Dipl.-Biol. Bettina Huck, Dipl.-Chem. Michael Rocker
Kühlschmierstoffe sind Gefahrstoffe. Sie enthalten eine Reihe gefährlicher Inhaltsstoffe oder diese entstehen im Betrieb oder werden eingetragen. Es besteht Exposition durch Einatmen und Hautkontakt. Dies ist für Sie hoffentlich keine "unbequeme Wahrheit", sondern eine Begleiterscheinung technischer Notwendigkeiten – und bedingt eine ganze Reihe möglicher und notwendiger Schutzmaßnahmen.
Es sei vorab bemerkt: Die meisten beschriebenen Schutzmaßnahmen "wirken" nicht nur gegen den KSS als Gefahrstoff, sondern auch als Schutzmaßnahmen i. S. der Biostoffverordnung und vermögen Unfälle zu verhindern (denken Sie an Kapselungen und Sichtscheiben, die natürlich auch wegfliegende abgebrochene Werkzeuge zurückhalten und den Boden im Arbeitsbereich vor KSS-Spritzern und -Pfützen schützen).
Welche Schutzmaßnahmen Sie umsetzen, entscheiden Sie selbst. Die Schutzmaßnahmen hängen von den speziellen Rahmenbedingungen in Ihrem Betrieb ab. Das mit den Rahmenbedingungen verknüpfte Ausmaß an Gefährdungen (und Belastungen) entscheidet darüber, ob Sie einen offenen Langdrehautomaten so betreiben können, wie Sie ihn bei Ihrem Maschinenausrüster bestellt haben, oder ob Sie nachrüsten müssen (technische Schutzmaßnahmen), ob das Personal arbeitsmedizinisch untersucht werden muss (organisatorische Schutzmaßnahmen) oder ob und welche Persönliche Schutzausrüstung (PSA) getragen werden muss (vgl. Abb. 5 bis Abb. 9).
Unter Umständen werden Sie den bisher verwendeten KSS gegen einen anderen ersetzen müssen (Substitution), weil die Dampf- und Aerosolkonzentration im Arbeitsbereich so hoch ist, dass die umgesetzten Schutzmaßnahmen nicht zum Ziel führen. Ziel ist, den Stand der Technik einzuhalten, den die Gefahrstoffverordnung und das untergeordnete Regelwerk fordern.
Abb. 5: Das "STOP"-Modell des Arbeits- und Gesundheitsschutzes
Abb. 6: Prioritätsreihenfolge für Schutzmaßnahmen nach dem STOP-Modell
Abb. 7: Prioritätsreihenfolge für Schutzmaßnahmen nach dem STOP-Modell
Abb. 8: Prioritätsreihenfolge für Schutzmaßnahmen nach dem STOP-Modell
Abb. 9: Prioritätsreihenfolge für Schutzmaßnahmen nach dem STOP-Modell
Was bedeutet dies nun im Allgemeinen und im Speziellen – welche dieser Maßnahmen müssen nun umgesetzt werden?
Die Entscheidung ist deshalb so schwierig, weil im Regelwerk keine expliziten Verpflichtungen genannt werden. Folgende Anhaltspunkte sind zu beachten, die auch auf dem technisch und wirtschaftlich Machbaren basieren:
S wie Substitution
Eine vollkommene Umstellung der Produktion wird nur in seltenen Fällen möglich sein. Die verfahrensspezifischen Ansätze sollten dann berücksichtigt werden, wenn ganze Produktionen neu konzipiert werden. Die Umstellung auf Trockenbearbeitung, Minimalmengenschmierung (MMS) oder Mindermengenkühlschmierung (MKS) benötigt das Anpassen von Maschinenkonzepten, was nicht ganz einfach, aber finanziell leichter umzusetzen ist.
Die Umstellung von wg-KSS auf nw-KSS ändert das Brand- und Explosionsrisiko derart, dass hier umfangreiche Maßnahmen umgesetzt werden müssen.
Die Umstellung auf emissionsarme oder biozidfreie KSS ist als weitere Variante leichter umsetzbar, wobei die technischen Anforderungen weiterhin erfüllt sein müssen. Für ein Gelingen der Umstellung erhalten Sie keine Garantie.
T wie technische Maßnahmen
Auch wenn es äußerst sinnvoll ist, gefährliche Bereiche wie z. B. die Magnesiumzerspanung räumlich abzutrennen, wird dies in vielen Betrieben aus Kostengründen nicht möglich sein.
Alle anderen o. g. Maßnahmen entsprechen schon heute dem Stand der Technik, was bedeutet, dass Werkzeugmaschinen entsprechend konstruiert werden, bzw. lufttechnische Einrichtungen nach Maßgabe der Rahmenbedingungen bestellt werden können. Aber oft steckt der Teufel im Detail und zum Teil auch im Geldbeutel. Nicht selten trifft auch beides zu: Die Installation einer komplexen Absauganlage ist Verschwendung, wenn die Absaug- und Abscheideraten nicht optimal eingestellt sind. Die Experten z. B. der BGHM oder des Institutes für Arbeitsschutz (IFA) führen zu diesem Thema auf Anforderung der Betriebe Beratungen durch. Dabei können zusätzlich Luftmessungen durchgeführt werden, um das System zu optimieren.
O wie organisatorische Maßnahmen
Die Umsetzung dieser Arbeits- und Gesundheitsschutzmaßnahmen z. B. in Form von Betriebsanweisung oder arbeitsplatzspezifischer Unterweisung ist heute wohl bekannt und das Regelwerk gibt Hilfestellung. KSS-spezifische Ergänzungen können sich bei Anwendung zusätzlicher Rechtsvorschriften ergeben (z. B. Mutterschutzgesetz, wenn bleihaltige Werkstoffe bearbeitet werden oder Jugendarbeitsschutzgesetz).
P wie Persönliche Schutzausrüstung (PSA)
Auch hier ergeben sich nur wenige Besonderheiten. Die Umsetzung von Hand- und Hautschutzmaßnahmen sollte bekannt sein, in Einzelfällen kann kurzfristig auch einmal Atemschutz zum Einsatz kommen (z. B. wenn in Anlagen eingestiegen werden muss).