Dipl.-Psych. Julia Scharnhorst
Zusammenfassung
Laut § 5 Arbeitsschutzgesetz sind Arbeitgeber dazu verpflichtet, die möglichen Gefährdungen, die von der Arbeit ausgehen, zu ermitteln. Dann müssen daraus Maßnahmen des Arbeitsschutzes abgeleitet werden. Diese sog. Gefährdungsbeurteilung soll nicht nur Gefährdungen für die körperliche, sondern auch für die psychische Gesundheit umfassen. Allerdings schreibt der Gesetzgeber nicht vor, wie diese Gefährdungsbeurteilung durchzuführen ist. Daher sind sich viele Arbeitgeber nicht sicher, was sie tun müssen und was sinnvoll ist.
1 Rechtliche Grundlagen zur Beurteilung psychischer Gefährdungen am Arbeitsplatz
Das Arbeitsschutzgesetz zielt darauf ab, Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit durch Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu sichern und zu verbessern (§ 1 ArbSchG). Dabei sollen nicht nur Unfälle bei der Arbeit und arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren verhütet werden, es sollen auch Maßnahmen zur menschengerechten Gestaltung der Arbeit ergriffen werden (§ 2 ArbSchG).
Der Gesetzgeber hat den Unternehmen hier ausdrücklich Pflichten auferlegt (§ 3 ArbSchG):
Zitat
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit beeinflussen. Er hat die Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und erforderlichenfalls sich ändernden Gegebenheiten anzupassen. Dabei hat er eine Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten anzustreben.
Die wichtigsten Vorgaben macht das Arbeitsschutzgesetz in § 5 "Beurteilung der Arbeitsbedingungen":
Zitat
(1) Der Arbeitgeber hat durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind.
(2) Der Arbeitgeber hat die Beurteilung je nach Art der Tätigkeiten vorzunehmen. Bei gleichartigen Arbeitsbedingungen ist die Beurteilung eines Arbeitsplatzes oder einer Tätigkeit ausreichend.
(3) Eine Gefährdung kann sich insbesondere ergeben durch … 6. psychische Belastungen bei der Arbeit.
Erst im Jahr 2013 wurde das Arbeitsschutzgesetz um den Punkt 6 ergänzt, vorher wurden psychische Belastungen nicht speziell genannt.
Der Gesetzestext ist sehr vage gehalten – wie genau jeder Arbeitgeber die Vorgaben umzusetzen hat, wird nicht festgelegt.
Es ist im Gesetz auch nicht festgelegt, dass die psychischen Belastungen gesondert zu beurteilen sind. Vielmehr beinhaltet die Gefährdungsbeurteilung alle mit der Tätigkeit verbundenen Gefährdungen – sowohl die der körperlichen, als auch die der psychischen Gesundheit. Daher muss die Gefährdungsbeurteilung der psychischen Belastung auch nicht unabhängig von der Beurteilung physischer Belastungen organisiert werden. Im besten Fall finden sich beide Aspekte in einem Gesamtprozess wieder. Zumindest sollten die unterschiedlichen Schwerpunkte der Gefährdungsbeurteilung innerhalb des Unternehmens eng verzahnt sein und die gleichen Strukturen und Gremien beteiligt werden.
Lediglich eine Analyse der Arbeitsbedingungen reicht allerdings nicht aus. Der Arbeitgeber ist laut §§ 3 und 5 ArbSchG auch dazu verpflichtet, entsprechende Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu ergreifen und diese auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und ggf. anzupassen.
Auch wenn der Arbeitgeber für die Planung und Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung letztlich verantwortlich ist, muss er sie nicht selbst durchführen. Der Arbeitgeber kann auch "zuverlässige und fachkundige Personen schriftlich damit beauftragen, ihm obliegende Aufgaben nach diesem Gesetz in eigener Verantwortung wahrzunehmen". (§ 13 Abs. 2 ArbSchG).
Mitbestimmungsrecht
Der Betriebs- oder Personalrat hat bei der Organisation und der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung Mitbestimmungsrechte(§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG) und muss vor der Durchführung hinzugezogen werden.
Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) hat in ihrer Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" genauere Festlegungen zur Beurteilung der Arbeitsbedingungen getroffen. So muss z. B. der Arbeitgeber immer dann eine neue Gefährdungsbeurteilung vornehmen, wenn sich die betrieblichen Gegebenheiten hinsichtlich Sicherheit und Gesundheitsschutz verändert haben. Dazu gehören auch neue Gefährdungen der psychischen Gesundheit.
Zu den Aufgaben der Betriebsärzte gehört es, die Arbeitgeber bei der Beurteilung der Arbeitsbedingungen zu beraten (ASiG). Genaueres ist in der DGUV-V 2 festgelegt – hier werden die Einsatzzeiten und die Aufgaben der Betriebsärzte und der Fachkräfte für Arbeitssicherheit definiert.
2 Sinn und Nutzen einer Gefährdungsbeurteilung
Nicht immer ist allen Akteuren im Unternehmen klar, was genau der Sinn einer Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung ist. Ein häufiges Missverständnis ist, dass hier die Mitarbeiter auf Stresssymptome sowie psychische Störungen und Erkrankungen untersucht werden sollen. Dies ist nicht Aufgabe der Arbeitgeber und wäre auch nicht mit dem Datenschutz vereinbar. Psychische Erkrankungen oder auch psychische Belastungen aus dem privaten Leben der Beschäftigten spielen bei der Gefährdungsbeurteilung keine Rolle. ...