Dr. jur. Edgar Rose, Prof. Dr. Jürgen Taeger
§ 5 ArbStättV soll einen wirksamen Schutz der Nichtraucher vor den Gesundheitsgefahren und Belästigungen durch Tabakrauch gewährleisten.
Unverzichtbarer Schutzanspruch
Den Schutzanspruch besitzen die nicht rauchenden Beschäftigten. Das sind nicht nur die Nichtraucher, sondern alle Beschäftigten, die nicht bei der Arbeit rauchen, also auch solche, die in ihrer Freizeit oder außerhalb der Arbeitsstätte rauchen. Es besteht eine öffentlich-rechtliche Schutzpflicht des Arbeitgebers, die unverzichtbar ist; d. h., sie wird durch eine Einwilligung eines Beschäftigten in einen rauchbelasteten Arbeitsplatz nicht aufgehoben (vgl. BAG v. 10.5.2016, 9 AZR 347/15, Rn. 30).
Die Gesundheitsschädlichkeit des Passivrauchens war lange umstritten, ist seit Anfang des Jahrhunderts jedoch generell anerkannt. Zunehmend hat sich auch die Erkenntnis durchgesetzt, dass es nicht nur um eine Minimierung der Rauchbelastung z. B. durch Lüftungsmaßnahmen geht, denn die kanzerogene Wirkung des Tabakrauchs besteht nicht erst ab einem bestimmten Grenzwert. Es geht also um tabakrauchfreie Atemluft. Der Verordnungsgeber hat dies grundsätzlich anerkannt, als er § 5 Abs. 1 ArbStättV mit Wirkung vom 1.9.2007 um einen Satz ergänzt hat, wonach ein allgemeines oder auf einzelne Bereiche der Arbeitsstätte beschränktes Rauchverbot erforderlich sein kann, um die Nichtraucher wirksam zu schützen. Laut BAG v. 10.5.2016, 9 AZR 347/15, Rn. 16 f., ist der Verordnungsgeber davon ausgegangen, dass Tabakrauch zwangsläufig die Gesundheit gefährde, was damit nicht im Einzelfall nachgewiesen werden müsse.
Umstritten war, ob auch der Genuss von E-Zigaretten, bei dem nicht Rauch, sondern Dampf frei wird, unter § 5 ArbStättV fällt, zumal deren Aromatisierung nicht auf Tabak beruht. So hat das OVG Münster bereits 2014 (4.11.2014, 4 A 775/14) festgestellt, dass es sich bei dem Konsum von E-Zigaretten nicht um "Rauchen" handele. Mit Wirkung vom 1. April 2024 hat der Gesetzgeber in § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbStättV klargestellt, dass der Nichtraucherschutz sich auf Gesundheitsgefahren nicht nur durch "Tabakrauch", sondern durch Rauche und Dämpfe von Tabak- und Cannabisprodukten sowie von elektronischen Zigaretten bezieht. Ob die Gesundheitsgefährdung für Passivbetroffene tatsächlich vergleichbar hoch ist, wird wohl weiter juristisch umstritten sein. Für Arbeitgeber bedeutet die Neuregelung jedoch, dass die betrieblichen Regelungen zum Nichtraucherschutz so umzuformulieren sind, dass Rauche und Dämpfe von Tabak, Cannabis und E-Zigaretten erfasst sind.
Allerdings sind auch die Rechte der Raucher auf freie Entfaltung zu berücksichtigen. Daher sind im Konfliktfall andere Maßnahmen des Nichtraucherschutzes, die weniger einschneidend als ein Rauchverbot in die Rechte der Raucher eingreifen, als mildere Mittel in Betracht zu ziehen. So dürfte ein totales Rauchverbot auf dem gesamten Betriebsgelände häufig unverhältnismäßig sein. Es können stattdessen Maßnahmen ergriffen werden, die Raucher und Nichtraucher räumlich trennen und die Luftvermengung durch geeignete Lüftungstechnik verhindern. Das mag z. B. durch getrennte Arbeitsplätze oder spezielle Bereiche zum Rauchen (Raucherpavillons, Raucherräume, Raucherkabinen) geschehen (siehe Abschn. 4.2 Abs. 6 ASR A3.6). Doch darf dabei nicht infrage gestellt werden, dass nur ein rauchfreier Arbeitsplatz wirksamen Schutz bietet. Neben der öffentlich-rechtlichen Schutzpflicht besteht auf einen solchen rauchfreien Arbeitsplatz grundsätzlich ein individueller unabdingbarer Anspruch eines Nichtrauchers (siehe BAG v. 19.5.2009, 9 AZR 241/08), unabhängig von konkreten gesundheitlichen Problemen. Ist eine zuverlässige Abschirmung der Arbeitsplätze von Nichtrauchern gegenüber Tabakrauch nicht möglich, sind geeignete Rauchverbote erforderlich und auch verhältnismäßig.
§ 5 Abs. 2 regelt eine Ausnahme von Abs. 1 für Arbeitsstätten mit Publikumsverkehr. Hier wird unterstellt, dass in bestimmten Gewerbezweigen Kunden erwarten, dass sie in der Arbeitsstätte des Anbieters rauchen dürfen. Gaststätten, Diskotheken, Hotels, Heime oder Bahnhöfe sind traditionelle Beispiele hierfür. Seit 2007 sind in allen Bundesländern Rauchverbote durch Nichtraucherschutzgesetze für viele Betriebe dieser Art erlassen worden (s. u.), sodass das Problem bereits erheblich entschärft ist. Allerdings verbleiben immer noch bestimmte Arbeitsstätten oder Teile davon, in denen Kunden rauchen dürfen. So erlaubt eine Mehrzahl der Bundesländer Raucherräume in Gaststätten und das Rauchen in kleinen Ein-Raum-Kneipen. Vielfach werden auch Hotels, soweit es nicht um ihre Gastronomie geht, von Nichtraucherschutzgesetzen nicht erfasst. Überall dort also, wo Kunden weiterhin rauchen dürfen, stellt sich die Frage nach dem Schutz des Personals. Der hierfür maßgebliche § 5 Abs. 2 ist in der ArbStättV-Reform 2016 verschärft worden.
Wirksamer Nichtraucherschutz auch in Arbeitsstätten mit Publikumsverkehr
Bis zur ArbStättV-Reform 2016 galt, dass Maßnahmen des Nichtraucherschutzes nur insoweit...