Zusammenfassung
Vor der Einführung eines Arbeitsschutz-Managementsystems (AMS) – synonym wird insbesondere in der DIN ISO 45.001 von einem Managementsystem für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit gesprochen – sollte eine fundierte Aufnahme und Analyse der Ausgangssituation erfolgen. Die beiden zentralen Fragen einer solchen Bestandsaufnahme sind: 1. Wo stehen wir (das Unternehmen) hinsichtlich des arbeitsschutzrelevanten Wissens und der Kompetenzen der Akteure im Arbeits- und Gesundheitsschutz, der Organisation der Umsetzung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes sowie der Gesundheitsförderung, der arbeitsschutzbezogenen Leistungen sowie der Erfüllung interner und externer Vorgaben im Arbeits- und Gesundheitsschutz (Compliance-Bewertung)? 2. Wo wollen wir hin bzw. was wollen wir erreichen?
Die Einführung eines Arbeitsschutz-Managementsystems bzw. eines Managementsystems für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit wird derzeit weder vom Gesetzgeber noch von den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung explizit verlangt. Aber insbesondere das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) fordert eine wirksame Organisation (Systematik) der Umsetzung der Gesetze, Vorschriften etc., eine erkennbare Wahrnehmung der Führungsverantwortung im Arbeitsschutz (v. a. die Sicherstellung der Wirksamkeit der Maßnahmen) sowie eine Nachweisbarkeit der Umsetzung. Dies entspricht weitgehend einem Arbeitsschutzmanagement, wobei der Gesetzgeber und die Unfallversicherungsträger die Art und Weise der Realisierung den Unternehmen weitgehend überlassen. Gefordert bzw. "honoriert" wird ein AMS jedoch von immer mehr gewerblichen Kunden. Angestoßen durch ihr Qualitätsmanagement bzw. ihr Contractor Management verlangen sie von ihren Werksvertragspartnern (insbesondere den Kontraktoren) einen anerkannten Nachweis eines systematischen und wirksamen Arbeitsschutzes. Zu beachten ist auch der normative Charakter der 2018 veröffentlichten internationalen Norm DIN ISO 45:001:2018 "Managementsysteme für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit – Anforderungen mit Leitlinien zur Anwendung".
1 Intentionen einer Bestandsaufnahme
Eine Bestandsaufnahme kann im Rahmen von Vorüberlegungen zur Einführung eines AMS, auf Beschluss des Arbeitsschutzausschusses zur Ermittlung des Istzustands oder nach der grundsätzlichen Entscheidung der Geschäftsführung für die Einführung eines AMS erfolgen. Sie dient der Vorbereitung einer AMS-Einführung bzw. der Weiterentwicklung eines bereits vorhandenen AMS.
Eine fundierte Bestandsaufnahme trägt wesentliche Informationen zur Ausgangssituation (aktueller Stand), zu den relevanten Dokumenten (Festlegungen, Vorlagen, ...), den Ergebnissen (Leistungen im Arbeitsschutz) sowie den Intentionen im Arbeitsschutz zusammen und dokumentiert diese. Im Rahmen der Bestandsaufnahme muss auch gefragt werden, inwieweit die Festlegungen, Regelungen, Maßnahmen etc. den aktuellen öffentlich-rechtlichen Forderungen sowie den betrieblichen Erfordernissen genügen und wie es mit der Praktikabilität und der Wirksamkeit aussieht. Damit liefert die Bestandsaufnahme wichtige Argumente – was läuft gut und ist gut organisiert und wo bestehen Handlungsbedarfe – für die Notwendigkeit eines systematischen Arbeits- und Gesundheitsschutzes in Form eines AMS sowie Hinweise auf erforderliche Maßnahmen bei der Einführung eines AMS.
Eine Bestandsaufnahme ist kein Audit
Für die Sicherheit bei der Arbeit sowie die Gesundheit der Beschäftigten wird i. d. R. bereits einiges getan. Wenn durch eine Bestandsaufnahme bei den Akteuren im Arbeitsschutz der Eindruck entstehen würde, dass sie dadurch kontrolliert werden, wäre dies fatal. Deshalb sollten die Intentionen der Bestandsaufnahme im Vorfeld kurz kommuniziert werden. Botschaft: Wir tun bereits einiges für die Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit, dies wollen wir uns – wie in anderen betrieblichen Bereichen auch – anschauen, um noch sicherer zu werden.
2 Bestandsaufnahme planen
Wurde für die Einführung eines AMS noch kein Projekt initiiert, weil beispielsweise die Entscheidung darüber noch aussteht, sollte die Bestandsaufnahme in der Regie der Fachkraft für Arbeitssicherheit durchgeführt werden. Wurde ein Projekt bereits initiiert, liegt die Regie beim Projektleiter. In keinem Fall sollte die Bestandsaufnahme allein durch die Fachkraft für Arbeitssicherheit durchgeführt werden. Erfahrungsgemäß ist es für die betriebliche Relevanz förderlich, wenn auch andere Personen (z. B. ein Vertreter des Betriebsrats, der QM-Beauftragte sowie ein Sicherheitsbeauftragter) einbezogen werden. D. h., es empfiehlt sich die Bildung und Beauftragung einer kleinen Arbeitsgruppe. Parallel dazu sind die Intentionen des Betriebs – insbesondere des Managements – zusammenzutragen und zu formulieren: Wo wollen wir hin bzw. was wollen wir erreichen?
Die Planung und Koordination dieses Schrittes sind Aufgaben des Projektleiters bzw. – wenn noch kein Projekt initiiert wurde – der Fachkraft für Arbeitssicherheit (in diesem Fall übernimmt sie die Funktion des Projektlei...