7.1 Wandel der Arbeitswelt
Der Wandel von einer Produktions- in eine Dienstleistungsgesellschaft ist ein Grund für das vermehrte Aufkommen von Arbeitstätigkeiten mit Kundenkontakt. Und wenn Menschen miteinander zu tun haben, kann es zu Konflikten kommen. Diese eskalieren insbesondere dann, wenn Unternehmens- und Kundeninteressen nicht kompatibel sind, d. h., der "Kunde" vom Mitarbeiter etwas wünscht, was dieser nicht zu leisten vermag, selbst wenn er Verständnis und Mitgefühl für den Kunden hat. Es gibt klare Regeln, die ein Beschäftigter bei seiner Arbeit einhalten muss, die Toleranzspielräume sind meist nicht sehr groß.
Für den "Kunden" ist die Ablehnung seines Anliegens inakzeptabel und meist mit unerwünschten Konsequenzen verbunden. Er interpretiert die Ablehnung als ungerechtfertigten Eingriff in sein Leben, einhergehend mit dem Verlust an Kontrolle. Ein Konflikt steht im Raum, der eskalieren kann.
Typische Situationen mit Konfliktpotenzial
- Ein Kunde bekommt kein Geld ausgezahlt, weil das Konto überzogen.
- Ein Postbote hat kein passendes Wechselgeld dabei.
- Ein Kunde eines Verkehrsbetriebs kann bei einer Fahrscheinkontrolle keinen Fahrschein vorweisen.
- Ein Gast wird nicht in eine Kneipe eingelassen, weil er betrunken ist.
- Einem ausländischen Bürger wird die Aufenthaltsgenehmigung nicht verlängert.
- Ein Arbeitsloser bekommt keine oder keine passenden Stellen angeboten.
Aber auch systembedingte missliche Situationen können Aggressionen hervorrufen. Es schürt Unmut, der sich beim "unschuldigen" Mitarbeiter unversehens entlädt (Frustrationsabbau), wenn
- von 6 Kassen oder Countern nur 2 besetzt sind und die Warteschlange immer länger wird,
- Telefonanrufe während der Geschäftszeiten ins Leere laufen oder man x-mal weiterverbunden wird,
- Arbeitsabläufe langwierig, umständlich und für den Kunden unverständlich sind,
- Wartezeiten in Behörden unverhältnismäßig lang sind.
7.2 Ökonomischer Druck
Die Ursache für die Ausübung interner Gewalt, also Gewalt, die von Betriebsangehörigen gegenüber anderen Betriebsangehörigen ausgeübt wird, liegt auch am ökonomischen Druck, der auf Betrieben und seinen Mitarbeitern lastet. Aus der Mobbing-Forschung ist bekannt, dass aus Angst um den eigenen Arbeitsplatz oder bei Bekanntwerden, dass Stellen in der Abteilung abgebaut werden, "überflüssige" Mitarbeiter weggemobbt werden.
Bossing, eine Variante von Mobbing, die ein Vorgesetzter gegenüber einem Mitarbeiter ausübt, resultiert aus der Angst des Vorgesetzten, dass Mitarbeiter fachkompetenter sind als er und an seinem Stuhl sägen könnten, oder aus purer Lust an Schikane und Machtausübung.
Druck- und Frustrationsabbau in Form von Aggressionen kann auch in Abteilungen unter den Kollegen stattfinden. Gründe dafür sind:
- Arbeit, die nicht mehr zu bewältigen ist;
- Zeit-, Leistungs- und Termindruck beherrschen den Arbeitsalltag;
- andauernde Umstrukturierungen, mit damit verbundenen neuen Aufgaben, neuen Kollegen und neuen Chefs, die permanente Neuausrichtung vom Mitarbeiter erfordern.
7.3 Wandel der Umgangsformen
Nicht nur die Arbeitswelt hat sich verändert, in der Gesellschaft hat sich ebenfalls ein Wandel vollzogen. Moral wird heute anders definiert und ein insgesamt lockerer Umgangston untereinander führt auch dazu, dass Respekt voreinander verloren geht. Was früher undenkbar war und von der Gesellschaft sanktioniert wurde, ist heute mehr und mehr gesellschaftsfähig – im Positiven wie im Negativen.
7.4 Ursachen in der Person des Täters
Manche Menschen sind allerdings scheinbar ohne vordergründigen Anlass aggressiv und suchen die Konfrontation um der Konfrontation willen. Sie sind generell konfliktbereit oder nicht konfliktfähig mit entsprechend geringer Frustrationstoleranz. Psychische Erkrankungen und der Einfluss von Alkohol oder Drogen sind weitere Gründe, warum Menschen aggressiv werden. Gewalt kann auch ausgeübt werden aus Lust am Querulantentum oder an der Ausübung von Macht oder weil sexuelle Begierden nicht erwidert werden.
7.5 Ursachen in der Person des Opfers
Auch das "Gewaltopfer" kann bewusst oder unbewusst Situationen eskalieren. Ein unangemessenes Auftreten, mangelnde Empathie, eine arrogante Haltung schüren beim "Kunden" Aggressionen. Kommen mangelnde Fachkenntnisse oder eine fehlende Handlungs- und Entscheidungskompetenz dazu, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass der Kunde "austickt".