Dipl.-Ing. (FH) Petra Liebsch
Konkrete Anforderungen hinsichtlich Arbeiten in Höhen sind insbesondere im Anhang 1 BetrSichV und der TRBS 2121 Teil 2 enthalten. Danach dürfen von Leitern nur Arbeiten geringen Umfangs ausgeführt werden. Der Begriff "Arbeiten geringen Umfangs" ist nicht konkretisiert.
Die Entscheidung darüber, in welchem Umfang Arbeiten von Leitern ausgeführt werden können, ist im Einzelfall durch eine Gefährdungsbeurteilung (siehe hierzu auch TRBS 1111) zu treffen.
Leitern können Gerüste nicht ersetzen. Aus dieser grundsätzlichen Überlegung heraus kann umgekehrt geschlossen werden, dass von Leitern aus keine Arbeiten ausgeführt werden dürfen, die i. d. R. von Gerüsten aus ausgeführt werden können. Dies gilt insbesondere, wenn der Aufbau eines Gerüstes/einer fahrbaren Arbeitsbühne/einer Hubarbeitsbühne z. B. aufgrund der Dauer der Arbeiten unverhältnismäßig ist.
Orientierungsgrenzwerte für den Umfang der von Leitern aus auszuführenden Arbeiten ergeben sich aus der Leiterbauart selbst. Die Norm EN 131 enthält folgende Anforderungen und Regelungen:
- Leitern sind für eine lotrechte statisch wirkende Einzellast von 1.500 N zu bemessen. Stabilere Leitern, gerne "Schwerlastleitern" genannt, sind abweichend von der Norm nach höheren Lasten (bis zu 250 kg) bemessen und geprüft; ihre maximale Nennlast beträgt trotzdem 150 kg.
- Der lichte Abstand zwischen den Leiterholmen (nutzbare Leiterbreite) beträgt mind. 280 mm.
- Die Auftrittstiefe muss bei Stufen mind. 80 mm betragen.
- Stehleiterschenkel müssen sich um 10 % der Holmlänge nach unten hin verbreitern.
Mit diesen Grenzwerten sind einerseits die von einer Leiter aufnehmbaren Kräfte nach Größe und Richtung, andererseits der Bewegungsfreiraum auf der Leiter vorgegeben. Zu beachten ist auch, dass Leitern nur sicher bestiegen werden können, wenn zu jeder Zeit ein ausreichender Kontakt zur Leiter besteht. Dies ist gegeben:
- bei der 3-Punkt-Methode (Kontakt mit 2 Füßen und einer Hand oder beiden Händen und einem Fuß),
- in der Grätschstellung (Stand/Sitz auf der jeweils drittobersten Stufe oder tiefer) auf einer beidseitig besteigbaren Stehleiter,
- beim Führen/Kontakt eines Arms hinter einem Seitengeländer, während die Leiter begangen wird bzw. wenn von ihr aus gearbeitet wird (z. B. bei Podestleitern).
Auf Leitern zu transportierende Gegenstände dürfen deshalb weder sperrig noch schwer sein. Aus in der Praxis gesammelten Erfahrungen ist bekannt, dass Gegenstände, wie Werkzeuge und Materialien, bis zu einem Gewicht von 10 kg noch gefahrlos transportiert und gehandhabt werden können.
Werden Leitern horizontal wirkenden Kräften ausgesetzt, besteht Kippgefahr. Besonders die seitliche Standsicherheit von Stehleitern ist begrenzt. Als Orientierungshilfe für die Praxis gilt, dass eine Stehleiter mit einer gebräuchlichen Arbeitshöhe (ab etwa 2 m) bei normaler Belastung durch eine Person (80 kg) bei einer seitlich wirkenden Kraft von ca. 10 kg bereits kippt.
Eine seitlich wirkende Kraft in der genannten Größenordnung wird durch die Handkraft von einer Person schnell erreicht, z. B. durch Bohren, Drehen von Schrauben, Be- und Entladen von Regalen, Nachziehen von Leitungen oder Schläuchen u. a. Die gefährliche Situation tritt bereits ein, wenn die Stehleiter durch eine seitlich wirkende Kraft einseitig von ihrer Standfläche abgehoben wird. Dieser labile Standsicherheitszustand wird in der Praxis mit dem Begriff "Kippeln" umschrieben. Kippeln führt häufig zum Gleichgewichtsverlust und zum Absturz des Benutzers einer Stehleiter, wobei diese seitlich wegkippt und der Benutzer auf die kippende Leiter stürzt. Bei einem solchen Unfall wird meistens auch die Stehleiter erheblich beschädigt.
Interpretation von Leiterschäden
Häufige Schäden sind nach innen abgeknickte untere Holmenden und verbogene Stützschenkelholme. Solche Leiterschäden werden nach einem Unfall oft falsch gedeutet. Man geht fälschlicherweise davon aus, dass die Ursache für den Unfall das Abknicken eines Holmendes oder das Verbiegen eines Holms bei normaler Leiterbenutzung gewesen sei. In Wirklichkeit sind oft Vorschädigungen, wie sie beim Anstoßen während des Transportes oder Abladen von einer Lkw-Ladefläche geschehen können, ausschlaggebend.
In Gehrichtung einer Stehleiter können größere Kräfte übertragen werden. Deshalb sollte die Regel gelten, dass Arbeiten, die nennenswerte Kräfte auf eine Leiter übertragen, wenn möglich in Gehrichtung der Stehleiter ausgeführt werden (s. Abb. 5).
Abb. 5: Kippgefahr bei Stehleitern; links: Bei einer seitlich wirkenden Kraft von etwa 10 kg kippt die Leiter bereits; rechts: In dieser Position können wesentlich höhere Kräfte übertragen werden
In der Gefährdungsbeurteilung für Arbeiten auf Leitern müssen die folgenden Kriterien berücksichtigt werden:
- Sperrigkeit der Gegenstände,
- Gewicht der Gegenstände,
- seitlich wirkende Kräfte,
- Verweilzeit auf der Leiter.
Im Baubereich bildet der Absturz von Anlegeleitern einen deutlichen Schwerpunkt. In der DGUV-V 38 "Bauarbeiten" wurde deshalb die Forderung nach Arbeiten geringere...