EU-Parlament: Neue Grenzwerte für Blei und Diisocyanate

Das Parlament der Europäischen Union (EU) hat den Weg frei gemacht für neue, verschärfte Grenzwerte von gesundheitsschädlichen Chemikalien am Arbeitsplatz. Bei Zustimmung des EU-Rates treten damit niedrigere Grenzwerte für Blei und zum allerersten Mal Grenzwerte für die Stoffgruppe der Diisocyanate in Kraft. Das ist ein gesundheitlicher Gewinn für betroffene Beschäftigte. Viele kleinere Firmen könnten durch die neuen Bleigrenzwerte aber wirtschaftlich in Bedrängnis kommen.

Schätzungsweise 150.000 Arbeitnehmer in der EU sind Blei und etwa 4,2 Millionen Beschäftigte sind Diisocyanaten am Arbeitsplatz ausgesetzt. Das EU-Parlament hat daher Anfang Februar 2024 grünes Licht für die Einführung schärferer Grenzwerte für diese Chemikalien gegeben. Die mit großer Mehrheit angenommene Gesetzesvorlage soll die Gesundheit der Beschäftigten durch niedrigere Expositionsgrenzwerte für diese Stoffe noch wirksamer schützen. Blei kann schädliche Folgen für das Nervensystem, Nieren, Herz, Blut und Sexualfunktionen haben. Diisocyanate wiederum können zu Atemwegserkrankungen und allergischen Hautreaktionen führen. Nach abschließender Billigung durch den Rat können die neuen Grenzwerte daher schon bald gesetzlich verpflichtend werden.

Krankheitsfälle aufgrund von Bleiexposition

Jährlich treten in der EU etwa 300 Krankheitsfälle auf, die auf eine frühere Exposition gegenüber Blei zurückzuführen sind. Die derzeit geltenden Grenzwerte wurden seit 1982 nicht aktualisiert, die potenziell neuen Grenzwerte für Blei, liegen bei weniger als einem Viertel dieser. Der Grenzwert für die berufliche Exposition (Arbeitsplatzgrenzwert, AGW) soll auf 0,03 mg/m3 und der biologische Grenzwert auf 15 µg/100 ml festgelegt werden. Der biologische Grenzwert gibt an, bis zu welcher Konzentration die Gesundheit von Beschäftigten im Allgemeinen nicht beeinträchtigt wird. Laut der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) ist dabei genau dieser biologische Grenzwert aussagekräftiger für den Arbeitsschutz als der Arbeitsplatzgrenzwert, da letzterer Wert sich allein auf die Belastung durch Blei in der Luft bezieht.

Diisocyanate und Asthma

Diisocyanate kommen in Klebstoffen, Schäumen, Lacken, Beschichtungsstoffen und Dichtstoffen vor. Die berufsbedingte Exposition gegenüber Diisocyanaten macht 9 bis 15 Prozent aller berufsbedingten Asthmafälle bei Erwachsenen im erwerbsfähigen Alter aus. Das neue Gesetz würde den Grenzwert für die berufsbedingte Exposition auf 6 µg NCO/m3 (die maximale Konzentration, der ein Arbeitnehmer während eines achtstündigen Arbeitstages ausgesetzt sein kann) und auf 12 µg NCO/m3 für die kurzzeitige Exposition (d. h. für einen Zeitraum von 15 Minuten) festlegen.

Energiewende erhöht Gefährdung

Der EU-Kommission, welche das neue Gesetz vorangetrieben hatte, waren neue Grenzwerte für diese Stoffe als auch Blei deshalb so wichtig, weil diese Chemikalien im Zuge der Energiewende noch häufiger zum Einsatz kommen werden. Sie werden nämlich unter anderem für die Herstellung von Batterien und den Bau von E-Autos, Windturbinen sowie für energetische Gebäuderenovierungen verwendet.

Folgen für Handwerksbetriebe

Trotz der hohen Zustimmung zu den neuen Grenzwerten im Parlament, fielen die Reaktionen der Fraktionen und Parteien auf das neue Gesetzesvorhaben recht unterschiedlich aus. Vertreter von Sozialdemokraten, Linken und Grünen begrüßten die neuen Standards. „Es ist nicht alltäglich, dass wir die Arbeitsbedingungen für mehr als 4 Millionen Beschäftigte signifikant aufwerten können", so der zuständige Berichterstatter und dänische EU-Abgeordnete Nikolaj Villumsen von der Fraktion Die Linke. Die Unionsparteien CDU und CSU dagegen kritisierten die Gesetzesinitiative der EU-Kommission bereits im Vorfeld der Parlamentsentscheidung, insbesondere deren mögliche Folgen für kleinere und mittlere Unternehmen. Sie argumentieren, dass in Deutschland bereits seit 2021 höhere Sicherheitsstandards im Umgang mit Blei gelten und die betroffenen Handwerksbetriebe daher bereits strenge Sicherheitsstandards für ihre Beschäftigten implementiert hätten. Es wäre ein falsches Signal, sie nun mit „überbordenden“ Grenzwerten zu bestrafen. Die neuen Grenzwerte kämen faktisch einem Berufsverbot für bestimmte Handwerksbetriebe, insbesondere im Musikinstrumentenbau, gleich.


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