Beurteilungsmaßstäbe für die inhalative Exposition (umgangssprachlich: "Luftgrenzwerte") sollen am Arbeitsplatz Gesundheitsschäden durch Einatmen von Gefahrstoffen verhindern.
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Der Geruchssinn allein gibt keinerlei Hinweis darauf, ob Beurteilungsmaßstäbe eingehalten werden. |
In Deutschland müssen daher die folgenden verbindlichen Beurteilungsmaßstäbe beachtet werden.
Für eine Vielzahl von Stoffen sind Arbeitsplatzgrenzwerte (AGW) festgelegt, die in der Technischen Regel für Gefahrstoffe (TRGS) 900 "Arbeitsplatzgrenzwerte" veröffentlicht wurden. Der AGW gibt die Konzentration an, bis zu der akute oder chronische Gesundheitsschäden im Allgemeinen nicht zu erwarten sind (bei in der Regel 8-stündiger Exposition an 5 Tagen in der Woche während der Lebensarbeitszeit). Auch die Kurzzeitwerte werden in der TRGS 900 aufgeführt. Sie geben an, ob und inwieweit der AGW kurzzeitig auch überschritten werden darf.
Beispiel:
Das in Lacken häufig vorkommende Lösemittel Xylol kann die Organe schädigen, wenn es länger oder wiederholt eingeatmet wird. Für Xylol gilt daher ein AGW von 220 mg Substanz pro Kubikmeter Luft (mg/m³). Dieser Wert darf im Schichtmittel (also im Durchschnitt über eine 8-stündige Arbeitsschicht) nicht überschritten werden.
Bei Tätigkeiten mit Xylol darf der AGW kurzzeitig auch überschritten werden, und zwar bis auf den doppelten Wert des AGWs (also 440 mg/m³). Das darf maximal viermal pro Schicht über 15 Minuten erfolgen. Zwischen den Kurzzeitwertphasen ist ein zeitlicher Abstand von mindestens einer Stunde anzustreben. Durch diese Regelung sind auch kurzzeitige Tätigkeiten erlaubt, die erfahrungsgemäß höhere Xylol-Konzentrationen in der Luft verursachen, zum Beispiel das Umfüllen.
Weitere Informationen zu den AGWs und Kurzzeitwerten verschiedener Gefahrstoffe sind in der TRGS 900 enthalten. |
Für viele krebserzeugende, mutagene und reproduktionstoxische Stoffe (KMR-Stoffe) lassen sich solche klaren Grenzwerte jedoch nicht ableiten. Auch wenn diese Stoffe in nur sehr geringen Konzentrationen in der Luft vorliegen, kann häufig immer noch eine nachweisbare Erhöhung des Krebsrisikos bestehen. Anzahl und Menge der eingesetzten KMR-Stoffe sind immer so gering wie möglich zu halten. Es muss regelmäßig geprüft werden, ob der KMR-Stoff durch einen ungefährlicheren Stoff ersetzt werden kann (Substitutionsprüfung).
Bei Tätigkeiten mit KMR-Stoffen wird das Konzept der Expositions-Risiko-Beziehung (ERB) gemäß TRGS 910 angewandt. Die ERB eines krebserzeugenden Stoffs beschreibt den Zusammenhang zwischen der Stoffkonzentration (inhalative Aufnahme) und der statistischen Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer Krebserkrankung während des gesamten Lebens (Lebenszeitrisiko). Dabei werden Risikobereiche abgeleitet, die dem Unternehmer oder der Unternehmerin als Beurteilungsmaßstäbe dienen:
Unterhalb der Akzeptanzkonzentration (grüner Bereich) existiert bei einer 40-jährigen arbeitstäglichen Exposition nur ein niedriges, hinnehmbares Risiko einer Krebserkrankung. Dieser Bereich sollte am Arbeitsplatz immer angestrebt werden. Im darüberliegenden gelben Bereich besteht dagegen ein mittleres Risiko. In diesem Bereich müssen zusätzliche Schutzmaßnahmen zur Verminderung der Exposition getroffen werden, und zwar umso mehr, je näher die Konzentration der Gefahrstoffe am roten Bereich ist.
Oberhalb der Toleranzkonzentration (roter Bereich) besteht ein hohes, nicht mehr hinnehmbares Risiko für das Auftreten einer Krebserkrankung. Ab dieser Konzentration müssen sofort Schutzmaßnahmen getroffen werden, um zumindest wieder den gelben Bereich mit mittlerem Risiko zu erreichen.
Beispiel:
Viele Kobaltverbindungen sind als beim Menschen krebserzeugend oder wahrscheinlich krebserzeugend eingestuft. Werden zum Beispiel bei der additiven Fertigung von Werkstücken mit dem Pulverbettverfahren Kobalt-haltige Metallpulver eingesetzt, ist als Schichtmittelwert immer die Unterschreitung der Akzeptanzkonzentration von 0,5 μg/m³ (= grüner Bereich) anzustreben. Wird sie überschritten (= gelber Bereich), sind zusätzliche Schutzmaßnahmen zu treffen. Das können zum Beispiel zusätzliche Lüftungsmaßnahmen oder erweiterte Hygienevorgaben sein. Oberhalb der Toleranzkonzentration von 5,0 μg/m³ (= roter Bereich) müssen sofort noch umfangreichere Schutzmaßnahmen getroffen werden. Das kann als Sofortmaßnahme zum Beispiel die Verwendung von Atemschutz sein. Darüber hinaus müssen unverzüglich technische Maßnahmen (zum Beispiel Installation einer Absaugung) und organisatorische Maßnahmen (zum Beispiel Begrenzung der Expositionszeit) geprüft und umgesetzt werden.
Abb. 5.1 Risikobereiche gemäß ERB-Konzept
Weitergehende Informationen zu Tätigkeiten mit KMR-Stoffen siehe:
- TRGS 910 "Risikobezogenes Maßnahmenkonzept für Tätigkeiten mit krebserzeugenden Gefahrstoffen"
- Kurz & Bündig KB 024-1 "Krebserzeugende, keimzellmutagene und reproduktions-toxische Stoffe – Grundlagen"
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Auch Beurteilungsmaßstäbe aus stoffspezifischen TRGS sind verbindlich zu beachten. Hierzu zählt zum Beis...