Arbeitsschutz in der Elektroauto-Produktion
Aktuell fahren rund 450.000 Elektroautos auf Deutschlands Straßen, insgesamt sollen es bereits über eine Millionen Elektroautos sein. Diese Entwicklung wird sich hoffentlich nachhaltig positiv auf den Klimaschutz auswirken, was aber ist mit dem Arbeitsschutz? Ein klarer Trend ist noch nicht erkennbar: Sind die Gefahren und Gefährdungen durch die neuen Antriebsarten größer als bisher oder verlagern sich die Herausforderungen lediglich und neue Gefährdungen ersetzen die alten?
Herstellung von Elektroautos – Hauptgefährdung elektrische Spannung
Die größte Herausforderung für den Arbeitsschutz bei der Produktion von Elektroautos liegt in der elektrischen Gefährdung. Die Hochvoltsysteme (HV-Systeme) der E-Fahrzeuge beziehen Spannungen im Bereich von 200 bis 1.000 Volt und liegen somit deutlich höher als bei den Fahrzeugen mit Diesel- und Verbrennerantrieb.
Die größten Gefahren für Beschäftigte dürften dabei im Herstellungsprozess und im Recycling zu erwarten sein. Von den verbauten Hochvolt-Komponenten geht bei Serienfahrzeugen unter normalen Bedingungen kaum elektrische Gefahr aus. Dennoch kann nicht ausgeschlossen werden, dass beispielsweise bei Reparatur- oder Servicearbeiten unter Spannung stehende Teile berührt werden.
Umgang mit Lithium-Batterien – zentrales Problem bei der Herstellung von Elektroautos
Ein weiteres Problem stellt bei der Herstellung von E-Fahrzeugen die Lagerung und der Umgang mit explosionsgefährdeten Lithium-Ionen-Batterien (genauer: Lithium-Sekundär-Batterien) dar. Da jeder Anwendungsbereich dieser Batterien seine spezifischen Anforderungen hat, müssen Schutzmaßnahmen je nach Einzelfall konzipiert werden. An dieser Stelle seien einige der wichtigsten Maßnahmen und Verhaltensregeln bei der Lagerung und dem Umgang mit Lithium-Batterien in den Betrieben genannt:
- Die Batterien sollten nur mit einer Brandschutzwand mit 90 Minuten Feuerwiderstand und einem Sicherheitsabstand von mindestens 20 Meter gelagert werden. Die Batterien sollten nicht mit anderen Produkten zusammen gelagert werden.
- Die Batterie-Lager sollten Sicherheitslüftungen besitzen, die stets offengehalten werden müssen.
- Im Rahmen des betrieblichen Brandschutzes müssen Freistreifen und Sicherheitsabstände von mindestens 2,5 Meter innerhalb eines Brandabschnitts berücksichtigt werden.
- Die Batterien müssen vor Frost geschützt werden.
- Der Ladevorgang sollte in einem brandlastfreien Umfeld und niemals unbeaufsichtigt durchgeführt werden. Ladegeräte sollten nur im Trockenen verwendet werden, es sei denn sie sind gegen Feuchtigkeit geschützt.
- Um den Akku zu schonen, sollte dieser niemals über 90% oder unter 10% entladen werden.
- Akkus und Batterien sollten niemals zerlegt, geöffnet oder zerkleinert werden.
- Nach jedem Sturz, Fall und Unfall sollte das Innere des Akkus auf Beschädigungen hin untersucht werden.
- An den Arbeitsplätzen in der Produktion sollten die Batterien nur in möglichst geringen Mengen vorgehalten und dort in feuerbeständigen Lagerschränken aufbewahrt werden.
- An allen Lagerplätzen, Bereitstellungsflächen und relevanten Arbeitsplätzen sollten stets Feuerlöscher mit speziellen Löschmitteln für Lithiumbrände zur Verfügung stehen.
- Es sollte ein Havariekonzept erarbeitet werden.
Besondere Gefahren in der Produktion von Elektroautos – Qualifizierung der Beschäftigten
Die größten Gefahren sind bei der Herstellung von Elektroautos zu erwarten. Wie kann man die Produktion von E-Fahrzeugen so gestalten, dass die Gefährdungen beherrschbar sind? Hilfestellung für die Organisation von Arbeiten an Elektroautos bietet die DGUV Information „Qualifizierung für Arbeiten an Fahrzeugen mit Hochvoltsystemen“. Ihr zufolge ist die notwendige Qualifizierung der Beschäftigten besonders wichtig.
Die DGUV Information unterscheidet dabei vier Qualifizierungsstufen im Bereich der Produktion: E (Sensibilisierte Person), 1E (Fachkundig unterwiesene Person, FuP), 2E (Fachkundige Person, FHV) und 3E (Fachkundige Person für unter Spannung stehenden HV-komponenten).
