4.1 Kooperation mit dem Betriebsarzt

Die Rolle der Fachkraft für Arbeitssicherheit bei der Beurteilung von Arbeitsbedingungen ist untrennbar mit der Rolle des Betriebsarztes verbunden: Es gehört zu ihren gemeinsamen Aufgaben, den Arbeitgeber bei der Gefährdungsbeurteilung zu beraten und zu unterstützen. Diese Leistung gehört nach DGUV-V 2 zur Grundbetreuung.

Im Hinblick auf Gefährdungsbeurteilungen nehmen Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Betriebsarzt einen Unterstützungs- und Betreuungsauftrag wahr. Ihre gemeinsamen Aufgaben umfassen i. W. die 3 folgenden Tätigkeitsbereiche[1]:

  1. Unterstützung bei der Entwicklung und Einführung eines betrieblichen Gesamtkonzeptes zur Beurteilung der Arbeitsbedingungen (z. B. Beratung des Arbeitgebers bei der Organisation der Gefährdungsbeurteilung, Qualifizierung der Führungskräfte, Information und Sensibilisierung);
  2. Unterstützung bei der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung (z. B. Anwendung aktueller Erkenntnisse aus der Arbeitsmedizin und Sicherheitstechnik bei der Gefährdungsermittlung, Ableitung von Maßnahmen);
  3. Qualitätssicherung der Gefährdungsbeurteilung und Entwicklung von Verbesserungsmaßnahmen.

Neben der Grundbetreuung ist in der DGUV-V 2 die betriebsspezifische Betreuung vorgesehen. Diese trägt den speziellen Erfordernissen eines Unternehmens Rechnung. Anhang 4 DGUV-V 2 beschreibt die Aufgabenfelder, die zu berücksichtigen sind, sowie die Auslöse- und Aufwandkriterien und Leistungen, die nach §§ 3 und 6 Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) ergänzend zur Grundbetreuung betriebsspezifisch erforderlich sein können. Insgesamt umfasst die betriebsspezifische Betreuung 4 Bereiche mit 16 Aufgabenfeldern. Die folgenden Beispiele zeigen, dass psychische Belastungen auch in der betriebsspezifischen Betreuung zu berücksichtigen sind (vgl. Anhang 4 DGUV-V 2):

  • Pkt. 1.3: Arbeitsaufgaben und Arbeitsorganisation mit besonderen Risiken,
  • Pkt. 1.6: Sicherheit und Gesundheit unter Bedingungen des demografischen Wandels,
  • Pkt. 1.7: Arbeitsgestaltung zur Vermeidung arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren, Erhalt der individuellen gesundheitlichen Ressourcen im Zusammenhang mit der Arbeit.

Die Entscheidung, ob Betriebsärzte einbezogen werden, ist keine Einzelfallentscheidung: Die DGUV-V 2 verpflichtet Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Betriebsärzte zur engen Zusammenarbeit.

Wichtiger als die Frage, ob die Fachkraft für Arbeitssicherheit oder der Betriebsarzt die Gefährdungsbeurteilung arbeitsbedingter psychischer Belastungen maßgeblich steuert, ist die Tatsache, dass die Gefährdungsbeurteilungen überhaupt regelmäßig in den Unternehmen durchgeführt und dokumentiert werden (und die geforderten präventiven Maßnahmen auch umgesetzt werden).

 
Achtung

Was die Fachkraft nicht leisten soll

Die Rolle und die Aufgaben der Fachkraft für Arbeitssicherheit bei der Beurteilung von arbeitsbedingten psychischen Belastungen hat klare Grenzen: Die Fachkraft für Arbeitssicherheit kann Arbeitsprozesse oder Abläufe in einzelnen Unternehmensbereichen oder Abteilungen systematisch untersuchen – sie kann aber nicht eine psychoanalytische Diagnostik einzelner Mitarbeiter durchführen.[2]

[1] Vgl. Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (Hrsg.), DGUV Vorschrift 2 – Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit. Hintergrundinformationen für die Beratungspraxis, 2. Aufl. 2012, S. 27 f.
[2] Vgl. Laugwitz u. a.: In fünf Schritten zum Ergebnis, in: VDSI aktuell 5/2013, S. 11.

4.2 Einbindung in betriebliche Strukturen

Zur Aufgabe der Fachkraft für Arbeitssicherheit gehört auch, darauf hinzuwirken, dass Gefährdungsbeurteilungen von psychischen Belastungen in bereits vorhandene betriebliche Strukturen, wie den Arbeitsschutzausschuss (ASA), das Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) oder das Arbeitsschutzmanagementsystem (AMS nach ISO 45001), eingebunden werden. Nach den Ergebnissen der Sifa-Langzeitstudie fördert die Berücksichtigung von psychischen Faktoren im AMS die Wirksamkeit der Fachkräfte für Arbeitssicherheit.[1]

Die Einbettung in betriebliche Strukturen ist auch deshalb empfehlenswert, weil eine "Einzelkämpfermentalität" einer umfassenden Beurteilung arbeitsbedingter psychischer Belastungen entgegensteht. Vielmehr sollten alle Fachleute, die im Arbeits- und Gesundheitsschutz tätig sind, mit ihrem speziellen Wissen zur Bewältigung dieser Aufgabe beitragen.

 
Achtung

Betriebliche Verantwortlichkeiten

Die Einbindung in betriebliche Strukturen darf nicht den Blick darauf verstellen, dass der Arbeitgeber nach §§ 5 und 6 ArbSchG für die Durchführung und Dokumentation von Gefährdungsbeurteilungen zuständig ist.

[1] Vgl. Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), Prävention wirksam gestalten – Erkenntnisse aus der Sifa-Langzeitstudie (= DGUV Report 3/2013), 2013, S. 19.

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