Arbeiten an unter Spannung stehenden Teilen sind besonders gefährlich, weil die Personen dabei mit Körperteilen, Werkzeugen, Ausrüstungsgegenständen oder Hilfsmitteln spannungsführende aktive Teile berühren oder in die Gefahrenzone eindringen. Deshalb darf gemäß §§ 6 und 7 der Unfallverhütungsvorschrift "Elektrische Anlagen und Betriebsmittel" (BGV A3) bis auf wenige Ausnahmen an unter Spannung stehenden Teilen nicht gearbeitet werden.
Mit Einschränkungen für feuer- und explosionsgefährdete Betriebsstätten ist in Ausnahmefällen das Arbeiten an unter Spannung stehenden Teilen nach § 8 BGV A3 erlaubt, wenn
- sowohl die Nennspannung zwischen aktiven Teilen als auch die Spannung zwischen aktiven Teilen und Erde nicht höher als 50 V Wechselspannung oder 120 V Gleichspannung ist oder
- die Stromkreise nach DIN VDE 0170/0171 eigensicher sind oder
- der Kurzschlussstrom an der Arbeitsstelle höchstens 3 mA Wechselspannung oder 12 mA Gleichspannung oder die Energie nicht mehr als 350 mJ beträgt oder
- aus zwingenden Gründen der spannungsfreie Zustand nicht hergestellt werden kann.
Diese Arbeiten dürfen nur durch Elektrofachkräfte unter Beachtung geeigneter Schutzmaßnahmen ausgeführt werden.
Die BG-Regel "Arbeiten unter Spannung an elektrischen Anlagen und Betriebsmitteln" (BGR A3) konkretisiert die Forderungen hinsichtlich der Schutzmaßnahmen gegen die Gefährdungen durch Körperdurchströmung und Lichtbögen bei Arbeiten an aktiven Teilen aller Spannungsebenen, deren spannungsfreier Zustand nicht sichergestellt ist. Hier ist festgelegt, wie die Elektrofachkräfte befähigt sein müssen, welche organisatorischen Abläufe zu beachten sind und welchen Voraussetzungen Hilfsmittel und Werkzeuge genügen müssen.
Bei Nennspannungen von mehr als 50 V Wechselspannung bzw. 120 V Gleichspannung bis 1.000 V Wechsel- und Gleichspannung sind folgende Arbeiten an unter Spannung stehenden Teilen nur auf Anweisung erlaubt:
- Heranführen von geeigneten Prüf- und Messgeräten,
- Heranführen von geeigneten Werkzeugen und Hilfsmitteln zum Reinigen sowie das Anbringen von Abdeckungen,
- Herausnehmen oder Einsetzen von nicht gegen direktes Berühren geschützten Sicherungseinsätzen,
- Arbeiten in Prüffeldern und Laboratorien,
- Fehlereingrenzung in Hilfsstromkreisen und
- sonstige Arbeiten, wenn zwingende Gründe vorhanden sind.
Zwingende Gründe für das Arbeiten an unter Spannung stehenden Teilen können z. B. vorliegen, wenn durch das Abschalten der Spannung
- eine Gefährdung von Leben und Gesundheit von Personen zu befürchten ist und
- in Betrieben ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden entstehen würde.
Wenn in einem Betrieb bei Vorliegen von zwingenden Gründen unter Spannung gearbeitet werden soll, muss die für die sichere Ausführung der betrieblichen Arbeiten verantwortliche Person - dies wird in der Regel der Unternehmer oder der Anlagenverantwortliche sein - schriftlich festlegen,
- welche Gründe als zwingend angesehen werden,
- welche Arbeiten unter Spannung ausgeführt werden sollen,
- welche Arbeitsverfahren zu berücksichtigen sind,
- wer die Arbeiten ausführen darf,
- welche Körperschutzmittel zu benutzen sind und
- welche Schutzvorrichtungen verwendet werden müssen.
Falls die für die sichere Ausführung der betrieblichen Arbeiten verantwortliche Person dann im Einzelfall nicht selbst die Anweisung für das Arbeiten unter Spannung gibt, muss außerdem festgelegt sein, wer der Arbeitsverantwortliche ist. Keinesfalls darf jemand ohne Auftrag an unter Spannung stehenden Anlagenteilen arbeiten.
Arbeiten unter Spannung dürfen nur von dafür geeigneten Elektrofachkräften, die mit der Arbeitsweise an unter Spannung stehenden Teilen vertraut sind, ausgeführt werden. Sie müssen das Arbeiten an unter Spannung stehenden Teilen sowie die Anwendung der Sicherheitsmaßnahmen beherrschen.
Für die Dauer der Arbeiten müssen geeignete persönliche Schutzausrüstungen und Schutzvorrichtungen benutzt werden; sie müssen der Art der Arbeit, der Spannungshöhe, den Gefahren durch Körperdurchströmung oder durch mögliche Lichtbogen im Kurzschlussfall und den Umgebungsbedingungen angepasst sein.
Bild 5-24: Besondere Werkzeugtasche mit isoliertem Werkzeug für Arbeiten an unter Spannung stehenden Teilen im Niederspannungsbereich
Bild 5-25: Elektrofachkraft mit Schutzkleidung
Bild 5-26: Sicherheitspaket
Hierzu gehören z. B. isoliertes Werkzeug, isolierende Schutzkleidung, Material zum Abdecken und Isolieren des Standortes und von Anlagen an der Arbeitsstelle (Bilder 5-24 und 5-25 sowie Bild 5-26).
Isolierte Werkzeuge dürfen nur bestimmungsgemäß und nur für Arbeiten an unter Spannung stehenden Teilen, d. h. nicht für allgemeine Arbeiten, verwendet werden (Bild 5-24).
Handwerkszeuge zum Arbeiten an unter Spannung stehenden Teilen sollten getrennt von anderen Handwerkszeugen aufbewahrt werden.
Nach DIN VDE 0105 Teil 7 ist ein Arbeiten in explosionsgefährdeten Betriebsstätten an unter Spannung stehenden Teilen nur zulässig, wenn die Bedingungen gemäß Abschnitt 5.3.6.2 eingehalten sind.