Ingrid Dries, Uta Reiber-Gamp
Die Leitmerkmalmethode Manuelle Arbeitsprozesse (LMM MA) ist zur Beurteilung der Arbeitsbedingungen gemäß Arbeitsschutzgesetz geeignet. Mit diesem Handwerkszeug kann die Wahrscheinlichkeit einer physischen Überbeanspruchung bewertet werden. Sie beurteilt die repetitiven und anhaltenden Belastungen der Hände und Arme, Schultern und Nacken durch überwiegend geringe Lastgewichte und Aktionskräfte. Sie verbindet in der Beurteilung die Arbeit der Arme mit den statischen Kräften der Haltungsmuskulatur im Nacken und Rücken. Dabei wird davon ausgegangen, dass bei Einhaltung der 25-Punkte-Grenze im Rahmen der Bewertung alle Beschäftigten ohne die Gefahr einer physischen Überbeanspruchung die Tätigkeit ausführen können. Vorausgesetzt wird, sie sind voll belastbar.
Risiken für das Hand-Arm-Schulter-System
Kraftvolle, länger andauernde einseitige Bewegungen des Hand-Arm-Schulter-Systems können zu Fehlbeanspruchung der Strukturen führen. Gesteigert wird das Risiko durch mangelnde Erholungsphasen und gleichartige Belastungen für diese Strukturen. Ausgleichsbewegungen und Ausgleichssport können dagegen helfen.
Anwendungsbereich: Tätigkeiten mit überwiegender Belastung des Finger-Hand-Armbereichs bei der Bearbeitung von Arbeitsgegenständen bis zu 3 kg, meist stationär im Sitzen oder Stehen durchgeführt.
Typische Merkmale
- häufige Wiederholung gleicher oder ähnlicher Handgriffe,
- Anforderung an Geschicklichkeit,
- Erkennen von Details, Präzisionsarbeit,
- Arbeit erfolgt meist im Sitzen oder Stehen mit geringen Rumpf- und Beinbewegungen,
- Arbeiten über Kopf, Bücken oder Laufen sind zwischendurch möglich.
Sie kann nicht angewendet werden bei:
- Tätigkeiten der manuellen Lastenhandhabung mit Gewichten über 5 kg,
- Tätigkeiten mit hohen energetischen Anforderungen durch Ganzkörperarbeit und hohen Kraftaufwand (z. B. Maschinenmontage),
- Tätigkeiten mit lang anhaltenden erzwungenen Körperhaltungen (z. B. Knien, Bücken).
Die Arbeitsprozesse können in 4 Kategorien eingeteilt werden:
Kategorie A: Präzisionsarbeit mit hohen Sehanforderungen
Präzisionsarbeit mit hohen Sehanforderungen
- Montage von Komponenten für Lichtleitertechnik
- Medizinische Kleingeräteherstellung
- Arbeiten an Mikroskopen
Kategorie B: Feinmotorische Arbeit mit hohen Sehanforderungen
Feinmotorische Arbeit mit hohen Sehanforderungen
- Montage elektronischer Steckverbindungen
- Handbestücken von Leiterplatten
- Montage von Anzeige- und Sensortechnik
Kategorie C: Arbeit mit mittlerem Kraftaufwand und normalen Sehanforderungen
Arbeit mit mittlerem Kraftaufwand und normalen Sehanforderungen
- Verpacken von Lebensmitteln
- Arbeiten an Sortierbändern
- Herstellung von Backwaren
Kategorie D: Arbeit mit erhöhtem Kraftaufwand und normalen Sehanforderungen
Arbeit mit erhöhtem Kraftaufwand und normalen Sehanforderungen
- Fleischzerlegung
- Möbelbau
- Getriebemontage
Kategorieneinteilung und weitere Beispiele
Unter www.baua.de/de/Themen-von-A-Z/Physische-Belastung/Gefaehrdungsbeurteilung.html steht eine ausführliche Anleitung zur Anwendung der Leitmerkmalmethode Manuelle Arbeitsprozesse (LMM MA). Sie beschreibt die Kategorieneinteilung, enthält Tätigkeitsbeispiele, nennt die physischen Anforderungen und Belastungen und gibt Tipps für Präventionsmöglichkeiten. Grafiken und Analogiebeispiele erleichtern die Einordnung und die Vermeidung von Fehlbeurteilungen.
Sie ist für den Einstieg in die Anwendung dieser Methode sehr zu empfehlen.
Die neu aufgelegte Broschüre ist auch in Papierform erhältlich: www.baua.de/publikationen/Manuelle Arbeit ohne Schaden
Die 6 wichtigsten Arbeitsanforderungen/Leitmerkmale für die Beurteilung des Arbeitszyklus sind:
- Art der Kraftausübung(en) in mittlerer Haltedauer (Sekunde pro Minute) und mittlere Bewegungshäufigkeit (Anzahl pro Minute)
- Kraftübertragung/Greifbedingungen,
- Hand-/Armstellung und -bewegung,
- Arbeitsorganisation,
- Ausführungsbedingungen,
- Körperhaltung.
Die Beurteilung erfolgt grundsätzlich für Teiltätigkeiten. Bei unterschiedlichen Teiltätigkeiten während eines Arbeitstages mit deutlich verschiedenen Belastungen sollen diese getrennt eingeschätzt und dokumentiert werden.
Voraussetzungen
Eine wichtige Voraussetzung für die Beurteilung ist eine gute Kenntnis der zu beurteilenden Tätigkeit. Grobe Einschätzungen führen zu falschen Ergebnissen.
Berufskrankheit
Bei beruflich Exponierten können bestimmte Erkrankungen der oberen Extremität in zu begründenden Einzelfällen als Berufskrankheit anerkannt werden.
- Erkrankung der Sehnenscheiden oder des Sehnengleitgewebes sowie der Sehnen- oder Muskelansätze – BK 2101
- Chronische Erkrankung der Schleimbeutel durch ständigen Druck – BK 2105
- Druckschädigung der Nerven – BK 2106
- Karpaltunnel-Syndrom – noch ohne BK-Nummer, aber mit wissenschaftlicher Begründung
- Hypothenar-Hammer-Syndrom – noch ohne BK-Nummer, aber mit wissenschaftlicher Begründung
- Erkrankungen durch Erschütterung bei Arbeit mit Druckluftwerkzeugen – BK 2103
- Vibrationsbedingte Durchblutungsstö...