Dipl.-Ing. Cornelia von Quistorp
Verkehrswege und Arbeitsplätze auf Dächern müssen sicher begeh- bzw. benutzbar sein. Vor allem müssen Absturzgefahren vermieden werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass an Arbeitsplätzen in der Regel höhere Anforderungen an Einrichtungen zur Absturzsicherung zu stellen sind als an Verkehrswegen, weil der Aufenthalt länger ist und die durchzuführende Tätigkeit ggf. ein zusätzliches Risiko bedeutet, mindestens aber die Aufmerksamkeit der Beschäftigten bindet.
Mindestausstattung auf Dächern mit Einrichtungen zum Schutz gegen Absturz
In der DGUV-I 201-056 wird in einer Tabelle sehr übersichtlich ausgeführt, wie Dächer mit Schutzeinrichtungen gegen Absturz auszustatten sind, abhängig davon, welche Personengruppen unterschiedlicher Qualifikation (Dachdecker, Haustechniker, andere Handwerker, andere Gebäudenutzer) sich zu welchem Zweck und wie häufig dort aufhalten.
Nicht durchtrittsichere Dächer
Sie dürfen nur über geeignete Laufstege betreten werden, die die für Verkehrswege üblichen Breiten haben und seitlich mit Geländern gesichert werden müssen. Wo wegen der Oberflächenbeschaffenheit des Daches keine ausreichend breiten Verkehrswege möglich sind und ggf. Anseilschutz (s. u.), müssen wenigstens ausreichend sichere Trittmöglichkeiten geschaffen werden.
Betreten verboten!
Nicht durchtrittsichere Dächer sind weitverbreitet, z. B. Faserzementeindeckungen auf Gewerbehallen. Wenn auf solchen Dächern keine Laufstege vorhanden sind, dürfen sie nicht betreten werden – auch nicht im Notfall!
Absturzkanten und nicht durchtrittsichere Einbauten
Generell gilt: von Absturzgefahr wird ausgegangen, wenn Absturzkanten oder nicht durchtrittsichere Einbauten weniger als 2 m von Verkehrswegen und Arbeitsplätzen entfernt sind. In diesem Fall ist Absturzsicherung mit einer der folgenden Maßnahmen erforderlich:
Geländer sind eine der sichersten und oft auch gut umsetzbaren Absturzsicherungen. Sie können fest montiert sein, sind aber auch nachrüstbar. Speziell für Dächer gibt es frei aufstellbare Geländer, für die keine Montage in der Dachhaut erforderlich ist und so gestaltet sein können, dass sie beim Anblick der Fassade nicht wahrgenommen werden.
Überdeckungen oder Unterspannungen von nicht durchtrittsicheren Einbauten können ebenfalls bei Bedarf (ggf. lichtdurchlässig) nachgerüstet werden. Dazu gehören Gitterabdeckungen über oder unter Lichtkuppeln, Auffangnetze unter Lichtplatten u. Ä.
Wer tritt denn schon auf eine Lichtkuppel ...?
Niemand, der sich auskennt, tut das bewusst. Schwere Absturzunfälle passieren aber häufig, weil Personen, die sich in der Nähe aufhalten, ausrutschen und dann durchbrechen, oder weil Lichtplatten, Lüftungsauslässe u. a. unter Laub oder Schnee nicht mehr zu erkennen sind.
Anseilschutz ist die letzte Schutzmaßnahme, die bei Arbeiten auf Dächern nur dann ergriffen werden sollte, wenn die Gefährdungsbeurteilung ergeben hat, dass alle oben genannten Maßnahmen nicht umsetzbar oder nicht ausreichend sind (siehe Rangfolge der Schutzmaßnahmen TOP). Der Einsatz ist wenig komfortabel, die Rückhalteseile können bei Arbeiten hinderlich sein und vor allem hängt die Schutzwirkung davon ab, dass Gurtsysteme tatsächlich getragen und richtig verwendet werden. Bereits ein falsch angeschlagenes oder um wenige Meter zu langes Seil macht die Schutzwirkung zunichte.
Auf jeden Fall sollte Anseilschutz auf Dächern immer als Rückhalteschutz, nicht als Auffangeinrichtung ausgelegt werden.
Auffangsysteme auf Dächern vermeiden
Der Einsatz von Auffangsystemen, bei denen nach einem Sturz die verunfallte Person im Seil hängt, ist auf Dächern praktisch kaum handhabbar:
- hohe Anforderungen an das Seilsystem, weil selbst zugelassene Seilsysteme bei Pendelstürzen über scharfkantige Dacheindeckungen versagen können, sodass Sonderausstattungen erforderlich sein können;
- hohe Anforderungen an das Rettungsgeschirr, das exakt auf Größe und Gewicht der Personen anzupassen ist, ggf. über Dämpfer verfügen muss usw.;
- hohe körperliche Belastung, sodass eine arbeitsmedizinische Vorsorge (Arbeiten mit Absturzgefahr, Grundsatz G 41) erforderlich wird, zudem im Falle eine Absturzes nicht geringes Verletzungsrisiko;
- hoher Trainingsaufwand, weil mit Auffangsystemen nach DGUV-R 112-198 intensiv praktisch geübt werden muss;
- hohe Ansprüche an die Notfallorganisation, weil im Seil hängende Personen innerhalb weniger Minuten gerettet werden müssen, um das ggf. lebensbedrohliche Hängetrauma zu vermeiden – was i. d. R. nur mit externer Hilfe möglich sein dürfte.
Weil auf vielen Dächern nur gelegentlich Inspektions- und Wartungsarbeiten anfallen, ist Anseilschutz, obwohl in der Rangfolge der Schutzmaßnahmen hinten, ein weit verbreitetes Schutzsystem auf Dächern. Bei Neubauten werden entsprechende Anschlagpunkte bereits vorgesehen. Bei vielen Altbauten müssen sie nachgerüstet werden, um vorschriftsmäßig arbeiten zu können. Dazu sind unterschiedliche Systeme im Markt vertreten, die die Dachhaut nicht beschädigen.
Verkehrswege und Arbeitsplä...