Arbeits- und Gesundheitsschutz im Ehrenamt
Macht Ehrenamt gesünder oder krank? Laut einer US-Studie aus dem Jahr 2020, die im „American Journal of Preventive Medicine“ erschien, macht ehrenamtliche Arbeit viele der freiwilligen Helfer und Helferinnen gesünder als Menschen gleichen Alters ohne soziales Engagement. Zu einem ganz anderen Ergebnis kamen 2021 zwei Studien der Universitäten Vechta und Bochum, die Ehrenamtliche in Deutschland und Großbritannien befragten. Die Annahme, dass die Übernahme ehrenamtlichen Engagements zu einer Verbesserung des Wohlbefindens beiträgt, so die Forscher, konnten ihre Studien nicht bestätigen. Wie können Arbeits- und Gesundheitsschutz im Ehrenamt gewährleistet werden?
Arbeitsschutz im Ehrenamt – arbeitsmedizinische Betreuung muss gewährleistet werden
Wie für alle Arbeitnehmer bzw. berufliche Beschäftigten muss auch für ehrenamtlich Tätige eine arbeitsmedizinische Betreuung durch die verantwortlichen Wohlfahrtsträger gewährleistet sein. Die Organisationen müssen Fachkräfte für Arbeitsschutz sowie Arbeitsmediziner beschäftigen, die sich allerdings nicht immer am Ort der ehrenamtlichen Tätigkeit aufhalten können. Bei Problemen sollten sich die Ehrenamtlichen an die jeweiligen Ansprechpartner vor Ort oder in den zentralen Verwaltungsstellen der Trägerorganisationen wenden, die auch den Kontakt zu den Arbeitsschutz- und Gesundheitsexperten herstellen können.
Gesetzliche Unfallversicherung beim Ehrenamt
Auch ehrenamtlich Tätige sind gesetzlich unfallversichert, egal ob im Rettungswesen, in der Gesundheits- und Wohlfahrtspflege, in der Landwirtschaft, für kirchlich-religiöse Einrichtungen oder bei öffentlich-rechtlichen Organisationen. Je nach Trägerorganisation kann für den Versicherungsschutz eine Unfallkasse oder eine Berufsgenossenschaft zuständig sein.
Versichert sind dabei alle das Ehrenamt betreffenden Tätigkeiten, einschließlich der damit verbundenen Wege. Nicht versichert sind dagegen alle Tätigkeiten, die von der Trägerorganisation nicht beauftragt wurden, auch wenn es sich um Aktivitäten im direkten Umfeld der ehrenamtlichen Tätigkeit handelt, beispielsweise Sport oder Ausflüge mit betreuten Flüchtlingen. Verletzt oder verunfallt der Ehrenamtliche bei nicht beauftragten Tätigkeiten, so muss er seine eigene gesetzliche und private Krankenkasse ansprechen.
Arbeits- und Gesundheitsschutz im Ehrenamt – Überlastung vermeiden, Aufgaben klären
Die Flüchtlingshilfe ist in den vergangenen Jahren eines der Tätigkeitsfelder, in denen besonders viele Freiwillige arbeiten. Die Belastung für die dort aktiven Ehrenamtlichen liegt nicht so sehr in den körperlichen Anstrengungen, sondern eher im psychischen Bereich. Denn mitunter führt das große Engagement nicht zu den gewünschten Erfolgen oder der Idealismus des Ehrenamtlichen deckt sich nicht mit der vorgefundenen Realität. Nicht immer gibt für den großen Einsatz Dank und Anerkennung, teilweise treffen die Helfer auf Aggression.
Es ist deshalb sehr wichtig, dass die Helfer mit realistischen Erwartungen in ihre Arbeit einsteigen. Ein besonders großes Problem ist für viele Ehrenamtliche das große Aufgabenspektrum in den Flüchtlingsunterkünften, das die Helfer schnell überfordern kann. Daher sollten Ehrenamtliche unbedingt vor dem ersten Einsatz mit der jeweiligen Trägerorganisation klären, wie die Aufgabenfelder genau abgesteckt sind und wer was genau zu machen hat:
- Alle Aufgaben sollten klar und eindeutig zwischen Helfern und der Trägerorganisation abgesprochen sein.
- Bei Unklarheiten sofort nachhaken.
- Handelt es sich um komplexere Arbeitsaufträge oder Projekte sollten wesentliche Punkte möglichst schriftlich festgehalten werden. Das betrifft vor allem Beginn und Ende der Tätigkeit bzw. des Projekts, die notwendige Zeit, die investiert werden muss, Zuständig- und Verantwortlichkeiten und die finanziellen Rahmenbedingungen.
- Ergeben sich Fragen oder Probleme im Laufe der Tätigkeit sollten die Ansprechpersonen bei der Trägerorganisation möglichst umgehend angesprochen werden.
