Innovative Prävention gegen Gewalt im öffentlichen Dienst
Die zunehmenden Aggressionen gegenüber Beschäftigten des öffentlichen Dienstes machen Politik und Arbeitgebern immer mehr Sorgen. 2023 wurden z. B. laut Polizeilicher Kriminalstatistik (PKS) allein in Baden-Württemberg 13.581 (2022: 12.614) Polizeibeamte und 328 (2022: 289) Mitarbeiter der Feuerwehr und des Rettungsdienstes Opfer von Gewalt – so viel wie nie zuvor. Gleiches gilt für die Anzahl der Opfer von Gewalt unter den sonstigen Beschäftigten im öffentlichen Dienst, die im Jahr 2023 auf einen Höchstwert von 1525 Personen (2022: 1352) angestiegen ist. Diese alarmierenden Zahlen veranlassen die Verwaltungsträger, neue Instrumente einzuführen, die der gesteigerten Gewaltdimension Rechnung tragen – und dabei geht es auch um Maßnahmen für den Arbeits- und Gesundheitsschutz.
Psychosoziale Unterstützung
Beispielsweise hat die Stadtverwaltung Stuttgart erstmals eine psychosoziale Unterstützung nach einer Gewalterfahrung im Dienst ins Leben gerufen. Im Jahr 2017 veröffentlichten der Oberbürgermeister und der Gesamtpersonalrat der Stadtverwaltung gemeinsam eine „Grundsatzerklärung gegen Gewalt am Arbeitsplatz“ und gaben dabei den Startschuss für die Arbeit des Mitarbeiterunterstützungsteams (MUT).
Die MUT-Mitarbeiter helfen seitdem sowohl „Primäropfern“, d. h. Menschen, die unmittelbar von einer Krisensituation, einer Katastrophe oder einem Trauma betroffen sind; als auch „Sekundäropfern“ und „Tertiäropfern“, die unmittelbar oder mittelbar mit den psychischen Traumatisierungen der Primäropfer konfrontiert sind. Das Unterstützungsteam will die betroffenen Personen mit seinen Interventionen stabilisieren, deren psychisches Gleichgewicht wiederherstellen und damit ihre Arbeitsfähigkeit sichern. Die Stadt Stuttgart wurde in der Zwischenzeit für ihr MUT-Konzept und die erfolgreiche Arbeit des MUT-Teams von der Unfallkasse Baden-Württemberg (UKBW) mit dem UKBW-Preis ausgezeichnet.
Hilfe durch Unterstützungsteam
Ein erstes Zwischenfazit seiner Arbeit konnte das MUT-Team auch schon ziehen: Wichtige Voraussetzungen für die Prävention von Gewalt seien unter anderem, dass den Gefährdungsbeurteilungen der einzelnen Arbeitsplätze noch mehr Bedeutung zugemessen wird. Büroeinrichtungen, die gesamte Arbeitsplatzgestaltung sowie alle Arbeitsabläufe müssten darüber hinaus kontinuierlich und möglichst zeitnah den aktuellen gesetzlichen und wissenschaftlichen Anforderungen und Erkenntnissen angepasst werden. Die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Beratungsstellen – z. B. der Betrieblichen Sozialberatung – sei weiterhin empfehlenswert.
Erste Präventionsdatenbank
Seit 2022 fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) das auf zwei Jahre angelegte Verbundprojekt „Lagebildinstrument zu Gewalterfahrungen von Beschäftigten im öffentlichen Dienst (InGe)“. Der Hintergrund: Weder in Baden-Württemberg noch bundesweit existiert derzeit ein umfassendes Lagebild zu physischer und psychischer Gewalt gegen Beschäftigte des öffentlichen Dienstes.
Strafbare Handlungen wurden zwar in der PKS registriert, belastbare Daten über die im öffentlichen Dienst begangenen Gewalttaten konnten jedoch daraus nur schwer abgeleitet werden. Im Rahmen von InGe wurde nun eine einheitliche elektronische Meldeplattform für diese spezifischen Gewaltdelikte entwickelt.
Für den Arbeitsschutz noch interessanter: Flankierend dazu wurde auch eine Präventionsdatenbank eingeführt, die über 80 Maßnahmen enthält, die von den Anwendern nach verschiedenen Aspekten gefiltert werden können, darunter Gewaltform, Beruf, Zielrichtung und Wirkung. Die Datenbank ist seit dem 30. September 2024 über die InGe-Projekthomepage zugänglich. Langfristig soll sie um weitere Maßnahmen ergänzt und mit dem Meldeportal verknüpft werden.
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