CSDDD: EU-Parlament stimmt für strengeres EU-Lieferkettengesetz
Die Mehrheit der Abgeordneten nahm am 1. Juni den Vorschlag des Rechtsausschusses des Europäischen Parlaments für die CSDDD an. Dieser stellt schärfere Sorgfaltspflichten für Unternehmen in der EU auf. Firmen müssten sicherstellen, dass es in ihrer Lieferkette nicht zu Kinderarbeit, Sklaverei, Ausbeutung von Arbeitskräften, Umweltverschmutzung, Umweltzerstörung und Verlust der biologischen Vielfalt kommt.
Der vom Europäischen Parlament angenommene Richtlinienentwurf weitet den Geltungsbereich der Regeln im Vergleich zur Position des Europäischen Rates auf eine größere Anzahl von Unternehmen aus. Die Vorgaben sollen schon für EU-Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten und einem weltweiten Umsatz von mehr als 40 Millionen Euro gelten. Im ursprünglichen Entwurf liegen diese Grenzen bei 500 Mitarbeitern und 150 Millionen Euro. Je nach Unternehmensgröße soll es gestaffelte Übergangsfristen von bis zu fünf Jahren geben.
Zudem schlägt der Entwurf vor, dass Verstöße mit Strafen von bis zu 5 Prozent des globalen Umsatzes belegt werden können. Unternehmen sollen ferner verpflichtet werden, Pläne zu erstellen, die darlegen, wie sie zur Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad beitragen wollen.
Positionen zur Richtlinie
Vor der Abstimmung im EU-Parlament war eine Zustimmung alles andere als gesichert: Von der größten Fraktion im Parlament, der Europäischen Volkspartei EVP, gab es massive Kritik. Auch von Seiten großer deutscher Wirtschaftsverbände gab es deutlichen Widerstand. So kritisierte etwa der Handelsverband HDE vor Kurzem in einem Schreiben an Abgeordnete, das Gesetz führe zu „spürbaren Wettbewerbsnachteilen gegenüber Unternehmen aus Drittländern.“
Der Sportartikelhersteller Vaude appellierte dahingegen in einer Pressemitteilung vom 25. Mai an die EU-Abgeordneten, für den Gesetzesentwurf abzustimmen und keine Verwässerung zuzulassen. Vaude-Geschäftsführerin Antje von Dewitz zufolge könne das EU-Lieferkettengesetz „ein echter Game-Changer werden, weil nun auch ökologische Faktoren berücksichtigt sind und auch mehr Unternehmen als im deutschen Gesetz in die Pflicht genommen werden sollen.“
Nach der Abstimmung zeigte sich Tiemo Wölken (SPD, S&D) glücklich: „Dass wir nach drei Jahren intensiver Debatte im Parlament nun endlich eine gemeinsame Position zum europäischen Lieferkettengesetz haben, erfüllt mich mit Freude. Das Lieferkettengesetz ist ein zentraler Baustein für ein Wirtschaften in Europa.“ In einer Pressemitteilung der Fraktion heißt es „Wir wollen nicht länger mit zweierlei Maß messen. Umweltschutz und Menschenrechte hören nicht an den EU-Außengrenzen auf, sondern gelten weltweit.“
Die EVP hält den Parlamentsbeschluss für zu weitgehend. Daniel Caspary (CDU, EVP) und Angelika Niebler (CSU, EVP) fürchten: „Den Betrieben droht ein riesiger bürokratischer Aufwand, der vor allem unsere kleinen und mittelständischen Unternehmen zu überfordern droht. Für ein effektives Lieferkettengesetz müssen dieselben Regeln für alle Unternehmen gelten. Leider erfüllt das der jetzige Vorschlag nicht. Durch die Richtlinie droht ein regulatorischer Flickenteppich, der die Unternehmen vor zusätzliche Herausforderungen stellen wird.“
Hintergrund: Corporate Sustainability Due Diligence Directive – Auswirkungen auf Unternehmen
Die CSDDD ist eine geplante EU-Richtlinie, die Unternehmen dazu verpflichtet, Nachhaltigkeitsrisiken entlang ihrer Lieferketten zu identifizieren, zu bewerten und zu mindern. Der Richtlinienvorschlag orientiert sich am französischen „loi de vigilance“ sowie am deutschen LkSG.
