Dipl.-Psych. Julia Scharnhorst, Manfred Nedler
Für vergleichbare und aussagekräftige Ergebnisse bietet sich der Einsatz von vorhandenen Gesprächsleitfäden an. Diese sollten zumindest halbstandardisiert sein, d. h., aus festen vorgegebenen Fragen bestehen und die Möglichkeit zu weiteren offenen Fragen beinhalten. Häufig bieten die zuständigen Berufsgenossenschaften entsprechende Materialien zur Durchführung der Gefährdungsbeurteilung in den verschiedenen Branchen an. Außerdem können Experten für das jeweilige Unternehmen einen eigenen Interviewleitfaden erstellen, der speziell auf die Gegebenheiten im Unternehmen eingeht.
Im Interview sollten Fragen zu folgenden Belastungsfaktoren gestellt werden:
- Arbeitsinhalte, Arbeitsaufgabe: z. B. Vollständigkeit der Aufgabe, Abwechslung, Handlungsspielraum und emotionale Inanspruchnahme,
- Arbeitsorganisation: z. B. Arbeitsintensität, Unterbrechungen, Kommunikation, Kompetenzen und Zuständigkeiten,
- Arbeitszeit: z. B. Dauer oder Tages-/Nachtzeit,
- Soziale Beziehungen: z. B. mit Kollegen oder Vorgesetzten,
- Arbeitsmittel: z. B. Vorhandensein geeigneter Arbeitsmittel, gute Bedienbarkeit, persönliche Schutzausrüstung,
- Arbeitsumgebung: z. B. Lärm, Kälte, Hitze, gefährliche Stoffe, ergonomische Gestaltung.
Beispiele zu möglichen Fragen lassen sich in den gängigen Fragebögen zur Beurteilung der Arbeitsbedingungen finden. Der Vorteil der Interviewmethode ist, dass die Antworten der Befragten sehr individuell erfolgen können. Wenn nur mit Fragebögen gearbeitet wird, erhält man meist nur allgemeine Hinweise auf problematische Themen. In den persönlichen Gesprächen können die belastenden Situationen bzw. Faktoren viel detaillierter geklärt werden. Daraus lassen sich dann konkrete Maßnahmen ableiten.
Die Interviews lassen sich auch in Form sog. "Beobachtungsinterviews" durchführen. Diese sind sehr aussagekräftig, allerdings benötigen sie mehr Zeit und stellen eine größere Belastung für die Befragten dar. Bei den Beobachtungsinterviews beobachten Experten die Arbeitsabläufe einer Person (meist über mehrere Stunden hinweg) und stellen dazu festgelegte Fragen aus einem Interviewleitfaden. Auch die Faktoren des Arbeitsablaufs, die beobachtet werden sollen, sind vorab festgelegt. So kann z. B. die Anzahl von Unterbrechungen in einem bestimmten Zeitraum sowie deren Dauer erfasst werden. Dadurch sind Beobachtungsinterviews noch objektiver und aussagekräftiger als reine Interviews.