Erkennen einer außergewöhnlichen psychischen Belastung
Einsatzkräfte müssen in der Lage sein, zu erkennen, wenn Ereignisse für sie belastend sind bzw. waren und sich dieses auch eingestehen. Ob "normale" Einsatzkraft, Spezialistin bzw. Spezialist oder Führungskraft, die Seele macht hier keinen Unterschied. Die individuelle Belastungsgrenze kann jederzeit plötzlich erreicht sein. Ein Überblick, welche Reaktionen und Symptome auftreten können, wurde bereits beispielhaft unter Punkt 4.1 gegeben.
Beurteilen - wann Handlungsbedarf gegeben ist
Da das individuelle Belastungserleben jeder einzelnen Einsatzkraft sehr unterschiedlich ist, ist es schwer aufzuzeigen, wann Handlungsbedarf gegeben ist. Wurde erkannt, dass die individuelle Belastungsgrenze erreicht bzw. überschritten wurde, gilt es, sich Ruhe und Zeit zu nehmen, um das Erlebte zu verarbeiten und auf die momentanen Bedürfnisse zu achten. Gefühle dürfen nicht unterdrückt werden. Ebenso darf man nicht erwarten, dass die Zeit alle Wunden - auch seelische - heilt und Erinnerungen einfach auslöscht.
Wenn einem selbst Veränderungen auffallen oder Bedenken im Umgang mit dem Erlebten kommen, ist es kein Zeichen von Schwäche, sich Hilfe für die Seele einzufordern und anzunehmen. Sinnbildlich, die Pflicht zur Ersten Hilfe sich selbst gegenüber. Grundsätzlich gilt, je früher fachkundige Unterstützung eingefordert und gegeben wird, umso besser ist die Aussicht, das Belastende zu verarbeiten und eine chronische psychische Erkrankung zu vermeiden. Hierauf basieren das Angebot zur psychologischen Erstbetreuung wie auch die Interventionsmaßnahmen der PSNV-E.
Handeln - gegebenenfalls Hilfe einfordern
Psychische und körperliche Reaktionen und Symptome als Folge belastender Ereignisse die länger als vier Wochen bestehen bzw. immer wiederkehrend empfunden werden, wirken sich häufig stark auf die Lebensführung und das Lebensumfeld betroffener Einsatzkräfte aus. Wenn ein Ereignis für Einsatzkräfte besonders belastend war, ist zügiges Handeln geboten. Eine frühzeitige psychologische Unterstützung ist sinnvoll und kann helfen die akute Stressreaktion zu vermindern bzw. bei Bedarf die Weitervermittlung in professionelle psychologische Versorgung unterstützen.
Abbildung kann aus Gründen des Urheberrechts nicht dargestellt werden.
Abb. 9
Die Angebote und Arbeitsweise der PSNV-E müssen in einer Einsatzorganisation bekannt sein.
Ein Risikofaktor für das Entstehen von psychischen Erkrankungen nach traumatischen Ereignissen ist ein Mangel an sozialer Unterstützung. Für Einsatzkräfte ist mit der Vorhaltung der PSNV-E vorgesorgt und somit sollte nicht gezögert werden, diese Hilfe auch einzufordern bzw. anzunehmen.
|
Tipp für Einsatzkräfte: |
Hilfreich kann sein, Zeit mit Dingen zu verbringen, die Freude bereiten. Es sollte schnell versucht werden, in den gewohnten Alltagsablauf zurückzukehren. Ein intaktes persönliches Umfeld und funktionierendes soziales Netzwerk sind sehr gute Rückhalte, wenn es auf Hilfe in schwierigen Situationen und Lebenslagen ankommt. Dazu zählen beispielsweise die Lebenspartnerin bzw. der Lebenspartner, die Familie sowie der Freundes- und Bekanntenkreis und die verständnisvollen Kräfte der eigenen Einsatzorganisation. |
Hilfe annehmen
Heute gibt es in vielen Regionen ausgebildete Personen mit Fähigkeiten zur Unterstützung von Einsatzkräften nach belastenden Ereignissen. Mit ihren Interventionsmöglichkeiten können sie je nach Situation bei der Verarbeitung von belastenden Ereignissen helfen. Nach Möglichkeit soll dabei der Entwicklung psychischer und körperlicher Erkrankungen frühzeitig entgegengewirkt werden. Die Angebote sind freiwillig und für jede Einsatzorganisation und deren Angehörige zugänglich. Verschwiegenheit und Anonymität gehören zu den Grundlagen der Arbeitsweise.
In der Regel erfolgt die Alarmierung über die bekannten regionalen Leitstellen bzw. die bekannten Ansprechpersonen der PSNV. Raten die psychosozialen Fachkräfte eines PSNV-E-Teams zu einer weiterführenden therapeutischen Behandlung bzw. wünschen betroffene Einsatzkräfte dieses, wird durch den zuständigen Unfallversicherungsträger weiterführende Hilfe organisiert. Voraussetzung ist, dass dem Träger der gesetzlichen Unfallversicherung die Anzeige eines Arbeitsunfalles zugeht (siehe Seite 18 "Hinweise zur Erstattung einer Unfallanzeige"). Sollte eine betroffene Einsatzkraft sich nicht für diesen Weg entscheiden können, ist auch eine direkte Kontaktaufnahme zu einer Ansprechperson des zuständigen Unfallversicherungsträgers möglich.