EU-Lieferkettengesetz: Einigung und Einigungstext
Kaum war am 13. März 2024 die Annahme der neuen EU Verordnung zum Verbot von Zwangsarbeit vermeldet, ging es am 15. März 2024 über die Ticker: Nach längerem Hin und Her stimmt eine hinreichende Zahl von EU Mitgliedsstaaten nunmehr auch dem (nochmals entschärften) Entwurf des EU Lieferkettengesetzes (Corporate Sustainability Reporting Directive, kurz: CSDDD bzw. CS3D) zu.
Die Verhandlungsführer von Parlament und Rat hatten bereits am 14. Dezember 2023 vermeldet, eine – zunächst noch informelle – Einigung über die Inhalte des EU Lieferkettengesetzes erzielt zu haben. In Deutschland konnte die Ampel-Koalition aufgrund des Vetos der FDP gegen das Ergebnis der Trilog-Verhandlungen allerdings keine Einigkeit herstellen, was zu der Enthaltung Deutschlands im Rat führte. Da auch weitere Mitgliedsstaaten zögerten, fehlte es zunächst an den erforderlichen Mehrheiten. Hieran änderten zunächst auch diverse Vermittlungsversuche der belgischen Ratspräsidentschaft nichts. Nach der Zustimmung zur EU Verordnung zum Verbot von Zwangsarbeit wurde jedoch bereits vermeldet, dass ein neuer Kompromissvorschlag für das EU Lieferkettengesetzt nunmehr den Weg zu den erforderlichen Mehrheiten ebnen könnte.
In der Sitzung des Ausschusses der ständigen Vertreter am 15.3.2024 bestätigte sich dies – trotz fortbestehender Enthaltung Deutschlands. Bereits kurz darauf haben die Abgeordneten des Rechtsausschusses des Europäischen Parlaments am 19.3.2024 mit 20 Ja-Stimmen und gegen 4 Nein-Stimmen dem modifizierten Vorschlag für das EU-Lieferkettengesetz zugestimmt. Die Pressemitteilung des Europäischen Parlaments ist hier abrufbar. Der Regelungstext, der der Einigung zugrunde liegt, ist auf der Internetseite des EU-Parlaments abrufbar: Text of the provisional agreement. Im Europäischen Parlament steht das Thema am 24.4.2024 auf der Tagesordnung.
Die finalen Beschlüsse werden sich allerdings noch etwas hinziehen, da sie voraussichtlich unter das sog. Korrigendum-Verfahren fallen, wenn die Übersetzungen nicht rechtzeitig fertig werden. In diesem Fall muss das Europäische Parlament nach der Europawahl nochmals abstimmen, gefolgt von einer weiteren Schlussabstimmung im Rat.
Vorbehaltlich der finalen Beschlüsse wird der frisch veröffentlichte Einigungstext nun im Einzelnen auszuwerten sein. Berichtet wurden bislang folgende Eckpunkte.
Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich
Das EU-Lieferkettengesetz soll nunmehr für EU- und Nicht-EU-Unternehmen und Muttergesellschaften mit mehr als 1000 Beschäftigten und einem Umsatz von mehr als 450 Millionen EUR gelten, sowie ferner für Franchiseunternehmen mit einem Umsatz von mehr als 80 Millionen EUR, wenn mindestens 22,5 Millionen EUR durch Lizenzgebühren erwirtschaftet wurden. Die niedrigeren Schwellen für bestimmte Hochrisikosektoren wurden gestrichen.
Zudem sind großzügige Übergangsfristen vorgesehen. Die neuen, noch in nationales Recht umzusetzenden Pflichten sollen zeitlich Anwendung finden:
- für Unternehmen mit mehr als 5.000 Beschäftigten und 1,5 Mrd. Umsatz 3 Jahren nach Inkrafttreten
- für Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten und 900 Millionen Umsatz 4 Jahre nach Inkrafttreten und
- für Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten und 450 Mio. Umsatz 5 Jahre nach Inkrafttreten.
Auch die Definition der Aktivitätenkette wurde eingeschränkt und weiter an den Begriff der Lieferkette im deutschen LkSG angepasst.
Übergangsplan
Weiterhin vorgesehen ist, dass die unter das EU-Lieferkettengesetz fallenden Unternehmen einen Übergangsplan verabschieden und umsetzen, der ihr Geschäftsmodell mit der im Pariser Abkommen festgelegten Obergrenze für die globale Erwärmung von 1,5 °C in Einklang bringt. Nicht mehr vorgesehen ist, dass Unternehmen, die einen bestimmten Schwellenwert überschreiten, verpflichtet sind, die Umsetzung des Plans durch finanzielle Anreize zu fördern.
Zivilrechtliche Haftung und Geldbußen
Nach der Pressemitteilung des Europäischen Parlaments haften die Unternehmen weiterhin, wenn sie ihren Sorgfaltspflichten nicht nachkommen, und müssen ihre Opfer vollständig entschädigen. Außerdem müssen sie Beschwerdemechanismen einrichten und mit Einzelpersonen und Gemeinschaften, die von ihren Handlungen nachteilig betroffen sind, zusammenarbeiten. Allerdings soll den Mitgliedsstaaten laut belgischer Ratspräsidentschaft mehr Flexibilität bei der Umsetzung der Vorschrift eingeräumt werden.
Weiterhin vorgesehen ist die Überwachung der Einhaltung der Sorgfaltspflichten durch Aufsichtsbehörden der einzelnen EU Mitgliedsstaaten. Gegen Unternehmen, die ihren Verpflichtungen nicht nachkommen, können Geldstrafen von bis zu 5 % des weltweiten Nettoumsatzes verhangen werden. Ausländische Unternehmen müssen einen bevollmächtigten Vertreter mit Sitz in dem Mitgliedstaat, in dem sie tätig sind, benennen, der in ihrem Namen mit den Aufsichtsbehörden über die Einhaltung der Sorgfaltspflicht kommuniziert.
Umsetzung in nationales Recht
Wie bereits erwähnt, wird das EU-Lieferkettengesetz auch nach seiner finalen Verabschiedung auf EU Ebene noch in nationales Recht umzusetzen sein. In Deutschland ist damit zu rechnen, dass das schon seit 1. Januar 2023 geltende LkSG entsprechend angepasst werden wird. Seit 1.1.2024 fallen in Deutschland ansässige Unternehmen mit mehr als 1.000 Arbeitnehmern im Inland unter das Gesetz. Es ist aber wohl eher nicht damit zu rechnen, dass diese bis zum Ablauf der im EU Lieferkettengesetz vorgesehenen (maximalen) Umsetzungsfristen wieder aus dem persönlichen Anwendungsbereich des LkSG herausgenommen werden. Aber auch das wird die Zukunft weisen.
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