Ehrenamt heute – neue Herausforderungen benötigen zeitgemäßen Arbeits- und Gesundheitsschutz
Warum diese Diskrepanzen in den oben genannten Studien? Ein Hauptgrund hierfür dürften wahrscheinlich das große Tätigkeitsspektrum ehrenamtlichen Engagements sein. Die US-Studie befragte Tätige in gesundheitlich weniger risikoreichen Tätigkeitsbereichen wie Kindergärten, Tierheimen, Stadtbüchereien oder bei der Senioren- und Hausaufgabenbetreuung. Ehrenamtliche Mitarbeit beim Roten Kreuz, der Freiwilligen Feuerwehr, dem Technischen Hilfswerk oder der Bergwacht umfasst selbstverständlich weitaus gefährlichere Tätigkeiten, bei denen es schnell zu einem gesundheitsbedrohenden Unfall kommen kann.
Zusätzlich haben sich gerade in den vergangenen Jahren aber auch neue Tätigkeitsfelder für die ehrenamtliche Arbeit ergeben, die für die Ehrenamtlichen sicher auch in Hinsicht auf die gesundheitlichen Belastungen nicht zu unterschätzen sind. In der Flüchtlingshilfe, der Unterstützung für die Ukraine oder der Hilfe für die Flutopfer steht der ehrenamtliche Helfer vor Aufgaben, wie es sie in der Geschichte der Bundesrepublik so nur selten gegeben hat und die viele der Freiwilligen durchaus an die Grenze ihrer physischen und psychischen Belastungsfähigkeit bringen können.
Ukraine-Hilfstransporte: Gesund ankommen
Im Rahmen der Hilfe für die Ukraine fahren oder begleiten einige Ehrenamtliche Hilfstransporte sogar bis an die ukrainische Grenze. Diese oft recht spontanen Fahrten sind mit vielen Gefahren und Unwägbarkeiten verbunden. Unfälle können auf und neben der Straße jederzeit passieren.
Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) hat in den vergangenen Jahren für eine Reihe von Einsatzgebiete freiwilliger Helfer und Helferinnen Leitfäden erstellt, aus aktuellem Anlass nun auch für die Ukraine-Hilfe. Für die Vorbereitung und Durchführung von Hilfstransporten mit Kleinbussen, LKW und Kleintransporter empfiehlt die DGUV folgende Punkte zu beachten, um gesund an den Zielort zu gelangen – und auch wieder zurück:
- Bei der Planung der Fahrt bereits die geltenden Lenk- und Ruhezeiten der jeweiligen Länder beachten. Achtung: Ist der Fahrer beim Beladen anwesend, wird diese Zeit bereits zur Fahrzeit hinzugerechnet.
- Helfende sollten beim Be- und Entladen festes Schuhwerk und Handschuhe tragen.
- Für das Heben und Tragen der Ladung müssen entsprechende Geräte zur Verfügung stehen. Sind diese nicht vorhanden, muss sich der Träger um die Beschaffung der Geräte kümmern.
- Beim Be- und Entladen auf fahrzeugeigenen Ladebühnen auf deren Tragfähigkeit und mögliche Quetsch- und Sturzgefahren achten.
- Ausreichend Pausen machen, um die Konzentration zu erhalten und Unfälle durch Übermüdung zu vermeiden.
- Telefonate während der Fahrt mit dem Handy vermeiden, in dringenden Fällen immer über eine Freisprechanlage sprechen.
- Für eine gute Belüftung im Fahrerbereich bzw. Fahrzeug muss stets gesorgt werden.
- Eine körperliche Fehlbelastung insbesondere des Muskel-Skelett-Systems und des Rückens vermeiden, dafür Fahrer- und Beifahrersitze richtig einstellen.
- Ablenkung, Dauerstress, Konflikte oder gefährliche Momente können zur psychischen Überlastung führen – in solche Situationen mit Beteiligten oder Verantwortlichen sprechen, um Probleme schnell zu lösen.
- Sicherstellen, dass Warndreieck und Warnwesten griffbereit sind und der Kfz-Verbandkasten vollständig ist.
Posttraumatische Belastungsstörungen – auch im Ehrenamt ein Thema
Wie traumatisch die Erlebnisse für freiwillige Helfer bei ihrem ehrenamtlichen Einsatz sein können, zeigen die Folgen der Flutkatastrophe im Ahrtal und benachbarten Regionen. Für die betroffenen Helfer, die unter posttraumatischen Belastungsstörungen leiden, hat beispielsweise der Arbeiter-Samariter-Bund Deutschland (ASB) eine psychologische Nachsorge eingerichtet, die von speziell geschulten Betreuern geleitet werden. Beim Großteil der Fälle würden Trauma-Symptome laut Angaben des Verbandes nach vier bis sechs Wochen auf ein nicht mehr belastendes Maß zurückgehen. Doch bei zehn Prozent der Ehrenamtlichen säßen die Probleme tiefer. Bei ihnen könnte sich eine posttraumatische Belastungsstörung entwickeln, die längerfristig behandelt werden muss.
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