Dipl.-Ing. Matthias Glawe
Zusammenfassung
Als Gefährdung durch elektrischen Schlag bezeichnet man den Durchfluss von elektrischem Strom durch den Körper eines Menschen, bei dem von der Möglichkeit eines Schadens oder einer gesundheitlichen Beeinträchtigung ausgegangen werden muss. Nimmt der elektrische Strom in Abhängigkeit der Widerstände und der treibenden Spannung eine gefährliche Größe an, spricht man auch von einer gefährlichen Körperdurchströmung.
Arbeitsschutzrechtliche Vorgaben für die Bereitstellung und Benutzung von Arbeitsmitteln, von denen auch elektrische Gefährdungen ausgehen, sind in allgemeiner Form in der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) enthalten. Konkretisiert werden diese Anforderungen durch die TRBS 1111 "Gefährdungsbeurteilung", die TRBS 1201 "Prüfungen von Arbeitsmitteln und überwachungsbedürftigen Anlagen" und die TRBS 1203 "Zur Prüfung befähigte Person".
Im Regelwerk der gesetzlichen Unfallversicherungsträger finden sich in der Unfallverhütungsvorschrift DGUV-V 3 "Elektrische Anlagen und Betriebsmittel" und in der DGUV-R 103-011 "Arbeiten unter Spannung an elektrischen Anlagen und Betriebsmitteln" Vorgaben für das sichere Arbeiten.
Darüber hinaus existiert für den Schutz gegen elektrischen Schlag ein umfangreiches Normenwerk (DIN IEC/TC, DIN EN und DIN VDE Normen).
1 Art der Gefährdung
Einen elektrischen Schlag kann man bei direkter Berührung von spannungsführenden Teilen unterschiedlichen Potenzials und wenn man einem Hochspannungsbereich zu nahe kommt erleiden, wenn die Luftstrecke innerhalb der Gefahrenzone durch einen Vorlichtbogen zwischen spannungsführendem Teil und Mensch überbrückt wird.
Elektrischer Strom und Spannung sind über den Widerstand miteinander verknüpft (Ohmsches Gesetz). Daher sind für die schädigende Wirkung die Übergangswiderstände an den Stromeintritts- und Stromaustrittsstellen, die Körperinnerwiderstände der jeweiligen Strombahn und die Leitungswiderstände des äußeren Kreises entscheidend.
2 Wirkungen auf den menschlichen Körper
Menschliches Muskelgewebe verkrampft bei genügend großem Stromfluss. Handelt es sich dabei um die Muskeln in einer Hand, so kann man einen erfassten Gegenstand nicht mehr loslassen. Ist Gewebe im Brustkorbbereich betroffen, kann ein Atemstillstand eintreten. Durchfließt der elektrische Strom auch den Herzmuskel, können eine ungeordnete Bewegung ohne Pumpwirkung entstehen (Herzkammerflimmern) oder die geregelten Herzmuskelbewegungen bis hin zum Herzstillstand durcheinander gebracht werden.
Außerdem können auch Strommarken, innere Verbrennungen, elektrolytische Wirkungen, Flüssigkeitsverluste, Verkochungen oder Verbrennungen auftreten.
3 Grenzwerte
Als Grenzwerte können die in der DIN VDE 0100-410 "Errichten von Niederspannungsanlagen – Teil 4-41: Schutzmaßnahmen – Schutz gegen elektrischen Schlag" angegebenen Spannungs- und Stromgrenzen herangezogen werden. Eine Gefährdung liegt demnach vor, wenn die Spannung zwischen einem aktiven Teil und Erde oder die Spannung zwischen aktiven Teilen höher als 25 V Wechselspannung (Effektivwert) oder 60 V Gleichspannung (oberschwingungsfrei) beträgt. Die Stromgrenzen liegen bei 3 mA effektivem Wechselstrom oder bei 12 mA Gleichstrom.
Bei Arbeiten unter Spannung besteht bei einem Kurzschlussstrom bis 3 mA und einer Energie bis 350 mJ (Ladung 50 µC) keine Gefährdung.
Bei Annährung an direkt berührbare aktive Teile können für nicht elektrotechnische Arbeiten die folgenden Schutzabstände als Grenzwerte, die nicht unterschritten werden dürfen, herangezogen werden:
Netz-Nennspannung Un (Effektivwert) [kV] |
Äußere Grenze der Annäherungszone DV Schutzabstand (Abstand in Luft von ungeschützten unter Spannung stehenden Teilen) [m] |
bis 1 |
1,0 |
über 1 bis 110 |
3,0 |
über 110 bis 220 |
4,0 |
über 220 bis 380 |
5,0 |
4 Beurteilungsmöglichkeiten
Die Bewertung der Einhaltung geforderter Grenzwerte oder des sicherheitsgerechten Zustandes einer elektrischen Anlage kann durch Prüfungen erfolgen. Hierzu gibt es im Rahmen des DIN VDE Normenwerkes umfangreiche Vorgaben, z. B. DIN VDE 0701-0702: "Prüfung nach Instandsetzung, Änderung elektrischer Geräte – Wiederholungsprüfung elektrischer Geräte".
5 Schutzmaßnahmen
Die grundlegenden Schutzmaßnahmen zum Schutz gegen elektrischen Schlag gliedern sich in 3 Stufen:
- den Schutz gegen direktes Berühren, 1. Stufe: Basisschutz,
- den Schutz bei indirekten Berührungen, 2. Stufe: Fehlerschutz und
- den Schutz bei direktem Berühren, 3. Stufe: Zusatzschutz.
Die Schutzmaßnahmen werden grundsätzlich durch die 1. und die 2. Schutzstufe, im Basis- und Fehlerschutz realisiert. Falls es erforderlich wird, kommen die Maßnahmen der 3. Schutzstufe, des Zusatzschutzes hinzu.
Ein gleichzeitiger Schutz gegen direktes und bei indirektem Berühren wird dadurch erreicht, dass Beharrungsberührungsstrom und Ladung begrenzt werden sowie dadurch, dass Kleinspannung (Schutzkleinspannung – SELV – Safety Extra Low Voltage, Funktionskleinspannung mit sicherer Trennung – PELV – Protective Extra Low Voltage) verwendet wird.
5.1 Basisschutz
Der Basisschutz soll sicher stellen, dass Personen und Nutztiere aktive Teile unter normalen Betriebsbedingungen nicht be...