Eines der wichtigsten Ziele bei Notfällen ist es, Gesundheitsgefährdungen und Todesfälle auszuschließen. Wenn technische und/oder organisatorische Maßnahmen nicht greifen, ist eine der Hauptschutzmaßnahmen, Personen aus dem Gefahrenbereich zu evakuieren. Bei einem Papierkorbbrand muss sicherlich das Löschen des Entstehungsbrandes im Vordergrund stehen. Erst wenn dies nicht möglich ist und sich der Brand ausbreitet, kann eine Evakuierung sinnvoll sein. Welche Bereiche dann evakuiert werden, muss im Einzelfall entschieden werden, in Abhängigkeit von der Betriebs- und Gebäudestruktur.
Die Verantwortung für die Sicherheit trägt der jeweilige Unternehmer. Er ist somit auch für die Evakuierung in Notfällen verantwortlich. Wie in anderen Bereichen des Arbeits- und Umweltschutzes kann der Unternehmer diese Aufgaben delegieren (ohne dass er die Gesamtverantwortung abgeben kann). Er muss sich jedoch davon überzeugen, dass alle notwendigen Voraussetzungen geschaffen und aufrechterhalten werden.
Um Evakuierungen erfolgreich durchführen zu können, ist es notwendig, im Vorfeld einige Punkte abzuklären:
- Sind Flucht- und Rettungswege in ausreichender Zahl und Größe vorhanden? Die Größe richtet sich nach der Anzahl der Personen, die über diese Wege die Gefahrenbereiche verlassen sollen (vgl. auch ASR A2.3 "Fluchtwege und Notausgänge"). Die maximale Evakuierungszeit muss dabei so gering sein, dass Personen das Gebäude auch im ungünstigsten Fall (z. B. aus dem obersten Stockwerk) sicher verlassen können.
- Sind Flucht- und Rettungswege entsprechend ASR A1.3 "Sicherheits- und Gesundheitsschutzkennzeichnung" gekennzeichnet?
- Sind Flucht- und Rettungswege dauerhaft frei und Türen in deren Verlauf auch schnell und ohne Hilfsmittel zu öffnen?
- Gibt es – wenn erforderlich – Flucht- und Rettungswegepläne gem. § 4 Abs. 4 Arbeitsstättenverordnung bzw. Abschn. 10 ASR A2.3?
- Gibt es ein Alarmierungssystem für Notfallsituationen?
- Wie werden anwesende Personen (Beschäftigte und Betriebsfremde) benachrichtigt? Möglichkeiten sind Lautsprecherdurchsagen, Telefon, Rufen, Megaphon, Trillerpfeife, Sirenen, optische Signale oder deren Kombination.
- Sind Verantwortlichkeiten für Evakuierungen festgelegt? Gibt es Evakuierungskräfte (vgl. auch Abschn. 3.3.1)?
- Gibt es einen oder mehrere Sammelplätze? Sind diese gekennzeichnet und den betroffenen Personen bekannt?
Evakuierungspläne, aus denen Evakuierungswege, Verhaltensregeln sowie die Ordnung und Reihenfolge der Handlungen von Personen im Evakuierungsfall hervorgehen, helfen bei der Organisation von Evakuierungen. Sie sollten in erster Linie die folgenden Informationen enthalten:
- Art und Weise der Benachrichtigung der Personen, die evakuiert werden sollen,
- Reihenfolge der durchzuführenden Evakuierungsmaßnahmen unter Berücksichtigung der vorhandenen Evakuierungswege und -ausgänge,
- Personenkreis, der über eine Evakuierung entscheidet,
- Personenkreis, der bei Evakuierungsmaßnahmen spezielle Pflichten hat (Evakuierungskräfte, Evakuierungshelfer),
- Lagepläne der Bauwerke und Übersichtspläne über die einzelnen Etagen, einschließlich der darin gekennzeichneten Evakuierungswege und -ausgänge.
3.3.1 Evakuierungskräfte (EVK)
Es muss zunächst bestimmt werden, wer in welchen Unternehmensbereichen für die Evakuierung verantwortlich ist. Sog. Evakuierungskräfte (EVK) können Vorgesetzte in den einzelnen Bereichen oder definierte Mitarbeiter (auch Dritte, z. B. Mitarbeiter des Wachdienstes) sein. Evakuierungskräfte lassen sich wie folgt definieren:
Zitat
Eine Evakuierungskraft ist ein von der Firmen-/Geschäftsleitung beauftragter Mitarbeiter, der im Gefahrenfall (Evakuierungsfall) den Evakuierungsablauf der Personen in einem ihm zugewiesenen Bereich zu lenken, zu überwachen und zu kontrollieren hat. Er hat gegenüber den Personen und anderen Mitarbeitern im Gefahrenfall Weisungsrecht und ist befugt und verpflichtet, auf alle zu evakuierenden Personen im Sinne ihrer Sicherheit einzuwirken und Maßnahmen anzuweisen. Die Evakuierungskraft untersteht direkt und unmittelbar der betrieblichen Einsatzleitung (Betriebsdirektor, Geschäftsführer, Gebäudebeauftragten).
Die Aufgaben und Zuständigkeiten der Evakuierungskräfte müssen präzise festgelegt werden. Dies muss schriftlich erfolgen. Die Zuständigkeitsbereiche können in Gebäudeplänen fixiert werden. Das hat den Vorteil, dass keine Bereiche ausgelassen werden, da nicht zugeordnete Bereiche leicht ersichtlich sind. Die Schwerpunktaufgaben von Evakuierungskräften sind:
- Vorbeugend arbeiten und an Belehrungen und Schulungen teilnehmen oder sie durchführen;
- sich bei Evakuierungsalarm auf die vorgesehenen Plätze begeben (standortbezogener Stellplatz z. B. vor Treppenraum A; variabler Stellplatz z. B. pendeln im Bereich vor dem Aufzug);
- Aufzugbenutzung und Benutzung von Fahrtreppen verhindern;
- Personenströme auf die vorgesehenen Evakuierungswege und -ausgänge lenken bzw. führen (Gänge, Flure, Treppenräume, Ausgänge);
- bei Ausfall der zentralen Alarmierung Evakuierungsmaßnahmen veranlassen (Personen zum Verlassen der Bere...