Viktoria Bergmann, Dr. Gudrun L. Töpfer
Zusammenfassung
Der Beitrag enthält grundlegende Informationen darüber, wie psychische Belastungen und Beanspruchungen am Arbeitsplatz zusammenhängen und welche Auswirkungen diese Beanspruchungen für den einzelnen Menschen haben können. Zudem werden diejenigen Planungsaspekte einer Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen betrachtet, die entscheidend zum Gelingen des Projektes beitragen können. Des Weiteren werden die Rollen der wichtigsten Akteure geklärt und Sie finden Tipps zur Auswahl eines geeigneten Erhebungsinstrumentes. Schließlich werden Hinweise gegeben, wie man Transparenz schaffen und somit eventuelle Widerstände in der Belegschaft vermeiden, bzw. abbauen kann.
§ 4 Nr. 1 ArbSchG fordert: "Die Arbeit ist so zu gestalten, dass eine Gefährdung für […] die psychische Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird."
Seit 2013 müssen alle Unternehmen eine Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen ihrer Arbeitsplätze durchführen: Das "Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) verpflichtet Betriebe zur Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung (Gefährdungsbeurteilung)" (§ 5 Abs. 1 ArbSchG). Die Norm DIN EN ISO 10075 (Teile 1–3) dient der Arbeitswelt dabei als Verständigungsgrundlage. Hier werden der Prozess der Beurteilung und die verschiedenen Faktoren, die eine psychische Beanspruchung darstellen, genauer beschrieben. Bis 2013 mussten nur Unternehmen mit mehr als 10 Mitarbeitern solch eine psychische Gefährdungsbeurteilung durchführen und dokumentieren. Ende Juni 2013 wurde allerdings die Streichung der Ausnahme der Dokumentationspflicht (§ 6 ArbSchG) für Kleinbetriebe mit nicht mehr als 10 Beschäftigten beschlossen. Bei der psychischen Gefährdungsbeurteilung werden nicht die Mitarbeiter bewertet, sondern die einzelnen Arbeitsplätze. Das ArbSchG sagt hier, dass "Arbeitsplätze, an denen gleichartige Arbeitsbedingungen vorliegen, zusammengefasst werden können, wodurch die Beurteilung nur eines Arbeitsplatzes oder einer Arbeitstätigkeit ausreicht." Eine sinnvolle Zusammenfassung von mehreren Tätigkeiten zu einem einzelnen Arbeitsplatz oder einer Jobfamilie erspart in der Praxis an Aufwand.
Darüber hinaus hat die Berücksichtigung psychischer Belastung bei der Gefährdungsbeurteilung auch Eingang in zahlreiche weitere Regeln und Normen gefunden (z. B. ArbStättV, BetrSichV, BioStoffV, DGUV-V 1). An der Weiterentwicklung des Regel- und Normenwerkes zur weiteren Vereinheitlichung von Definition und Verwendung zentraler Begriffe sowie in Bezug auf Anforderungen an die Gefährdungsermittlung und -beurteilung wird gearbeitet, u. a. von der GDA (Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie).
1 Belastungen – psychologische und soziopsychologische Zusammenhänge
Belastung kann bei der Arbeit durch die Arbeitsaufgabe an sich, die Arbeitsbedingungen, Organisationsfaktoren oder auch gesellschaftliche und soziale Faktoren entstehen.
Relevant sind Belastungen aber erst, wenn durch sie Beeinträchtigungen der Gesundheit hervorgerufen werden können. Dies kann sich dadurch äußern, dass
- Arbeitsprozesse nicht gut gestaltet sind,
- der Arbeitsablauf häufig durch Störungen unterbrochen wird oder
- es kaum eine bzw. keine Möglichkeit gibt, sich mit den Kollegen und Vorgesetzten auszutauschen oder Unterstützung zu erhalten.
All diese Belastungen wirken auf den Mitarbeiter.
Jeder Mitarbeiter unterscheidet sich von den anderen
Jeder hat eine andere Vorbelastung, die sich aus seiner gesundheitlichen Verfassung, Vorerfahrung, Qualifikation und auch Motivation zusammensetzt.
Psychische Belastungen können zu einer positiven Beanspruchung des Mitarbeiters führen. Er kann motivierter und aktivierter reagieren und durch die höhere Beanspruchung bessere Leistung erbringen. Neben seiner Leistung steigt seine Kompetenz, seine Zufriedenheit und im besten Fall trägt es positiv zu seiner Gesundheit bei.
Psychische Belastungen führen aber auch zu negativen Beanspruchungen. Über- und Unterforderung kann hier ein Beispiel sein. Ebenso können auch die folgenden 4 Dimensionen Folgen von psychischen Belastungen sein:
- Stress,
- Monotonie,
- psychische Sättigung und
- psychische Ermüdung.
Folge all dieser negativen Beanspruchung kann Leistungsminderung sein sowie eine gesteigerte Fehlerhäufigkeit, vermehrte Arbeitsunfälle oder mehr Ausfalltage des Mitarbeiters.
Abb. 1: Zusammenhänge der psychologischen und soziopsychologischen Aspekte
2 Was ist im Vorfeld zu beachten, wenn ich eine Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen plane?
Die Psyche eines Menschen ist ein sehr heikles und ein extrem persönliches Thema. Deshalb gilt es schon im Vorfeld einer Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen, einige elementare Punkte zu beachten.
2.1 Transparenz im Vorfeld einer Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen
Häufig kommt es vor, dass Mitarbeiter einer Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen eher skeptisch gegenüberstehen. Hinter solchen Sätzen wie "Das geht meinen Arbeitgeber doch gar nichts an, was in meinem Kopf vor sich geht" steckt das Unbehagen und die Angst, dass der Arbeitgeber sich in so etwas Persönliches wie die eigene Psyche "einmischen" möchte.
Nur die psychischen Bela...