Im Zusammenhang mit arbeitsbedingten psychischen Belastungen werden zentrale Begriffe uneinheitlich verwendet oder sind ungenau. Fachkräfte für Arbeitssicherheit sollten jedoch von wissenschaftlich abgesicherten Begriffen und Modellen ausgehen.

 
Wichtig

Wissenschaft für die Praxis

Bei der Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen zu psychischen Belastungen empfiehlt es sich grundsätzlich, von wissenschaftlich anerkannten Verfahren auszugehen. Die Ergebnisse selbstverfasster Befragungen könnten schnell in eine Richtung interpretiert oder entkräftet werden.

2.1 Belastungen und Beanspruchungen

Nach der DIN EN ISO 10075-1:2000 ist die psychische Belastung die "Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken"; psychische Beanspruchung ist "die unmittelbare (nicht die langfristige) Auswirkung der psychischen Belastung im Individuum in Abhängigkeit von seinen jeweiligen überdauernden und augenblicklichen Voraussetzungen, einschließlich der individuellen Bewältigungsstrategien".[1]

Beide Begriffe sind wertneutral, auch wenn umgangssprachlich damit eher etwas Negatives in Verbindung gebracht wird.

In der betrieblichen Kommunikation sollten Fachkräfte für Arbeitssicherheit v. a. darauf achten, sorgfältig zwischen arbeitsbedingten psychischen Belastungen und psychischen Erkrankungen zu unterscheiden. Dies kann sonst zu einer Stigmatisierung der betroffenen Mitarbeiter führen und der Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen im Wege stehen.

 
Wichtig

Ermittlung von Belastungen

In § 5 ArbSchG ist ausdrücklich von einer "Beurteilung der Arbeitsbedingungen" die Rede. Das bedeutet konkret: Fachkraft für Arbeitssicherheit und Betriebsarzt haben die Aufgabe, psychische Belastungen – und nicht Beanspruchungen – zu ermitteln. Gerade in größeren Unternehmen bietet es sich außerdem an, Arbeits- und Organisationspsychologen, Sozialberatung oder Verantwortliche im Betrieblichen Gesundheitsmanagement anzusprechen.

[1] DIN EN ISO 10075-1:2000: Ergonomische Grundlagen bezüglich psychischer Belastung – Teil 1: Allgemeines und Begriffe; Bezug unter: www.beuth.de.

2.2 Dreiebenenmodell psychischer Belastungen im Betrieb

Psychische Belastungen resultieren nicht nur aus den Anforderungen in der Arbeitswelt, sondern haben auch gesellschaftliche bzw. private Ursachen, die von Fachkräften für Arbeitssicherheit und Betriebsärzten nicht untersucht und beeinflusst werden können. Abb. 1 verdeutlicht dieses komplexe Beziehungsgeflecht.

Abb. 1: Dreiebenenmodell zur Visualisierung psychischer Belastungsfaktoren[1]

 
Wichtig

Komplexe Wechselwirkungen

Psychische Erkrankungen gehören ebenso wie körperliche Erkrankungen zum Leben: Nach Angaben der Bundespsychotherapeutenkammer erkrankt jeder dritte Erwachsene innerhalb eines Jahres daran. Die psychische Erkrankung lässt aber keine direkten Rückschlüsse auf seine Arbeitsbedingungen zu. Dazu sind die Wechselwirkungen zwischen Arbeitstätigkeit, gesellschaftlichem Umfeld und privaten Gegebenheiten viel zu komplex.

[1] Quelle: Windemuth/Jung/Petermann: Das Dreiebenenmodell psychischer Belastungen im Betrieb, in: Windemuth u. a. (Hrsg.), Praxishandbuch psychische Belastungen im Beruf, 2009, S. 14.

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