Desinfektionsmittel für die Händedesinfektion kommen fast ausschließlich als gebrauchsfertige Produkte, vor allem als Desinfektionsmittellösung oder teilweise als desinfektionsmittelgetränkte Tücher, mit einer alkoholischen Wirkstoffbasis (60–100 Gew.-%) vor. Die typischen Wirkstoffe sind Ethanol oder 2-Propanol.
Inhalative Gefährdung
Alkohole besitzen einen hohen Dampfdruck und sind flüchtig. Somit können Dämpfe der Inhaltsstoffe oder Aerosole beim Versprühen eine inhalative Gefährdung bedingen.
Bei der hygienischen Händedesinfektion ist die inhalative Gefährdung vernachlässigbar. Auch bei üblichen Pumpsprays ist dies als unproblematisch zu sehen.
Bei der chirurgischen Händedesinfektion ist die inhalative Exposition durch alkoholische Inhaltsstoffe in der Regel auch gering und liegt unterhalb der AGW. Bei ungünstigen Lüftungsverhältnissen (keine oder nicht ausreichende natürliche oder technische Raumlüftung möglich) können jedoch Konzentrationen von bis zu etwa 60 % des jeweiligen AGW über die Desinfektionsdauer erreicht werden. Zusammen mit anderen Gefahrstoffen wie Narkosegasen in OP-Räumen oder Desinfektionsmitteldämpfen bei Desinfektion der Patientenhaut kann daher aufgrund der Gesamtexposition die inhalative Exposition durchaus bei ungünstigen Lüftungsverhältnissen eine Rolle spielen. In einem OP-Bereich mit ausreichender natürlicher Lüftung oder mit einer modernen, normgerechten Lüftungsanlage nach DIN 1946 – Teil 4, die mehr als 1.200 m³/h Frischluft liefert, wird nicht mit einer Überschreitung der AGW für diese Substanzen zu rechnen sein.
Dermale Gefährdung
Aufgrund des notwendigen Wechsels zwischen Kontakt zu Wasser, Handschuhtragen und häufiger Händedesinfektion sind Beschäftigte im Gesundheitsdienst bei ihren Tätigkeiten regelhaft hautbelastender Feuchtarbeit ausgesetzt. Feuchtarbeit ist die Hauptursache für Hauterkrankungen im Gesundheitsdienst. Die in einigen Produkten enthaltenen Hilfsstoffe wie Duftstoffe können zusätzlich irritative oder allergische Hautreaktionen auslösen.
Allgemein ist die Händedesinfektion hautverträglicher als Händewaschen. Ebenfalls kann davon ausgegangen werden, dass bei Händedesinfektionsmitteln keine dermalen Gefährdungen durch Hautkontakt oder die Aufnahme über die Haut bestehen. Desinfektionsmittel, die als hautreizend, haut- oder atemwegssensibilisierend gekennzeichnet sind, werden nicht eingesetzt.
Ein erhöhtes Risiko, dass trockene Alkoholiker durch dermale oder inhalative Exposition bei standardmäßiger Anwendung von Händedesinfektionsmitteln rückfällig werden, ist bisher nicht erkennbar (siehe Kampf et al. 2020).
Augengefährdung
Händedesinfektionsmittel können ernste Augenschäden verursachen. Augengefährdende Spritzer können bei Dosierspendern auftreten, die zu hoch angebracht sind oder die durch eingetrocknete gelförmige Desinfektionsmittelreste verstopft sind.
Brand- und Explosionsgefahr
Brand- und Explosionsgefahr ist bei Anwendung der üblichen alkoholischen Produkte relevant, wenn Zündquellen in der Nähe sind. Bei der chirurgischen Händedesinfektion besteht diesbezüglich aufgrund der verwendeten Menge, der großen Oberfläche und der Hauttemperatur eine wesentliche Gefährdung.
Kennzeichnung der gebrauchsfertigen Desinfektionsmittel
Die Produkte sind üblicherweise mit folgenden Gefahrenpiktogrammen und Gefahrenhinweisen versehen:
- H225 Flüssigkeit und Dampf leicht entzündbar
- H226 Flüssigkeit und Dampf entzündbar
- H318 Verursacht schwere Augenschäden
- H319 Verursacht schwere Augenreizung
- H336 Kann Schläfrigkeit und Benommenheit verursachen
- H412 Schädlich für Wasserorganismen, mit langfristiger Wirkung
Inhalative Exposition bei hygienischer Händedesinfektion |
Bei der Händedesinfektion wird der größere Ethanolanteil über die Atemwege als über die Haut aufgenommen, vom inhalierten Ethanol werden 55–60 % aufgenommen. Um die AGW von Ethanol (380 mg/m3) bzw. Propan-2-ol (500 mg/m3) als Schichtmittelwerte zu erreichen, müssten in einem völlig ungelüfteten Behandlungsraum von 50 m3 Raumvolumen jeweils 19 g reines Ethanol bzw. 25 g Propan-2-ol auf einmal ausgebracht werden. Dies entspricht ca. 10 hygienischen Händedesinfektionen (3 ml Desinfektionsmittel pro Anwendung) mit 80%igem Ethanol bzw. ca. 17 hygienischen Händedesinfektionen mit 60%igem Propan-2-ol. In Räumen mit einem natürlichen Luftaustausch (z. B. Stationszimmer) führt die routinemäßige hygienische Händedesinfektion (vergleichbar gleichzeitige Händedesinfektion von 10–17 Personen in einem Raum) zu keiner Grenzwertüberschreitung. Fazit: Bei der hygienischen Händedesinfektion ist die inhalative Gefährdung vernachlässigbar. |
Dermale Exposition bei Händedesinfektion |
Während der chirurgischen Händedesinfektion wird 0,5–1 % der applizierten Menge von der Haut aufgenommen. Dies entspricht bei der heutigen Anwendungsdauer von 1,5 min einer Aufnahme von 0,03–0,06 g Ethanol in den Körper. In einer Studie wurde die Ethanolkonzentration im Blut nach 10 chirurgischen Händedesinfektionen (pro Anwendung wurden 5 x 4 ml in 3 min aufgetragen) in... |