspruch könnte der Klägerin allenfalls dann zustehen, wenn die Klägerin auf ihren Flügen durch das Rauchen von Besatzungsmitgliedern in ihrer Gesundheit gefährdet würde. Das hat sie aber - wie ausgeführt - nicht dargetan.
Schliemann Reinecke Düwell
Schütters Dr. Müller
Fundstellen
BAGE 83, 95-105 (Leitsatz 1 und Gründe) |
BAGE, 95 |
BB 1996, 1170 |
BB 1996, 1724 |
BB 1996, 1724 (Leitsatz 1) |
BB 1996, 2095 |
BB 1996, 2095--2096 (Leitsatz 1 und Gründe) |
DB 1996, 1042 (Kurzwiedergabe) |
DB 1996, 1782-1783 (Leitsatz 1 und Gründe) |
DStR 1997, 381 (Kurzwiedergabe) |
NJW 1996, 3028 |
NJW 1996, 3028-3030 (Leitsatz 1 und Gründe) |
BuW 1996, 604 (Kurzwiedergabe) |
EBE/BAG 1996, 114-116 (Leitsatz 1 und Gründe) |
WiB 1996, 948 (Leitsatz) |
ARST 1996, 167-168 (Gründe) |
ASP 1996, Nr 5/6, 60 (Kurzwiedergabe) |
NZA 1996, 927 |
NZA 1996, 927-929 (Leitsatz 1 und Gründe) |
Quelle 1997, Nr 1, 24 (Leitsatz 1) |
RdA 1996, 327 (Leitsatz 1) |
SAE 1998, 117 |
SAE 1998, 117 (Leitsatz 1) |
ZAP, EN-Nr 505/96 (Kurzwiedergabe) |
AP § 120a GewO (Leitsatz 1), Nr 3 |
AP § 611 BGB Fürsorgepflicht (Leitsatz 1), Nr 107 |
AR-Blattei, ES 1310 Nr 2 (Leitsatz 1 und Gründe) |
DZWir 1997, 60-64 (Leitsatz und Gründe) |
EuroAS 1996, 149 (Kurzwiedergabe) |
EzA-SD 1996, Nr 11, 3 (Kurzwiedergabe) |
EzA-SD 1996, Nr 16, 13 (Leitsatz 1) |
EzA § 120a GewO, Nr 4 (Leitsatz 1) |
EzA § 618 BGB, Nr 11 (Leitsatz 1 und Gründe) |
JZ 1996, 1083 |
JZ 1996, 1083-1084 (Leitsatz 1 und Gründe) |
MDR 1996, 1041-1042 (Leitsatz 1 und Gründe) |
PERSONAL 1996, 666 (Leitsatz 1) |
PersR 1996, 458-460 (Leitsatz 1 und Gründe) |
ZLW 1997, 270-276 (red. Leitsatz und Gründe) |