Dipl.-Ing. (FH) Burak Türker
Jeder, der ein Managementsystem betreibt (Normdeutsch: aufrechterhält), weiß, dass hierzu teilweise (über-)bürokratisierte Werkzeuge zur Anwendung kommen können. Neben einem Dokumentenmanagementsystem, das automatisiert Revisionsstände von sog. dokumentierten Informationen überwacht, bis hin zu theoretischen, realitätsfremden und sagenumwobenen "Auditdokumenten", die nur ein eingeschränkter Kreis kennt, ist hier alles mit dabei.
Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass mit der Einführung (und schließlich auch dem Betrieb) eines Managementsystems zumindest die Auseinandersetzung mit diversen Umsetzungsvarianten in Bezug auf die Bürokratisierung der zu implementierenden Systeme forciert wird. Salopp gefragt: Managementsystem = wie viel Bürokratie?
Ebenso ist es nachvollziehbar, dass wesentlichen Rollen innerhalb eines Managementsystems eine gewisse Affinität zur Bürokratisierung nachgesagt wird. Dazu zählt insbesondere die Funktion des "Beauftragten der obersten Leitung", welcher im Kapitel 5 der DIN EN ISO 9001 eine überragende Bedeutung zugestanden wird. Außerdem die Funktionen des Qualitätsmanagementbeauftragten (QMB) und des SGA-Managementsystembeauftragten.
Als gefühlten Gegenpol zur Theorie und Bürokratie der Managementsysteme und deren Beauftragten, sind in Betrieben die Praktiker zu suchen, die eine ähnliche, womöglich mehr oder minder (je nach Unternehmenspolitik) gewichtigere Position bekleiden.
Die Fachkräfte für Arbeitssicherheit – nicht zu verwechseln mit den SGA-Managementsystembeauftragten – sind ein integraler Bestandteil eines funktionierenden, modernen und effektiven Unternehmens und besitzen einen sehr starken Praxisbezug.
Eine der Hauptaufgaben eines Managementbeauftragten ist die kontinuierliche Verbesserung der vorliegenden Managementsysteme, wohingegen die Fachkräfte für Arbeitssicherheit das Unternehmen in Belangen der Arbeitssicherheit berät und unterstützt.
Die Praxis zeigt: Fachkräfte für Arbeitssicherheit (Sifas) machen in der Realität häufig mehr als das, wozu sie gesetzlich verpflichtet wären. Die Durchführung von Jahresunterweisungen, die Erstellung von Gefährdungsbeurteilungen oder Betriebsanweisungen sind nur wenige Punkte, die eine Sifa in aller Regel on top erledigt. Und diese Extra-Schritte macht man nur dann, wenn man sich innerlich und persönlich zum fortlaufenden Schutz der Gesundheit und der Arbeitssicherheit von Kolleginnen und Kollegen verpflichtet hat.
Der Fokus der Sifa ist also klar: Menschen schützen – koste es, was es wolle! Wohingegen der Managementbeauftragte an der kontinuierlichen Verbesserung und somit der Leistungssteigerung des Managementsystems interessiert ist – und hier spielen Kosten u. U. keine unwesentliche Rolle.
Bis hierher haben wir also folgende Situation:
- Der Managementbeauftragte ist tendenziell eher bürokratisch und/oder theoretisch organisiert.
- Die Fachkraft für Arbeitssicherheit (Sifa) ist stark praxisorientiert ausgelegt.
Ein wichtiger Grundkonflikt zwischen diesen beiden Funktionen und den entsprechenden Systemen dahinter liegt aber noch über dieser dargestellten Situation: die Legitimationsgrundlage.
Eine Sifa ist gesetzlich gefordert, ein Managementbeauftragter nicht. Wer hat also mehr Rechte? Und vor allem: wie kann man beide Welten sinnvoll miteinander verbinden?