Arbeitsschutzorganisation: Beispiel Montage von Elektroautos
Die DGUV Information „Qualifizierung für Arbeiten an Fahrzeugen mit Hochvoltsystemen“ regelt nicht nur den Qualifikationsbedarf für bestimmte Funktionen, sie gibt auch Hinweise wie Personen mit den entsprechenden Qualifizierungsstufen während des Fertigungsprozesses für Sicherheit sorgen sollten.
Bei der Montage von Elektroautos werden oft wiederkehrende Arbeiten ausgeführt, die auch durch Fachkundig unterwiesene Personen (FuP) erfolgen können. Diese Arbeiten müssen grundsätzlich einer Gefährdungsbeurteilung unterzogen werden. Die danach festgelegten Schutzmaßnahmen werden in verbindliche Arbeitsanweisungen festgehalten. Die fachliche Richtigkeit der standardisierten Arbeitsanweisungen wird von einer Fachkundigen Person Hochvolt (FHV) geprüft. Die verantwortlichen Führungskräfte können daran anschließend die Leitung und Aufsicht der Montage auf der Grundlage dieser standardisierten Arbeitsverfahren übernehmen.
Die Inhalte der Arbeitsanweisungen müssen den Beschäftigten durch Einweisung (zum Beispiel im Rahmen der Produktschulung) oder Unterweisung vermittelt werden. Für die nachhaltige Integration der standardisierten Arbeitsverfahren in den Produktionsprozess, die Erstellung erforderlicher Dokumentationen und die Kontrolle der Umsetzung sind die jeweiligen Vorgesetzten verantwortlich.
Prävention bei der Herstellung von Elektroautos – sichere Inbetriebnahme und Prüfung des Hochvolt-Systems
Während der Fertigung und Montage sind besonders zwei Prozesse im Fokus der Arbeitssicherheit: Die Inbetriebnahme des Hochvolt-Systems sowie diverse elektrische Prüfungen. Mit der Inbetriebnahme des Hochvolt-Systems durch Einspeisung über die Spannungsquelle erhöht sich das Gefährdungspotenzial. Dadurch können je nach Tätigkeit am Fahrzeug weitere Qualifizierungsmaßnahmen für die Beschäftigten erforderlich werden. Dabei sind besonders folgende Unterscheidungen zu treffen, die unterschiedliche Gefährdungspotenziale berücksichtigen
- Batterieinbetriebnahme mit vollständigem Berührungs- und Lichtbogenschutz: Die Inbetriebnahme durch eine Fachkundig unterwiesene Person (FuP) nach standardisierten Arbeitsverfahren ist ausreichend.
- Batterieinbetriebnahme ohne vollständigen Berührungs- und Lichtbogenschutz: Der Schutz gegen elektrischen Schlag und Störlichtbögen ist nicht ausschließlich mit technischen Mitteln sichergestellt. Diese Arbeiten dürfen nur von Beschäftigten mit einer Qualifikation nach Stufe 3E ausgeführt werden.
- Nacharbeit ohne Fehler im Hochvolt-System: Wenn die Nacharbeit keinen Eingriff in das HV-System erfordert, können diese Arbeiten von einer Fachkundig unterwiesenen Person (FuP) nach standardisierten Arbeitsverfahren ausgeführt werden. Das schließt auch Arbeiten am konventionellen Bordnetz bis 30V AC und 60V DC ein.
- Nacharbeit mit Fehler im Hochvolt-System: Sind Arbeiten am Hochvolt-System notwendig, muss der spannungsfreie Zustand des Hochvolt-Systems sichergestellt werden. Diese Arbeiten erfordern Beschäftigte mit einer Qualifikation nach dem Stufenmodell Stufe 2E. Die Festlegungen beinhalten auch Arbeiten am konventionellen Bordnetz bis 30VAC und 60VDC, wenn Komponenten des Hochvolt-Systems betroffen sind. Für die Fehlersuche im Hochvolt-System können Arbeiten unter Spannung erforderlich sein. In diesem Falle ist die Qualifikation nach Stufe 3E notwendig.
Elektrische Prüfungen bei der Fertigung von Elektroautos
Wenn im Fertigungs-/Montageprozess elektrische Prüfungen durchgeführt werden, z.B. Durchgängigkeit des Schutzpotenzialausgleichs, Isolationsmessungen, Spannungsmessungen, müssen die Vorgaben der DIN EN 50191 (VDE 0104) und der DGUV Information 203-034 „Errichten und Betreiben von elektrischen Prüfanlagen“ berücksichtigt werden. Hinsichtlich der erforderlichen Qualifikation sind außerdem folgende Unterscheidungen zu berücksichtigen:
- Kann der spannungsfreie Zustand nicht sichergestellt werden, müssen Beschäftigte mit der Qualifikation nach Stufe 3E eingesetzt werden.
- Bei Prüfungen mit vollständigem Berührungs- und Lichtbogenschutz ist eine Qualifikation nach Stufe 2E notwendig, wenn das Messergebnis bewertet werden muss und eine Qualifikation nach Stufe 1E notwendig, wenn das Messergebnis nicht bewertet werden muss.
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