Dr. jur. Edgar Rose, Prof. Dr. Jürgen Taeger
Gemäß Anhang 4.4 Abs. 1 hat der Arbeitgeber angemessene Unterkünfte für Beschäftigte zur Verfügung zu stellen, wenn dies aus Gründen der Sicherheit, des Gesundheitsschutzes oder der menschengerechten Gestaltung der Arbeit erforderlich ist. Vor allem die Abgelegenheit der Arbeitsstätte oder die Art der auszuübenden Tätigkeit kann dies begründen. Einzelheiten ergeben sich aus Abschn. 6 ASR A4.4 "Unterkünfte".
Die Vorschrift in Anhang 4.4 hat eine Doppelfunktion. Erstens soll sie die Unterbringung von Beschäftigten in bestimmten Fällen sicherstellen, in denen sonst z. B. besonders belastende Arbeitswege oder provisorische Notlösungen drohen, die der Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Beschäftigten abträglich sind (BT-Drs. 19/21978, S. 45). Zweitens soll sie gewährleisten, dass bereitgestellte Unterkünfte so bemessen und ausgestattet sind, dass Gesundheitsgefahren möglichst vermieden werden.
Mit Wirkung zum 1.1.2021 wurde Anhang 4.4 Abs. 1 durch das Arbeitsschutzkontrollgesetz vom 22.12.2020 teilweise neu gefasst und Abs. 4 ergänzt. Hintergrund der Änderungen war das brisante Infektionsgeschehen während der Corona-Pandemie in der Fleischindustrie, die vielerorts aus dem Ausland angeworbene Beschäftigte in Gemeinschaftsunterkünften unterbringt. Behördliche Kontrollen hätten ergeben, so der Gesetzentwurf (BT-Drs. 19/21978, S. 26), dass zum Teil völlig unzureichende Wohnverhältnisse, eklatante hygienische Mängel und Überbelegung herrschten. Überdies ergaben sich Fälle, in denen bei der Unterbringung außerhalb des Betriebsgeländes die jeweils verantwortliche Person sowie Angaben zur Belegung schwierig zu ermitteln waren.
Neu ist seit dem 1.1.2021, dass Anhang 4.4 gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 3 ArbStättV auch für Gemeinschaftsunterkünfte außerhalb des Betriebs- oder Baustellengeländes gilt, sofern die Definition in § 2 Abs. 8 ArbStättV erfüllt wird. Neu ist gemäß Anhang 4.4 Abs. 1 Satz 5 auch, dass der Arbeitgeber auch dann für die Angemessenheit einer Gemeinschaftsunterkunft zu sorgen hat, wenn sie auf seine Veranlassung durch Dritte zur Verfügung gestellt wird. Er muss zudem seit dem 1.1.2021 die Unterbringung von Beschäftigten in Gemeinschaftsunterkünften gemäß Anhang 4.4 Abs. 4 dokumentieren und die Dokumente für den Fall von Kontrollen am Arbeitsort bereithalten.
Neu ist schließlich auch, dass eine Bereitstellung angemessener Unterkünfte stets erforderlich ist, wenn bei Anwerbung oder Entsendung die Bereitstellung oder Vermittlung einer Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften in Aussicht gestellt wird und zu erwarten ist, dass Beschäftigte die Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung anderenfalls nicht eingehen würden. Die Vorschrift zielt auf Arbeitskräfte, die aus dem Ausland angeworben werden. Sie sollen auch aus der Ferne darauf vertrauen können, dass angemessene Unterkünfte zur Verfügung stehen. Eine Verpflichtung der Beschäftigten, mit dem Arbeitgeber eine Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften zu vereinbaren, existiert jedoch nicht (BT-Drs. 19/21978, S. 45).
Eine Unterbringung außerhalb des Betriebs- oder Baustellengeländes muss nicht in Gemeinschaftsunterkünften, sondern kann auch in getrennter Weise in Hotels, Appartements oder Pensionen erfolgen. Erfolgt sie allerdings in Gemeinschaftsunterkünften gemäß § 2 Abs. 8 ArbStättV, so ist der Arbeitgeber für die Angemessenheit verantwortlich. Soweit die ASR A4.4 am 1.1.2021 noch auf Regelungen für Unterkünfte im Bereich von Arbeitsstätten beschränkt ist, gilt sie fortan für Gemeinschaftsunterkünfte außerhalb des Betriebs- oder Baustellengeländes entsprechend. Mit einer raschen Anpassung der ASR A4.4 an die Neuregelung wird gerechnet. Auch schon vorher gibt diese Regel den Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene für Unterkünfte – soweit sinnvoll – auch außerhalb des Bereichs der Arbeitsstätte wieder.
Abschn. 4 ASR A4.4 regelt zunächst allgemeine Fragen, die sich u. a. auf die Errichtung der Unterkünfte an ungefährdeten Stellen und auf das Aufstellen von Benutzungsbestimmungen, das Aushängen einer Brandschutzordnung und eines Alarmplans und die weitere Information der Bewohner beziehen.
Aus Abschn. 5.1 ASR A4.4 ergeben sich konkrete Anforderungen für die Unterkünfte hinsichtlich Erreichbarkeit, Heizung und Beleuchtung sowie dazu, dass die Unterkünfte nicht zur Lagerung von Arbeitsstoffen und Arbeitsmitteln zweckentfremdet werden dürfen.
Neben einem Wohn- und Schlafbereich muss die jeweilige Unterkunft einen Essbereich und einen Sanitärbereich umfassen. Das ergibt sich bereits aus Anhang 4.4 Abs. 2. Der mindestens zur Verfügung zu stellende Raum pro Bewohner ist in Abschn. 5.2 ASR A4.4 exakt festgelegt. Maximal 8 Bewohnern darf ein gemeinsamer Schlafbereich zugewiesen werden, der mindestens 6 qm pro Bewohner bzw. (bei 7 oder 8 Personen) 6,75 qm pro Bewohner umfasst. Die gesamte Nutzfläche der Unterkunft muss pro Bewohner 8 qm bzw. 8,75 qm betragen.
In Abschn. 5.3 ASR A4.4 wird die Ausführung und in Abschn. 5.4 die Ausstattung der Unterkünfte im Detail fest...