Das ganzheitliche Vorgehen erfordert, dass in der Erhebung der Anamnese, insbesondere der Arbeitsanamnese, nicht allein anlassbezogene Gesichtspunkte berücksichtigt werden. Im Vordergrund steht die Anamnese im Rahmen der Anlässe der arbeitsmedizinischen Vorsorge unter besonderer Berücksichtigung spezifischer Beschwerden im Rahmen der bekannten Gefährdungen am aktuellen Arbeitsplatz. Auch Gefährdungen aus früheren Beschäftigungsverhältnissen sind dabei zu erfassen, wenn eine Nachwirkung auf den aktuellen Gesundheitszustand nicht ausgeschlossen werden kann (z. B. Latenzzeiten krebserzeugender Arbeitsstoffe). Darüber hinaus wird – idealerweise beim Erstkontakt – eine allgemeine Anamnese mit wesentlichen Vorerkrankungen, eine Arbeitsanamnese und eine Familienanamnese erhoben, die bei den jeweiligen Folgekontakten um die aktuelle Beschwerdeanamnese und eine vegetative Anamnese (Schlaf, Appetit, …) ergänzt wird.
Anamnesefragen sollten bei allen Vorsorgeanlässen neben Aspekten der physischen Gesundheit auch wesentliche Gesichtspunkte der psychischen Gesundheit umfassen, insbesondere mit Bezug zur Arbeitssituation der Beschäftigten und zur individuellen Bewältigung von Arbeitsanforderungen.
Da die Beschäftigungsfähigkeit auch durch arbeitsunabhängige chronische Erkrankungen beeinträchtigt werden kann, sollten Fragen zur allgemeinen Gesundheit gewissenhaft gestellt werden. Sie bilden eine wichtige Grundlage der individuellen Beratung. Ergänzend ist es sinnvoll, den aktuellen Impfstatus zu erheben.
Von besonderer Bedeutung für die Arbeitsanamnese können sein:
- die Schul- und Berufsausbildung,
- aktuell und früher ausgeübte Tätigkeiten, einschließlich Arbeitsbedingungen, die Auswirkungen auf die Gesundheit haben, sowie besondere Expositionen, insbesondere Nacht- und Schichtarbeit,
- aktuelle und frühere gesundheitliche Beschwerden mit Bezug zur Arbeitssituation, auch wenn sie nicht im Anhang der ArbMedVV genannt sind (neue Technologien, Gefahrstoffe …),
- Erkrankungen mit Bezug zu einer aktuellen oder früheren Tätigkeit,
- Beschwerden, die mit Blick auf aktuelle oder frühere Tätigkeiten Ausdruck einer arbeitsbedingten Erkrankung (mit längeren Latenzzeiten) sein könnten,
- die Sicht der Beschäftigten auf die aktuellen Arbeitsbedingungen und Arbeitsanforderungen und deren individuelle Bewältigung in Bezug auf ihre psychische Gesundheit.
Diese Angaben können durch Informationen zu Beschäftigungsmerkmalen und Arbeitsbedingungen ergänzt werden, soweit diese im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge von Bedeutung sind (z. B. Angaben zu Arbeitszeitsystemen, Expositionsdaten und Gefährdungsbeurteilung).