Dr. jur. Edgar Rose, Prof. Dr. Jürgen Taeger
Vor der fünften Änderung der ArbStättV vom 19.7.2010 wurde der jetzige § 3a als § 3 geführt. Mit der Änderung wurde zudem Abs. 1 der Vorschrift geringfügig umformuliert, um eine Anpassung an den neuen § 3 zu erreichen. Inhaltlich wesentlich bedeutsamer griff die ArbStättV-Reform 2016 in den Regelungsbestand ein. Neben mehreren klarstellenden Textänderungen wurde in § 3 a Abs. 1 der Pflichtenkanon des Arbeitgebers ausdrücklich um die Berücksichtigung ergonomischer Anforderungen erweitert.
In § 3a werden die allgemeinen Anforderungen an das Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten zusammengefasst, die der Arbeitgeber im Interesse der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten zu beachten hat, sowie die Pflicht normiert, die Belange von Menschen mit Behinderungen zu berücksichtigen.
Nach der Generalklausel in § 3a Abs. 1 Satz 1 der seit 2016 geltenden Fassung ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Arbeitsstätten so einzurichten und zu betreiben, dass Gefährdungen für die Sicherheit und die Gesundheit der Beschäftigten möglichst vermieden und verbleibende Gefährdungen möglichst gering gehalten werden. Mit dieser an § 4 Ziff. 1 ArbSchG angelehnten Formulierung wird zugestanden, dass eine vollständige Vermeidung sämtlicher Gefährdungen nicht immer möglich ist. In solchen Fällen gilt stattdessen die Pflicht, nach der Lösung mit der geringsten Gefährdung zu suchen.
§ 3a Abs. 1 Satz 2 konkretisiert die Pflicht aus Satz 1 durch allgemeine Maßstäbe ihrer Erfüllung. Zunächst wird klargestellt, dass es bei den durchzuführenden Maßnahmen genau um diejenigen geht, die bei der Gefährdungsbeurteilung nach § 3 als erforderlich ermittelt worden sind. Betont wird damit, dass es in § 3a nicht um zusätzliche, außerhalb der Gefährdungsbeurteilung zu treffende Maßnahmen geht, sondern dass die Gefährdungsbeurteilung die umfassende Schlüsselstellung für alle erforderlichen Maßnahmen einnehmen soll.
Im Ausnahmefall auch ohne formelle Gefährdungsbeurteilung
§ 3a Abs. 1 Satz 2 ArbStättV darf allerdings nicht dahingehend missverstanden werden, dass der Arbeitgeber untätig bleiben darf, solange das Verfahren der Gefährdungsbeurteilung noch nicht abgeschlossen ist. In manchen Betrieben bestehen Betriebsvereinbarungen zum Verfahren von Gefährdungsbeurteilungen, die eine sehr kurzfristige Durchführung erschweren. Treten überraschend Gefährdungen auf, können daher Gegenmaßnahmen erforderlich und damit auch rechtlich verpflichtend sein, die bereits vorläufig durchzuführen sind, bis im Verfahren der Gefährdungsbeurteilung endgültige Maßnahmen festgelegt werden. Betriebsvereinbarungen sollten für solche vorläufigen Maßnahmen Ausnahmeregelungen festlegen.
§ 3a Abs. 1 Satz 2 ArbStättV sieht weiter – analog zu § 3 Abs. 1 Satz 4 ArbStättV – vor, dass der Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene auch bei der Durchführung der Arbeitsschutzmaßnahmen zu berücksichtigen ist. Seit der ArbStättV-Reform 2016 wird an dieser Stelle ein neuer Aspekt genannt. Auch die "ergonomischen Anforderungen" sollen nunmehr berücksichtigt werden. Es überrascht, dass dieser Aspekt in § 3 Abs. 1 Satz 4 fehlt, wo es um die Festlegung der Schutzmaßnahmen im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung geht. Denn es macht kaum Sinn, ergonomische Anforderungen erst bei der Durchführung ins Spiel zu bringen. Allerdings sind bei der Gefährdungsbeurteilung laut § 3 Abs. 1 Satz 5 ArbStättV sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen, wozu nunmehr vor allem ergonomische Anforderungen zu zählen sind. In der amtlichen Begründung (BR-Drs. 506/16, S. 28) wird ausgeführt, dass es bei den ergonomischen Anforderungen um mehr geht als um Fragen der Anordnung der einzelnen Arbeitsmittel. Es gehe darüber hinaus um die gesamte Gestaltung des Arbeitsplatzes und des Arbeitsraumes im Hinblick etwa auf die richtige Beleuchtung, das Raumklima und die Arbeitsorganisation. Schließlich sind gemäß § 3a Abs. 1 Satz 2 ArbStättV insbesondere die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales nach § 7 Abs. 4 bekannt gemachten Regeln und Erkenntnisse zu berücksichtigen, also die Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR).
Technische Regeln für Arbeitsstätten bieten verlässliche Grundlage
Für die Praxis besonders bedeutsam ist die Regelung in § 3a Abs. 1 Satz 3 ArbStättV, wonach bei Einhaltung der Technischen Regeln für Arbeitsstätten davon auszugehen ist, dass die in der Verordnung gestellten Anforderungen diesbezüglich erfüllt sind. Mit dieser gesetzlichen Vermutung wird dem Arbeitgeber das Unsicherheitsrisiko bei der Beurteilung des Standes der Technik, Arbeitsmedizin, Hygiene und der ergonomischen Anforderungen genommen. In den Fragen, die durch Technische Regeln abgedeckt sind, kann er durch Anwendung dieser Regeln seine Pflichten ohne eigene Ermittlung des Standes der Technik usw. erfüllen.
Am 8.5.2019 ist das auch höchstrichterlich bestätigt worden. Das BVerwG (Az. 8 B 44.18) hat festgestellt, dass die ASR zwar keine Rechtsnormen sind, aber praktische B...