Ingrid Dries, Uta Reiber-Gamp
Der Handlungszyklus ermöglicht, systematisch vorzugehen und vollständig zu arbeiten. Jede Phase hat seine Berechtigung. In einem Kurzprotokoll sollte Folgendes dokumentiert werden:
- Vorgehen,
- Ergebnis,
- Datum,
- wann die einzelnen Phasen abgeschlossen wurden,
- beteiligte Personen.
Auf dieser Grundlage können weitere Maßnahmen entwickelt werden, die effizient und nachhaltig wirken.
2.1 Analysephase: Arbeitssystem
Das Arbeitssystem beschreibt die miteinander verbundenen Elemente, die aufeinander wirken (Abb. 2). Dabei gibt es immer eine Wechselwirkung zwischen den einzelnen Elementen und dem Menschen.
Abb. 2: Was wirkt direkt aus dem Arbeitssystem und zusätzlich als beitragender Faktor auf den Menschen?
Erfassen des Arbeitssystems mit den "W"-Fragen
Mit den "W"-Fragen können Sie das Arbeitssystem beschreiben:
- Wer: Mitarbeiter/in, Angaben sind z. T. freiwillig;
- Was: Arbeitsaufgabe, beschreibt das angestrebte Arbeitsergebnis;
- Womit: alle Arbeitsmittel, die benutzt werden, auch Hilfsmittel und Persönliche Schutzausrüstung (PSA);
- Wie oft: Häufigkeit des zu bewegenden oder zu haltenden Gewichtes;
- Wie lange: Zeitdauer, in der das Gewicht bewegt oder gehalten wird;
- Wie schwer: genaue Gewichtsangabe;
- Wie: Körperhaltung während der Bewegung oder während des Haltens;
- Wo: Arbeitsplatz – räumlicher Bereich, der zur Erfüllung der Arbeitsaufgabe notwendig ist (Platz, Bodenbeschaffenheit und klimatische Verhältnisse).
Erfassen des Arbeitssystems mit den "W"-Fragen
- Wer: Mitarbeiter, männlich, 55 Jahre alt, kräftig gebaut, unterwiesen, in Arbeitstechnik geschult;
- Was: legt Werkstücke vom Scherenhubtisch in die Eingabestation und hebt sie nach der Bearbeitung wieder heraus, um sie in den Behälter mit Neigegerät zu legen;
- Womit: Benutzt Schutzhandschuhe, Schutzschuhe, Werkstück kommt auf dem Scherenhubtisch an, bearbeitetes Werkstück wird im Behälter mit Neigegerät abgelegt;
- Wie oft: 80 Werkstücke pro Schicht, d. h. 160 Hebevorgänge;
- Wie lange: kurzzeitig, unter 5 Sekunden;
- Wie schwer: 16 kg;
- Wie: unter geringer Vorneigung, beim Aufnehmen und Ablegen leicht verdreht mit dem Oberkörper und den Beinen;
- Wo: Eingabestation, Halle X, Platzverhältnisse sind ausreichend.
2.2 Analysephase: Ermitteln der Gefährdung
Nach der Festlegung des Bereiches, der untersucht werden soll (Teilarbeitssystem), werden die ermittelten Fakten (vgl. Beispiel oben) dem Arbeitssystem zugeordnet. Diese Elemente sind Bausteine der ablauforientierten Gefährdungsbeurteilung.
Ermitteln der Gefährdung
- Gefährdungsfaktor: physische Belastung;
- Gefahrenquelle: 16 kg schweres Werkstück und häufige Manipulation;
- Gefahrbringende Bedingung: Trotz Hubvorrichtungen sind verdrehte Körperhaltungen durch das Aufnehmen und Ablegen des Gewichts erforderlich;
- Leistungsvoraussetzung: 55 Jahre, vermindert belastbar laut LMM (Leitmerkmalmethode);
- Beschreibung der Gefährdung: Belastung der Hals- und Lendenwirbelsäule und der Kniegelenke;
- Expositionszeit: jeweils unter 5 Sekunden, aber insgesamt 160-mal pro Schicht.
2.3 Beurteilen und Bewerten der Gefährdung
Die Risikobeurteilung setzt sich zusammen aus Risikoabschätzung und Risikobewertung. Bewährt hat sich zur Abschätzung die Risikomatrix nach Nohl (Abb. 3).
Abb. 3: Risikomatrix mit Bewertungsfeldern nach Nohl
Risikobeurteilung
- Eintrittswahrscheinlichkeit: durchaus möglich = C
- Schadensausmaß: schwere Folgen, Dauerschäden möglich durch Bandscheibenvorfall und Arthrose = 4
Risikobeurteilung: Hoch (Punkt 5)
Nach dem Ampelmodell (Abb. 4) heißt das: Das Risiko liegt deutlich über dem Grenzwert und daher besteht dringender Handlungsbedarf.
Abb. 4: Risikobewertung mit dem Ampelmodell
2.4 Festlegen konkreter Arbeitsschutzmaßnahmen
2.4.1 Hierarchie der Maßnahmen
Gemäß § 2 Abs. 1 Lastenhandhabungsverordnung müssen Maßnahmen primär darauf abzielen, dass manuelle Lastenhandhabungen mit Gefährdungen für die Gesundheit der Beschäftigten vermieden werden. Wenn das nicht möglich ist, muss der Arbeitgeber auf der Basis der Beurteilung der Arbeitsbedingungen nach § 5 Arbeitsschutzgesetz geeignete Maßnahmen ergreifen, um eine Gefährdung der Gesundheit der Beschäftigten möglichst gering zu halten (§ 2 Abs. 2 Lastenhandhabungsverordnung).
Um Arbeitssysteme sicher zu gestalten, gibt es Ansatzpunkte im technischen, organisatorischen und personellen Bereich.
Da alle Veränderungen zur Vermeidung bzw. Verringerung von Gefährdungen mit Wechselwirkungen verbunden sind, ist eine systematische Betrachtungsweise des Arbeitssystems erforderlich.
Ziel des TOP-Modells (Abb. 5) ist es, Maßnahmen zur Gesundheitsförderung zu finden, die die gesundheitlichen Ressourcen steigern.
Es soll ein Prozess in Gang gesetzt werden, der
- körperliche, seelische und soziale Leistungsvoraussetzungen des Menschen stärkt,
- Verhalten und Verhältnisse gleichermaßen berücksichtigt,
- Wissen und Erfahrungen der Mitarbeiter einbezieht,
- Mitwirkungsmöglichkeiten an der Gestaltung des betrieblichen Umfeldes zulässt und
- die sozialen Beziehungen und die gegenseitige Unterstützung der Mitarbeiter fördert.
Abb. 5: TOP-Modell
Als Arbeitsgrundlage in einem Arbeitskreis zur Suche von Lösungen hat sich das Sternmodell (Abb. 6) bewährt.
Abb. 6: Das Sternmodell a...