Entscheidungsstichwort (Thema)
Schutz gegen Passivrauchen am Arbeitsplatz
Leitsatz (amtlich)
Flugbegleiter in Verkehrsflugzeugen haben unter dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr am Arbeitsplatz (Passivrauchen) keinen Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Ausspruch eines generellen Rauchverbots gegenüber Fluggästen.
Normenkette
BGB §§ 618, 1004; ArbStVO § 5; GG Art. 2, 14
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 11.02.1993; Aktenzeichen 10 Ca 32/92) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 11. Febr. 1993 – 10 Ca 32/92 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um einen Anspruch der Klägerin auf einen tabakrauchfreien Arbeitsplatz im Rahmen der Erbringung von Arbeitsleistung in Verkehrsflugzeugen der Beklagten.
Die Klägerin ist seit 27.05.1980 als Flugbegleiterin bei der Beklagten beschäftigt. Sie ist Nichtraucherin. Die Beklagte bietet keine reinen Nichtraucherflüge an, sieht vielmehr für Passagiere Raucher- und Nichtraucherzonen vor, wobei das Rauchen in Gängen und Toilettenbereichen sowie während der Start- und Landephase generell untersagt ist. Das in den Maschinen installierte Lüftungssystem arbeitet nicht ausschließlich mit Frischluft, sondern mit größeren Anteilen rezirkulierter Luft.
Für das Bordpersonal, das in Raucher- und Nichtraucherzonen gleichermaßen eingesetzt wird, besteht während der Servicetätigkeit Rauchverbot. Zum Schutz von Nichtrauchern werden bei der Beklagten darüber hinaus als „Leitlinien” bezeichnete, zusammen mit der Gesamtvertretung des fliegenden Personals erarbeitete Empfehlungen für das Verhalten der Mitarbeiter praktiziert. Eine Betriebsvereinbarung, die das Rauchen an Bord reglementiert, ist nicht abgeschlossen, Initiativrechte sind von keinem der Betriebspartner bisher ausgeübt worden.
Die Klägerin wird überwiegend auf Langstreckenflügen eingesetzt. Sie hat beispielsweise von Dezember 1992 bis Mai 1993 effektiv 284 Flugstunden absolviert. Unter Außerachtlassung einsatzfreier Zeiten ergibt dies eine kalendertägliche Flugzeit innerhalb von sechs Monaten von weniger als zwei Stunden im Durchschnitt.
Die Klägerin hat vorgetragen, abgesehen davon, daß der während ihrer Arbeit an Bord unvermeidliche Kontakt mit Tabakrauch bei ihr zu akuten gesundheitlichen Beeinträchtigungen, wie Rötung oder Entzündung von Bindehaut und Nasenschleimhaut, Kopfschmerz und Hustenanfällen führe, gefährde das Passivrauchen langfristig ihre Gesundheit. Sie verweist hierzu auf ein vorgelegtes Konvolut von Studien, Untersuchungen und Äußerungen, insbesondere eine Expertise des Bundesgesundheitsamtes vom 20.03.1992, deren Aktualisierung vom 10.05.1993 sowie auf eine Veröffentlichung in einer Fachzeitschrift für Angehörige des öffentlichen Dienstes von August 1990.
Die Klägerin hat behauptet, auch die Einrichtung von Raucher- und Nichtraucherzonen und die vorhandenen Abluftsysteme seien kein geeignetes Mittel zum wirksamen Schutz von Nichtrauchern vor den Gefahren des Passivrauchens, wie die vorgelegten Expertisen und die ermittelten Schadstoff werte in der Atemluft zeigten. Eben deshalb habe die Organisation für Internationale Zivilluftfahrt bereits 1992 ein weltweites Rauchverbot für alle Passagierflüge ab 01.07.1996 beschlossen. Im übrigen sei das Bordpersonal im praktischen Flugbetrieb häufig nicht einmal imstande, das Flugverbot für bestimmte Bereiche auch wirklich durchzusetzen, wie Vorfälle anläßlich ihrer eigenen Einsätze im März 1992 zeigten.
Die Klägerin hat gemeint, bereits die unbezweifelbare Gesundheitsgefährdung durch Passivrauchen verpflichte die Beklagte, für einen rauchfreien oder doch gefährdungsfreien Arbeitsplatz zu sorgen. Dem aber könne nur durch ein generelles Rauchverbot für Besatzung und Passagiere entsprochen werden. Demgegenüber brauche sie sich nicht auf die Möglichkeit einer Versetzung in den Bodenbereich verweisen zu lassen, da sie Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung habe.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verpflichten, auf ihrem Flugbetrieb für alle Mitarbeiter und Fluggäste der Beklagten ein verbindliches Rauchverbot für die Flugstrecken zu erlassen, auf denen die Klägerin eingesetzt ist;
hilfsweise:
die Beklagte zu verpflichten, Gesundheitsbeeinträchtigungen, die der Klägerin an ihrem jeweiligen Arbeitsplatz durch tabakrauchende Mitarbeiter und Fluggäste der Beklagten zugefügt werden könnten, durch geeignete Maßnahmen auszuschließen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Klageanträge bereits für unzulässig gehalten und im übrigen vorgetragen, schon die Frage einer gesundheitlichen Gefährdung durch Passivrauchen in Verkehrsflugzeugen lasse sich nicht eindeutig im Sinne des Klagevorbringens beantworten. Untersuchungen des Berufsgenossenschaftlichen Instituts für Arbeitssicherheit seien jedenfalls 1982 zu dem Ergebnis gekommen, daß im Vergleich mit gültigen Grenzwerten und im Hinblick auf die Dauer der täglichen Exposition eine gesund...