Dipl.-Ing. (FH) Thomas Schlüter
1.1 Entdeckung des elektrischen Feldes
Bereits die alten Griechen wussten um die Wirkung des elektrischen Feldes, denn ihnen war bekannt, dass ein Stück Bernstein, welches man an einem Stoff oder Pelz rieb, kleine Teilchen an sich zu ziehen vermochte. Etwa um das Jahr 1600 fand Sir William Gilbert, Leibarzt der englischen Königin Elisabeth I., noch andere Materialien wie z. B. Glas, Wachs, Schwefel oder einige Edelsteine, die Papierschnitzel oder Ascheteilchen an sich zogen, wenn sie gerieben wurden. Gilbert bezeichnete sie als "corpora electrica", was soviel wie elektrische Materialien bedeutet. Hiermit wollte er zum Ausdruck bringen, dass sie sich wie Bernstein verhielten, denn dieser wurde von den alten Griechen "elektron" genannt, und auch die Römer hatten das griechische Wort als "electrum" in ihren Wortschatz übernommen. Man verstand darunter einen unsichtbaren Wirkstoff, dessen Kräfte durch Bernstein oder andere Materialien sichtbar gemacht werden konnten. Der Name für "Elektrizität" war geboren, den wir bis heute so verwenden.
Zu Beginn der Neuzeit verstand man also unter Elektrizität nur das elektrische Feld, das durch die Trennung elektrischer Ladungen bei der Reibung unterschiedlicher Materialien entsteht. Für den noch rätselhaften Einfluss des elektrischen Feldes auf verschiedene Materialien oder gar Menschen verwendeten die Gelehrten der damaligen Zeit das lateinische Fremdwort "Influenz". Da das Reiben von Materialien mit der Hand sehr mühsam war und man bereits die verschiedensten mechanischen Maschinen entwickelt hatte, lag es nahe, das Reiben mit der Hand durch eine Maschine zu ersetzen. So entwickelte man sog. Elektrisierapparate oder Influenzmaschinen, die stärkere und somit noch eindrucksvollere Effekte lieferten. Bereits um die Mitte des 18. Jahrhunderts faszinierten besonders die Funken, die zwischen den Elektroden der Influenzmaschinen übersprangen. Die Erforschung von elektrischen Phänomenen wurde rasch vertieft und intensiviert. In vielen Versuchen mit zum Teil abenteuerlichen Versuchsaufbauten wurden immer neue Erkenntnisse und Erfahrungen im Umgang mit der neuen, noch unbekannten Energieform gemacht, welche für die anwesenden Probanden zum Teil sehr unangenehm waren. Die "Sicherheit" – das bedeutete damals, wie weit man gehen konnte, ohne dem Probanden ernsthafte Schäden zuzufügen – wurde am lebenden Objekt, d. h. an Tieren und Menschen studiert und ausprobiert.
1.2 Entdeckung des magnetischen Feldes
Obwohl das magnetische Feld schon seit mindestens zweieinhalbtausend Jahren den Naturphilosophen des alten Griechenland, wie z. B. Demokrit oder Empedokles, u. a. von dem in der Natur vorkommenden Magneteisenstein, welcher Eisenteile anziehen konnte, bekannt war, dauerte es bis Anfang des 19. Jahrhunderts, bis die künstliche Erzeugung dieser Kraftlinien entdeckt und beherrscht wurde. Die Grundlage hierfür lieferte um das Jahr 1800 der Italiener Alessandro Volta, der herausfand, dass zwischen unterschiedlichen Materialien, welche sich gemeinsam in einer Flüssigkeit befinden und sich nicht berühren dürfen, ein Ladungsunterschied besteht. Volta hatte entdeckt, wie auf chemische Weise Elektrizität gewonnen werden kann. Diese heute als galvanisches Element bezeichnete Stromquelle – besser bekannt als "Batterie" – lieferte erstmals wesentlich stärkere und konstantere Ströme als es bisher mit den Influenzmaschinen möglich war. Mit dieser leistungsstärkeren Stromquelle war es nun möglich, neue Wirkungen der Elektrizität zu studieren. Schon bald beherrschte man, mittels der unterschiedlich hohen Potenziale an den beiden Polen dieses galvanischen Elements einen kontrollierten Stromfluss zu erzeugen.
Beim Experimentieren mit den neuen galvanischen Elementen machte der dänische Forscher Hans Christian Oersted im Jahr 1820 seltsame Beobachtungen, die sich später als bahnbrechende Entdeckung herausstellen sollten. Er bemerkte, dass ein stromdurchflossener Draht den neben seiner Experimentiereinrichtung liegenden Kompass beeinflusste. Eine normalerweise zum magnetischen Nordpol der Erde zeigende Kompassnadel konnte durch Einschalten des Stromes abgelenkt werden, durch Ausschalten ging sie in ihre Nord-Süd-Stellung zurück. Auch war die Stärke der Ablenkung von der Stärke des Stromes abhängig. Oersted hatte das magnetische Feld eines stromdurchflossenen Leiters entdeckt. Nun war man erstmals in der Lage, die magnetischen Kraftlinien mit technischen Mitteln auch künstlich erzeugen zu können.
1.3 Entdeckung der "Induktion" im magnetischen Wechselfeld
Nach Oersteds Entdeckung vermuteten viele Forscher, dass das Magnetfeld eines stromdurchflossenen Leiters, welches eine Kompassnadel ablenkt, auch einen ganz normalen Kupferleiter, der dicht neben dem stromdurchflossenen Draht liegt, auf irgendeine Weise beeinflussen müsse. Der erhoffte deutliche Effekt, wie beim Kompass, ließ sich jedoch auch mit den empfindlichsten Messinstrumenten, welche am Ende des daneben liegenden Drahtes angeschlossen waren, nicht beobachten. Lediglich zum Zeitpunkt des Ein- und Ausschaltens des Stromes bemerkte der Franzose Christian Ampère im Jahr 1824 einen leichten E...