Die Direktive soll sicherstellen, dass Unternehmen verantwortungsbewusste Geschäftspraktiken umsetzen und menschenrechtliche, soziale und ökologische Standards einhalten. Die Richtlinie sieht unter anderem eine erhöhte Rechenschaftspflicht von Unternehmen gegenüber Interessengruppen wie Investoren, Kunden und der Gesellschaft vor. Unternehmen werden transparent über ihre Beschaffungspraktiken, Arbeitsbedingungen, Umweltauswirkungen und Maßnahmen zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen berichten müssen.
Wie unterscheidet sich die CSDDD vom deutschen LkSG?
Der vorliegende Richtlinienentwurf geht über die Anforderungen aus dem deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) hinaus. So sieht er vor, den Anwendungsbereich im Vergleich zum deutschen LkSG auf EU- und ausländische Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten und einem jährlichen Nettoumsatz von über 40 Millionen Euro auszuweiten. Der Vorschlag der EU-Kommission umfasst verwaltungsrechtliche Mechanismen, zivilrechtliche Haftung und Pflichten für die Unternehmensführung, um die Umsetzung sicherzustellen.
Zusätzlich zu den im LkSG geregelten Umweltsorgfaltspflichten sollen gemäß dem Entwurf auch Verpflichtungen zum Schutz der biologischen Vielfalt, bedrohter Arten und der Ozonschicht gelten. Große Unternehmen sollen außerdem einen Plan entwickeln, der sicherstellt, dass das Geschäftsmodell und die Unternehmensstrategie mit dem Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft und der Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius gemäß dem Pariser Abkommen im Einklang stehen. Wenn der Klimawandel als ein wesentliches Risiko oder eine wesentliche Auswirkung der Unternehmensaktivitäten identifiziert wurde oder hätte identifiziert werden sollen, sollen die Unternehmen auch Emissionsreduktionsziele in ihren Plan aufnehmen.
Der aktuelle Stand des Gesetzgebungsprozesses
Die CSDDD befindet sich derzeit im Gesetzgebungsprozess der EU.
- Am 23. Februar 2022 hat die Europäische Kommission einen Vorschlag für eine EU-weite Lieferkettenrichtlinie vorgelegt. Er enthält umwelt- und menschenrechtsbezogene Sorgfaltspflichten sowie die Pflicht für große Unternehmen, einen sogenannten „Klimaplan“ zu erstellen.
- Der Europäische Rat hat seine allgemeine Ausrichtung zur Richtlinie am 1. Dezember 2022 beschlossen.
- Am 1. Juni 2023 formulierte das Europäische Parlament seine Position zu der Richtlinie und nahm diese unerwartet deutlich mit 366 Ja- und 225 Nein-Stimmen an.
Die Positionen von Rat und Parlament unterscheiden sich in einigen Punkten, unter anderem zu Pflichten für Geschäftsführer („Directors' Duties“). Wie ambitioniert das Gesetz letztendlich wird, entscheidet sich in den nun anstehenden Trilog-Verhandlungen zwischen Parlament, Mitgliedstaaten und Kommission.
Die Richtlinie richtet sich an die Mitgliedstaaten, bei denen dann die konkrete Umsetzung in das nationale Unternehmensrecht liegt. Konservative und sozialdemokratische Politiker sprachen sie für eine Vollharmonisierung für den gesamten EU-Binnenmarkt aus, da nur dann eine Handhabbarkeit für Unternehmen bestünde.
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