Unternehmer und in Vertretung die Führungskraft haben neben ihrer Organisationsverantwortung auch die Fürsorgepflicht den Beschäftigten gegenüber. § 7 DGUV-V 1 regelt:
Zitat
(1) Bei der Übertragung von Aufgaben auf Versicherte hat der Unternehmer je nach Art der Tätigkeit zu berücksichtigen, ob die Versicherten befähigt sind, die für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz bei der Aufgabenerfüllung zu beachtenden Bestimmungen und Maßnahmen einzuhalten […].
(2) Der Unternehmer darf Versicherte, die erkennbar nicht in der Lage sind, eine Arbeit ohne Gefahr für sich und andere auszuführen, mit dieser Arbeit nicht beschäftigen.
Handeln im Akutfall
Hat der Vorgesetzte begründete Zweifel an der Eignung des Mitarbeiters, die Tätigkeit körperlich und geistig ausüben zu können, sollte er sich durch einen Eignungsnachweis, den ein Arzt ausstellt, absichern. Lehnt der Beschäftigte die Untersuchung durch einen Arzt ab, liegt es im Ermessen der Führungskraft, ob der Beschäftigte eine Arbeit ausführen darf oder nicht.
Mitarbeitergespräche
Bemerkt der Vorgesetzte länger andauerndes verändertes Leistungs- und Sozialverhalten eines Mitarbeiters, ist es seine Führungspflicht, den Mitarbeiter daraufhin anzusprechen. Dies muss nicht nur im Rahmen der Fürsorgepflicht dem speziellen Mitarbeiter gegenüber geschehen, sondern auch zum Schutz der Kollegen des auffälligen Mitarbeiters, denn leistungsbeeinträchtigte Mitarbeiter stellen eine Gefahr für sich und andere dar.
In Gesprächen über Verhaltensauffälligkeiten in Zusammenhang mit einer vermuteten Medikamenteneinnahme muss mit anderem Abwehrverhalten des Mitarbeiters als bei einer Alkoholproblematik gerechnet werden: Die Arznei wird ja gerade zur Wiederherstellung oder zum Erhalt der Leistungsfähigkeit eingenommen und/oder wurde sogar ärztlich verordnet – die Einnahme ist also offiziell legitimiert.
Je früher die Ansprache, desto besser
Generell gilt: Je früher die Ansprache erfolgt, desto eher können Verhaltensauffälligkeiten im Leistungs- und Sozialverhalten korrigiert werden. Auch verringert sich die Gefahr einer Leugnung und Verfestigung des Verhaltens.
In einem ersten Fürsorge- oder Klärungsgespräch spricht der Vorgesetzte mit dem Mitarbeiter über wahrgenommene Verhaltensänderungen. Er erfährt Ursachen für das Verhalten, gemeinsam kann nach Lösungen gesucht werden. Sind die beruflichen Belastungen zu hoch, wird über Alternativen nachgedacht.
Dieses Fürsorgegespräch hat noch keinen disziplinarischen Charakter. Ändert sich das Verhalten nicht, finden weitere Gespräche statt. Im Zusammenhang mit Suchtmittelmissbrauch gibt es in vielen Unternehmen Betriebsvereinbarungen, in denen – wichtig – mit Zustimmung der Personalvertretung Stufengespräche vereinbart wurden. Mit jedem Gespräch erhöht sich der Druck auf den Mitarbeiter, sein Verhalten zu ändern. Es drohen arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zur verhaltensbedingten Kündigung. An diesen Gesprächen (i. d. R. folgen 4 bis 5) nehmen neben dem Vorgesetzten und dem Mitarbeiter auch die Personalvertretung, ggf. der Betriebsarzt und Mitarbeiter aus der Personalabteilung teil. Die Gespräche werden protokolliert.
Mitarbeitern wird bei Fehlverhalten aber nicht nur mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen gedroht, sondern es sollen auch immer inner- und außerbetriebliche Hilfsangebote unterbreitet werden. Innerbetrieblich bietet sich ein Gespräch mit dem Betriebsarzt und der Sozialberatung an. Beide unterliegen der Schweigepflicht. Extern können Betroffene ihren Hausarzt oder Suchtberatungsstellen konsultieren.
Längere Erkrankung macht Medikamenteneinnahme wahrscheinlicher
Ein Hinweis auf eine mögliche Medikamenteneinnahme kann die Dauer der Erkrankung sein. Bei längeren Erkrankungen ist zu vermuten, dass weiterhin Medikamente eingenommen werden. Die Frage des Vorgesetzten darf erlaubt sein, ob Medikamente eingenommen werden, die sich negativ auf die Arbeitsfähigkeit auswirken.
An Fakten halten
Wie bei allen Verhaltensauffälligkeiten gilt es, sorgsam Fakten zusammenzutragen, sich nicht von Vermutungen und Gerede beeinflussen zu lassen und zu einer bedachten Entscheidung zu kommen.