Leitsatz (amtlich)

Der Handwerker, der das von einem anderen Unternehmer errichtete Gerüst eigenmächtig ab- und an einer anderen Seite des Gebäudes in anderer Form wieder aufbaut, um es zur Fortführung seiner Arbeiten zu benutzen, ist dessen Eigenbesitzer i.S.d. §§ 836, 837 BGB. Dem steht nicht entgegen, dass er das Gerüst von vorneherein nur für eine begrenzte Zeit benutzen wollte, denn Eigenbesitz kann auch an einem nur zu einem vorübergehenden Zweck errichteten Werk bestehen. Ein Spengler ist nicht mit einem Zimmerer auf einer gemeinsamen Betriebsstätte i.S.v. § 106 Abs. 3 SGB VII tätig, wenn er seine Arbeit beginnt, nachdem der Zimmerer seine Tätigkeit beendet hat.

 

Normenkette

BGB § 823 Abs. 1, §§ 836-837; SGB VII § 106

 

Verfahrensgang

LG Ravensburg (Urteil vom 26.02.2008; Aktenzeichen 2 O 383/07)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Teil-Grund- und Teil-End-Urteil des LG Ravensburg vom 26.2.2008 - 2 O 383/07 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage auf Schmerzensgeld gegen den Beklagten Ziff. 1 wird dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt, wobei ein Mitverschulden des Klägers von 1/3 zu berücksichtigen ist.

2. Die Klage auf Schadensersatz gegen den Beklagten Ziff. 1 wird dem Grunde nach zu 2/3 für gerechtfertigt erklärt.

3. Es wird festgestellt, dass der Beklagte Ziff. 1 verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche künftigen materiellen Schäden aus dem Unfall vom 13.5.2004 zu 2/3 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

III. Die Berufung des Beklagten Ziff. 1 wird ebenfalls zurückgewiesen.

IV. 1. Kosten der ersten Instanz:

Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten Ziff. 2 trägt der Kläger.

Im Übrigen bleibt die Kostenentscheidung dem Schlussurteil vorbehalten.

2. Kosten des Berufungsverfahrens:

Von den Gerichtskosten tragen der Kläger 2/3 und der Beklagte Ziff. 1 1/3.

Der Beklagte Ziff. 1 trägt 1/3 der außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des Beklagten Ziff. 2 sowie 1/3 der außergerichtlichen Kosten des Beklagten Ziff. 1.

Im Übrigen tragen der Kläger und der Beklagte Ziff. 1 ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann eine Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Der Beklagte Ziff. 1 kann eine Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

V. Die Revision des Klägers wird zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: bis 110.000 EUR.

 

Gründe

A.I. Der Kläger begehrt von den beiden Beklagten als Gesamtschuldnern Schadensersatz und Schmerzensgeld nach einem Sturz von einem Baugerüst.

Der Erstbeklagte, ein Zimmermeister, wurde Anfang Mai 2004 von dem Zeugen G. W. mit Dachsanierungsarbeiten in Form von Zimmerarbeiten und der Gerüsterstellung beauftragt. Den Kläger, einen Spenglermeister, beauftragte der Zeuge W. mit der Lieferung und Montage neuer Dachrinnen.

Im Auftrag des Beklagten Ziff. 1 errichtete der Zweitbeklagte, ein Gerüstbauunternehmer, an der Südseite des ehemaligen Ökonomiegebäudes auf dem Anwesen W. ein "Layher-Blitzgerüst 70S".

Nach Fertigstellung der Arbeiten an der Dachsüdseite wies der Beklagte Ziff. 1 seine Mitarbeiter an, das Gerüst an die Nordseite des Gebäudes zu verlegen. Nach dem Umsetzen des Gerüsts entfernten die Mitarbeiter des Beklagten Ziff. 1 an der Nordseite die schadhafte Dachrinne samt Dachrinnenträgern und führten die erforderlichen Zimmerarbeiten aus. Der Beklagte Ziff. 1 bemerkte, dass an dem Gerüst noch einige Sicherungen fehlten. Gleichwohl informierte er den Kläger am 13.5.2004 per Handy über die Fertigstellung der Zimmerarbeiten und bat ihn um unverzügliche Montage der neuen Dachrinne mit dem Hinweis, die Demontage des Gerüsts sei eilbedürftig, weil es den Verkehr behindere.

Als der Kläger noch am gleichen Tag kurz nach 18.00 Uhr an der Baustelle eintraf, hatten die Arbeiter des Beklagten Ziff. 1 die Baustelle bereits verlassen. Der Kläger lehnte das 6 Meter lange Dachrinnenstück ortgangseitig an das Gerüst, bestieg mit der vor Ort befindlichen systemfreien Anlegeleiter das Gerüst bis zur oberen, etwa auf 4 m Höhe gelegenen Belagfläche und montierte die Dachrinnenhalter. Danach hievte der Kläger die Dachrinne hoch, um sie in die Dachrinnenhalter einzulegen. Während dieses Arbeitsvorgangs geriet er an den Geländerholm. Dieser gab nach und löste sich. Der Kläger verlor das Gleichgewicht und stürzte kopfüber von der oberen Belagfläche ab, wobei er mit dem Kopf auf den Teerbelag de...

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