Novellierung der Gefahrstoffverordnung – Fokus: krebserz ... / 5 § 2: Neue Begriffsbestimmungen: Akzeptanz- und Toleranzkonzentration

Luftgrenzwerte bei krebserzeugenden Stoffen der Kategorie 1A oder 1B werden unterschieden in

• gesundheitsbasierte Luftgrenzwerte: bezeichnet als: Arbeitsplatzgrenzwerte (AGW), gelistet in TRGS 900

  ; gekennzeichnet mit Bemerkung "X") und

• risikobasierte Luftgrenzwerte: bezeichnet als: Akzeptanzkonzentration (AK) und Toleranzkonzentration (TK), alle gelistet in TRGS 910.

Die Definition bzgl. "gesundheitsbasiert" ist in § 2 Abs. 8 Gefahrstoffverordnung zu finden und ist auf die Begriffsbestimmung eines Arbeitsplatzgrenzwertes aus der TRGS 900 bezogen:

"§ 2 Begriffsbestimmungen: (8) Der Arbeitsplatzgrenzwert (…) gibt an, bis zu welcher Konzentration eines Stoffs akute oder chronische schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit von Beschäftigten im Allgemeinen NICHT zu erwarten sind."

Wichtig

Gesundheitsbasierte Luftgrenzwerte

• Gesundheitsbasierte Luftgrenzwerte können nur für solche Stoffe abgeleitet werden, für die eine Konzentration gegeben ist, bei der "akute oder chronische schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit von Beschäftigten im Allgemeinen NICHT zu erwarten sind".
• Diese unbedenkliche Konzentration nennt man auch "Wirkungsschwelle".
• Für die meisten krebserzeugenden Stoffe der Kategorie 1A oder 1B existiert KEINE Wirkungsschwelle. Daher können für diese Stoffe, wenn überhaupt, nur risikobasierte Luftgrenzwerte, die Akzeptanz- bzw. Toleranzkonzentrationen aus der TRGS 910, abgeleitet werden.^[1] In der TRGS 910 werden diese Krebserkrankungsrisiken wie folgt quantifiziert:
• Akzeptanzrisiko beschreibt die statistische Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer Krebserkrankung (…) in Höhe von 4:10.000 (…).
• Toleranzrisiko beschreibt die statistische Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer Krebserkrankung in Höhe von 4:1.000.

Tab. 8 gibt einen Überblick über die wenigen krebserzeugenden Gefahrstoffe der Kategorie 1A oder 1B, bei denen eine Wirkungsschwelle und damit ein gesundheitsbasierter Arbeitsplatzgrenzwert abgeleitet werden konnte. Diese Stoffe können anhand der Bemerkung "X" in der TRGS 900 identifiziert werden:

TRGS 900: Bemerkung "X": krebserzeugender Stoff Kat. 1A oder 1B oder krebserzeugende Tätigkeit oder Verfahren nach § 2 Abs. 3 Nr. 4 GefStoffV – es ist zusätzlich § 10 GefStoffV zu beachten.		AGW
Bezeichnung (nur krebserzeugende Stoffe)	CAS-Nr.	mg/m³
Acetaldehyd	75-07-0	91
Beryllium und anorgan. Verbindungen	7440-41-7	0,00006 A; 0,00014 E
Cadmium und anorgan. Cd-Verbindungen	7440-43-9	0,002 E
4-Chloranilin	106-47-8	0,3
Chlorethylen (Vinylchlorid)	75-01-4	2,6
Cumol	98-82-8	50
Dieselmotoremissionen (Dieselrußpartikel, als EC (elementarer Kohlenstoff))		0,05 A
1,4-Dioxan	123-91-1	73
1,2-Epoxybutan	106-88-7	3
Formaldehyd	50-00-0	0,37
Furan	110-00-9	0,056
Indiumphosphid	22398-80-7	0,0001 A
Isopren (2-Methylbuta-1,3-dien)	78-79-5	8,4
Methyloxiran (Propylenoxid)	75-56-9	2,4
o-Toluidin	95-53-4	0,5
Trichlormethan (Chloroform)	67-66-3	2,5

Tab. 8: Alle krebserzeugenden Gefahrstoffe der Kategorie 1A oder 1B mit gesundheitsbasierten Arbeitsplatzgrenzwerten aus der TRGS 900 (Bemerkung "X")

In der aktuell noch gültigen Gefahrstoffverordnung von 2021 sind die Begriffsdefinitionen der risikobasierten Grenzwerte Akzeptanz und Toleranzkonzentration aus der TRGS 910 noch nicht vorhanden.

Tab. 9 beschreibt die zwei neuen Begriffsdefinitionen aus dem Referentenentwurf vom 23.7.2024:

(8a) Die Akzeptanzkonzentration	(8b) Die Toleranzkonzentration
ist die Konzentration eines als krebserzeugend eingestuften Stoffs in der Luft am Arbeitsplatz, die bei 40-jähriger arbeitstäglicher Exposition mit dem
Akzeptanzrisiko	Toleranzrisiko
assoziiert ist.
Bei Einhaltung der Akzeptanzkonzentration wird das Risiko einer Krebserkrankung als niedrig und akzeptabel angesehen (Bereich niedrigen Risikos).
Bei einer Überschreitung der Akzeptanzkonzentration bis zur Erreichung der Toleranzkonzentration ist von einem mittleren Risiko auszugehen (Bereich mittleren Risikos).	Bei Überschreitung der Toleranzkonzentration wird das Risiko einer Krebserkrankung als hoch und nicht tolerabel angesehen (Bereich hohen Risikos).

Tab. 9: Neue Begriffsdefinitionen für Akzeptanz- und Toleranzkonzentration

Praxis-Tipp

Ampelmodell

Die Akzeptanz- und Toleranzkonzentration lassen sich sehr anschaulich mit dem sogenannten "Ampelmodell" beschreiben: Toleranzkonzentration ist die Grenze zwischen rot und gelb. Akzeptanzkonzentration ist die Grenze zwischen grün und gelb.

[1] BAuA: Das Risikokonzept für krebserzeugende Stoffe des Ausschusses für Gefahrstoffe, 2012-10: https://www.baua.de/DE/Die-BAuA/Aufgaben/Geschaeftsfuehrung-von-Ausschuessen/AGS/pdf/Risikokonzept.pdf?__blob=publicationFile&v=1.