Zusammenfassung
Auch wenn in der Praxis teilweise der Anschein erweckt wird, der Arbeits- und Gesundheitsschutz (Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit) seien etwas "Separates" oder Zusätzliches, muss immer wieder deutlich gemacht werden, Sicherheit und Gesundheit gehören zur Arbeit. Diese Logik konsequent anzuwenden ist eine der wesentlichen Innovationen des Arbeitsschutzmanagements. Belange (Anforderungen) der Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit werden gleichberechtigt integriert in die Unternehmenspolitik, die Ziele des Unternehmens, die Zielvereinbarungen, die Klärung der Zuständigkeiten, die Aufgaben- bzw. Stellenbeschreibungen, die Entscheidungsprozesse, die Planung, die Umsetzung (das tägliche Handeln), die Überprüfung der Wirksamkeit und die fortlaufende Verbesserung. D. h., der Arbeits- und Gesundheitsschutz muss bei allen strategischen und operativen Entscheidungen mit gedacht, mit geplant und mit angewendet werden. Bei der Einführung eines Arbeitsschutz-Managementsystems (AMS) sollte deshalb besonderer Wert auf die Integration von Sicherheit und Gesundheit in die betrieblichen Prozesse gelegt werden. Neben den strukturellen Voraussetzungen (Schaffung eines Gerüstes für den betrieblichen Arbeitsschutz), die Aufgaben der Einführungsschritte 2 bis 4 sind, werden im 5. und 6. Schritt einer AMS-Einführung prozess- oder ablauftechnische Festlegungen vereinbart.
Das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) fordert zumindest in Ansätzen eine nachweisliche Integration von Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit in die betrieblichen Prozesse. So verlangt § 3 Abs. 2 ArbSchG, "dass die Maßnahmen erforderlichenfalls bei allen Tätigkeiten und eingebunden in die betrieblichen Führungsstrukturen beachtet werden und die Beschäftigten ihren Mitwirkungspflichten nachkommen können". Der Verweis auf gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse (§ 4 ArbSchG) ist ein weiterer Beleg dafür, dass für eine rechtssichere Arbeitsschutzorganisation Arbeitsschutzforderungen in die Festlegungen der betrieblichen Prozesse zu integrieren und auch entsprechend anzuwenden sind.
1 Integration von Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit in die betrieblichen Prozesse
1.1 Betriebliche Prozesse
Unternehmen erarbeiten ihre Leistungen sowohl in geplanten, als auch in ungeplanten Prozessen. Damit erfüllen sie die Anforderungen ihrer Kunden und der interessierten Parteien. Da geplante Prozesse stabiler und ihre Effektivität und Effizienz i. d. R. höher sind, planen und managen zeitgemäße Managementsysteme sämtliche betrieblichen Prozesse. Sie fördern damit auch
- die Ausrichtung ihrer Aktivitäten an den Anforderungen der externen und internen Kunden sowie der interessierten Parteien,
- das Denken in Prozessen (vom Kunden zum Kunden) statt in Funktionen,
- das Verständnis, dass der Kunde – auch der interne Kunde sowie interessierte Parteien – die Anforderungen an eine zu erbringende Leistung stellt,
- die Prozesssicherheit (Gestaltung stabiler Prozesse, Einplanung von Alternativen für ein flexibles Handeln) sowie
- die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens durch die fortlaufende Verbesserung der betrieblichen Prozesse (Reduzierung von Schnittstellenverlusten, Beschleunigung von Abläufen etc.).
Dies ist nur möglich, wenn die Prozesse festgelegt und damit auch beschrieben sind.
Prozesse
Ein Prozess ist eine Kette von zusammenhängenden Aktivitäten (s. Abb. 1), die gemeinsam einen Nutzen für einen externen oder internen Kunden (oder eine interessierte Partei) schaffen. Prozesse beginnen mit einem Input, d. h. den Bedürfnissen, Erwartungen oder Aufträgen von externen oder internen Kunden, und enden mit einem Output, der Leistung für den Kunden. Prozesse orientieren sich daher immer an Kunden, d. h., welche Leistungen in einem Prozess erzeugt werden, bestimmt die Anforderungen und Bedürfnisse/Erwartungen der Kunden bzw. der interessierten Partei. Die Vorgehensweise, wie aus einem Input (Informationen und Anforderungen) ein Output (ausgeführter Auftrag, Informationen und Materialien) entsteht, ergibt sich aus der Planung der Ablaufschritte, ihrer optimalen Abfolge und Zusammenarbeit sowie der Planung des Personal- und Technikeinsatzes.
Abb. 1: Prozess: logisch verknüpfte Abfolge von i. d. R. miteinander in Wechselwirkung stehenden Aktivitäten
Hierfür wird insbesondere durch das Qualitätsmanagement eine unternehmensspezifische Prozesslandkarte erarbeitet (die Grundstruktur zeigt Abb. 2). Sie gibt einerseits eine Übersicht der betrieblichen Prozesse und zeigt andererseits Schnittstellen und wesentliche Wechselbeziehungen auf.
Abb. 2: Beispielhafte Grundstruktur einer Prozesslandkarte
Sie beschreibt alle wesentlichen Prozesse eines Unternehmens. Dabei wird i. d. R. differenziert zwischen 3 Ebenen:
Führungsprozesse
Sie dienen der Gestaltung der Organisation, der strategischen Unternehmensführung sowie der Planung, Kontrolle und Steuerung der wertschöpfenden und der unterstützenden Prozesse und haben einen Weisungs- und Entscheidungscharakter. Damit zählen sie nicht zum operativen Tagesgeschäft, sondern geben strategische Ziele sowie die Richtu...