Dipl.-Ing. Cornelia von Quistorp
Der Kontakt mit Angehörigen von schwer oder tödlich verletzten Unfallopfern ist für die betrieblichen Verantwortlichen eine hohe Belastung. Dazu trägt nicht nur das große Leid bei, das an dieser Stelle für alle Betroffenen besonders greifbar wird, sondern oft auch die bald im Raum stehende Schuldfrage. Gerade diese kann dazu führen, dass die Kommunikation mit Angehörigen eingeschränkt wird oder auch nur von diesen so erlebt wird ("Die sagen uns ja nichts/nicht alles").
2.5.1 Unfallnachricht überbringen
Viel Zeit bleibt dafür in der akuten Phase nicht, weil die informellen Kommunikationswege im betrieblichen Umfeld oft kurz sind und die Angehörigen nicht zu lange offiziell im Ungewissen bleiben sollten bzw. sich dann ohnehin von sich aus melden. In schweren Fällen ist es sinnvoll, sich mit den Polizei-Vertretern abzustimmen. Diese sind meist als erste vor Ort und haben Erfahrung und oft auch für solche Situationen geschultes Personal.
Verantwortung des Betriebs
Allerdings sollte sich der Betrieb nach Möglichkeit nicht ganz aus der Verantwortung zurückziehen. Schließlich macht die Arbeit einen erheblichen Teil des Lebens der Beschäftigten aus. Daher erwarten diese und auch ihre Angehörigen in Notlagen die Solidarität des Betriebs – und erleben ihr Fehlen als schwere Kränkung! Ungeschickter Umgang mit Angehörigen verursacht nicht nur unnötiges menschliches Leid und Aggressionen, sondern ist für den Betrieb auch Ruf schädigend.
Bei schweren Unfällen kann eine Unfallnachricht nur persönlich überbracht werden, nicht telefonisch. Man muss davon ausgehen, dass Angehörige der Situation nicht alleine gewachsen sind, schon gar nicht, wenn Kinder im betroffenen Haushalt leben.
Möglichst sollte in der ersten Phase keine direkt vom Unfall betroffene Person den Kontakt mit den Angehörigen aufnehmen – auch dann nicht, wenn er oder sie sich eigentlich zuständig fühlt (der enge Kollege, der direkte Chef). Jemand, der selbst unter Schock steht, ist in diesem Moment nicht geeignet, Schreck und Verzweiflung der Angehörigen aufzunehmen. Auf jeden Fall sollte eine vertrauenswürdige Person mit entsprechenden menschlichen Qualitäten und Lebenserfahrung diese Funktion (ggf. mit der Polizei) übernehmen.
Wichtig ist auch in der Folgezeit, dass sich die infrage kommenden Unternehmensvertreter darüber abstimmen, wer geeignet ist, den Kontakt zu den Angehörigen weiterzuführen. Im günstigen Fall kann das später auf kollegialer Ebene erfolgen, aber auch rechtliche Auseinandersetzungen zwischen Betrieb und Angehörigen sind häufig und bedürfen dann einer angemessenen Kommunikationsstrategie.
2.5.2 Angehörige am Unfallort
Wenn sich der Rettungseinsatz am Unfallort lange hinzieht, weil z. B. Personen vermisst werden, ist damit zu rechnen, dass Angehörige am Unfallort erscheinen, wo die Rettungsarbeiten u. U. noch in ihrer heißen Phase sind. Solche kritischen Situationen sollten von der Einsatzleitung in Abstimmung mit Polizei und Rettungsdiensten bewältigt werden. Sie entscheidet z. B. auch über die Informationsweitergabe an Angehörige. Nach Möglichkeit sollte ein geeigneter Raum zur Verfügung gestellt werden. Hier können sich Angehörige geschützt vor der Öffentlichkeit aufhalten, denen nicht zuzumuten ist, nach Hause zu gehen.