Dipl.-Ing. Cornelia von Quistorp
In § 3a Abs. 2 Arbeitsstättenverordnung wird Barrierefreiheit nur für den Fall eingefordert, dass tatsächlich Menschen mit Behinderungen beschäftigt werden und nur bezogen auf deren Bedürfnisse: "Beschäftigt der Arbeitgeber Menschen mit Behinderungen, hat er die Arbeitsstätte so einzurichten und zu betreiben, dass die besonderen Belange dieser Beschäftigten im Hinblick auf Sicherheit und Gesundheitsschutz berücksichtigt werden. Dies gilt insbesondere für die barrierefreie Gestaltung von Arbeitsplätzen, Sanitär-, Pausen- und Bereitschaftsräumen, Kantinen, Erste-Hilfe-Räumen und Unterkünften sowie den zugehörigen Türen, Verkehrswegen, Fluchtwegen, Notausgängen, Treppen und Orientierungssystemen, die von den Beschäftigten mit Behinderungen benutzt werden."
Dazu sind relativ weite Ausnahmeregelungen vorgesehen, die allerdings in einem schriftlichen Verfahren durch die zuständige Arbeitsschutzaufsichtsbehörde zu genehmigen sind und den Schutz des Beschäftigten nicht einschränken dürfen. Die länderspezifischen baurechtlichen Vorschriften (s. o.) bleiben ausdrücklich unberührt.
In der ASR V3a.2 "Barrierefreie Gestaltung von Arbeitsstätten" wird das dahingehend konkretisiert, dass der Arbeitgeber Barrierefreiheit zwar nur individuell entsprechend den Bedürfnissen der bei ihm Beschäftigten sicherstellen muss, aber ausdrücklich unabhängig vom festgestellten Grad der Behinderung, also nicht etwa nur für sog. Schwerbehinderte mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mehr als 50 %. Auch dann, wenn ein Mitarbeiter darauf verzichtet, eine Behinderung überhaupt offiziell feststellen zu lassen, hat der Arbeitgeber die nötigen Maßnahmen zu ergreifen, damit dieser sicher und gesundheitsschonend arbeiten kann. Diese Maßnahmen sind in einer Gefährdungsbeurteilung festzulegen, bei der nach der im Arbeitsschutz üblichen Rangfolge technische vor organisatorischen vor personenbezogenen Maßnahmen umzusetzen sind. Nur, wenn es dabei für den Arbeitgeber zu unverhältnismäßigen Aufwendungen kommt, darf davon abgewichen werden.
In die Beurteilung müssen alle Bereiche einer Arbeitsstätte mit einbezogen und entsprechend gestaltet werden, zu denen die Betroffenen Zugang haben müssen.
Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen
Selbstverständlich muss jeder Beschäftigte die Möglichkeit haben, bei Bedarf persönlichen Kontakt mit der Personalvertretung eines Betriebs aufzunehmen. Wenn das Betriebsratsbüro nur über Treppen erreichbar ist, ist es aber sicher nicht verhältnismäßig, einen Treppenlift zu installieren, damit ein mobilitätseingeschränkter Beschäftigter dort hingelangen kann. Vielmehr gibt es sicher in jedem Betrieb eine Möglichkeit, dass ein solcher Kontakt unter Wahrung aller Interessen an einem erreichbaren Ort stattfinden kann. Anders sähe es aus, wenn ein mobilitätseingeschränkter Beschäftigter in den Betriebsrat gewählt wird oder wenn in einem größeren Betrieb eine größere Zahl von Beschäftigten nicht ausreichend gut über Treppen gehen kann.
Wann spricht man von einer Behinderung?
Eine Behinderung liegt vor, wenn die körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder psychische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und dadurch Einschränkungen am Arbeitsplatz oder in der Arbeitsstätte bestehen (Definition nach ASR V3a.2 aus § 2 SGB IX).
Barrierefreie Gestaltung kann abhängig von den zu berücksichtigenden Einschränkungen der Betroffenen folgende Bereiche umfassen:
- bauliche und sonstige Anlagen (Gebäude, Außenanlagen, Produktionsanlagen usw.),
- Transport- und Arbeitsmittel (Pkw, Transportwagen, Büroausstattung, Handwerkzeuge usw.),
- Systeme der Informationsverarbeitung (EDV-Anlagen und Geräte),
- akustische, visuelle und taktile Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen (Lautsprecheranlagen, Alarmierungssysteme, Lagepläne und Orientierungssysteme, Bürokommunikation).
Grundsätzlich sollen alle Anlagen, Einrichtungen und Geräte für Beschäftigte mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernisse und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sein. Das geschieht u. a. durch
- das 2-Sinne-Prinzip bei der Informationsübertragung: Danach werden immer 2 der 3 Sinne "Hören, Sehen, Tasten" angesprochen, z. B. sicht- und tastbare Lagepläne, Bodenmarkierungen oder Gefahrstoffinformationen, sicht- und hörbare Alarmzeichen;
- geeignete Informationsaufbereitung (z. B. vergrößert oder vereinfacht);
- den Ausgleich nicht ausreichend vorhandener motorischer Fähigkeiten durch eine von der Beanspruchung her angepasste Gestaltung (z. B. Rampe statt Treppe, niedrigere Türgriffe, Arbeitshöhen usw., reduzierte Gewichte) und/oder mechanische Unterstützung (z. B. motorisch angetriebene Türen oder Transportwagen).
Barrierefrei heißt nicht "rollstuhlfahrergeeignet"
Viel zu oft wird mit dem Begriff Behinderung eine Mobilitätseinschränkung wie z. B. eine Gehbehinderung verbunden. Tatsächlich haben aber die Mehrzahl der Menschen mit Beh...