Dipl.-Ing. Cornelia von Quistorp
Nach einem folgenschweren Unfall ist die Unfallursachenermittlung sowie die Klärung der Schuldfrage zunächst vor allem Sache der staatlichen Arbeitsschutzaufsicht, die dabei im Wege der Amtshilfe mit Polizei und Staatsanwaltschaft verbunden ist.
Umfangreiche Ermittlungen
Grundsätzlich ist also davon auszugehen, dass Vertreter aller 3 Behörden nach einem Unfall an betriebliche Verantwortliche bzw. Unfallzeugen herantreten, um Informationen zu Unfallhergang und -ursachen zu ermitteln. Dabei spielt unausweichlich immer die Schuldfrage eine Rolle. Neben den Ermittlungen, die unmittelbar an der Unfallstelle stattfinden (Foto- und technische Dokumentationen, ggf. Beschlagnahme von Geräten, Anlagen oder Materialien zur weiteren Untersuchung), werden dabei auch organisatorische Fragen rund um Sicherheit und Arbeitsschutz mit einbezogen (z. B. Erfüllung der Unterweisungspflicht, Gefährdungsdokumentation usw.).
Ermittlungen nicht behindern
Auf keinen Fall darf der Betrieb die Ermittlungsbehörden in ihrer Arbeit behindern. Betriebliche Vertreter müssen also auf eine gute Zusammenarbeit mit den Ermittlern achten, die bei ihrer Arbeit oft auf die interne Sachkenntnis der Betriebsmitarbeiter angewiesen sind.
Im Hinblick auf die Arbeitsschutzorganisation ist damit zu rechnen, dass alle relevanten Dokumentationen im Rahmen solcher Ermittlungen vorgelegt werden müssen, z. B.
- Gefährdungsbeurteilungen,
- Unterweisungsnachweise,
- Prüfprotokolle,
- mitarbeiterbezogene Qualifikationen wie Führerscheine, Maschineneinweisungen, Arbeitserlaubnisscheine usw.
Jeder, der als Zeuge nach einem Unfall gehört wird, ist grundsätzlich verpflichtet, die Wahrheit zu sagen. Allerdings kann eine Aussage gegenüber den Ermittlern durchaus abgelehnt werden. Das kommt besonders dann infrage, wenn die vor Ort anwesenden Betriebsvertreter nicht tatsächlich zuständig und verantwortlich sind oder sich durch die besondere Situation unmittelbar nach einem schweren Unfall nicht zu einer präzisen und belastbaren Aussage in der Lage sehen. Stellungnahmen und Aussagen können auch zu einem späteren Zeitpunkt gemacht werden.
Auch wer sich nach einem Unfall als möglicher Beschuldigter ansieht, kann die Aussage grundsätzlich verweigern.
Auf Nachfrage kann die Möglichkeit gewährt werden, dass ein Betriebsvertreter bei polizeilichen Vernehmungen von Betriebsangehörigen dabei sein kann. Darauf besteht allerdings kein Anspruch. Auf jeden Fall sollten Namen und Funktionen aller Ermittler sowie ggf. Aktenzeichen o. Ä. genau dokumentiert werden, um später ggf. Rücksprache mit Behörden nehmen zu können.
Außerhalb der strafrechtlich motivierten Ermittlungstätigkeit verwenden die staatlichen Aufsichtsbehörden für die bundesweit einheitliche Analyse tödlicher Unfälle einen normierten Untersuchungsbogen, der durch die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin veröffentlicht ist und auf deren Internetseite auch heruntergeladen werden kann.
Häufig kommt es unmittelbar nach einem Unfall zu sofort wirksamen Auflagen durch die staatliche Arbeitsschutzbehörde (z. B. Stilllegung von gefährlichen Anlagen, Untersagung der Fortführung gefährlicher Tätigkeiten). Selbstverständlich müssen die dazu erforderlichen Maßnahmen durch den Betrieb unmittelbar umgesetzt werden.
Auch die zuständige gesetzliche Unfallversicherung hat ein Interesse an der Unfallanalyse vor Ort. Dabei geht es zunächst um die grundsätzliche Prüfung des Leistungsanspruchs, die bei Arbeitsunfällen im Betrieb oft schnell zu entscheiden ist, aber auch um Unfallursachenanalyse zu Präventionszwecken. Die abschließende rechtliche Würdigung unter dem Aspekt möglicher Regressnahme findet i. d. R. deutlich später statt (ggf. unter Berücksichtigung strafrechtlicher Entscheidungen).
Betriebsinterne Ermittlungen
Wenn möglich sollte der Unfall auch für die innerbetriebliche Aufarbeitung dokumentiert werden. Fotos, stichwortartige Aufzeichnungen von Unfallzeitpunkt, -hergang und Zeugenaussagen erleichtern später die Bearbeitung der Unfallanzeige. Die Dokumentation der behördlichen Ermittlungen ist, wenn überhaupt, oft erst sehr viel später auf dem Dienstweg einsehbar. Interne Auswertungen sind u. U. später nicht mehr uneingeschränkt möglich, weil Anlagen oder Unterlagen beschlagnahmt wurden. Soweit Unfalldokumentationen personenbezogene Informationen enthalten, müssen sie auf jeden Fall auch betriebsintern entsprechend geschützt werden.
Besonders problematisch ist es, wenn es innerhalb des Betriebs (oft ausgelöst durch die im Raum stehende Schuldfrage) zu Interessenskonflikten zwischen Abteilungen oder Verantwortlichen kommt. Dadurch wird eine geregelte Unfallabwicklung sehr erschwert. Wenn es unmittelbar bei der Unfallabwicklung zu Auseinandersetzungen kommt, entscheidet zunächst der für den betroffenen Bereich zuständige Vorgesetzte über die Vorgehensweise, wenn dem nicht besondere Weisungsbefugnisse entgegenstehen, die sich z. B. aus der Arbeitsschutzorganisation des Betriebs ableiten. In solchen besonders kritisc...