Dipl.-Ing. Matthias Glawe
Die Wirkung des elektrischen Stroms auf den Menschen hängt ab vom Weg des Stroms im Körper, von der Stromart und -stärke, von der Einwirkdauer und von der Frequenz.
Strom und Spannung sind über den Widerstand (Ohm'sches Gesetz) verknüpft. Die entscheidenden Widerstände sind die Übergangswiderstände (an Stromeintritts- und Stromaustrittsstellen), die Körperinnenwiderstände (der jeweiligen Strombahn) und die Leitungswiderstände (des äußeren Kreises).
Der Körperwiderstand des Menschen schwankt in sehr weiten Bereichen. Er ist vor allem von den beiden Größen Körperbau und Hautbeschaffenheit abhängig. Bei sehr kleinen Spannungen ist die Hautbeschaffenheit besonders wichtig, da die Haut als Isolator wirkt. Bei größeren Spannungen wird die Haut durchschlagen, wobei dann nur noch der innere Körperwiderstand maßgebend ist. Der Isolationsdurchschlag der Haut beginnt je nach Hautbeschaffenheit bei etwa 20 V (Minimalwert) und liegt bei horniger Haut bei etwa 200 V. Die akute Lebensgefahr wird bei kleineren Stromstärken durch den Herzstrom bestimmt. Bei Wechselstrom verkrampfen Muskeln schon bei geringen Stromstärken ab etwa 10/1.000 Ampere = 0,01 A = 10 mA. Verkrampfungen der Atemmuskulatur treten ab ca. 20 mA auf und Herzkammerflimmern bei ca. 80 mA, wenn die Einwirkungsdauer länger als 1 s ist.
Eine elektrische Gefährdung liegt vor, wenn
- durch das Arbeitsmittel oder durch die Arbeiten aktive Teile direkt berührt oder unterschiedliche Potenziale überbrückt werden können und
- die Spannung zwischen einem aktiven Teil und Erde oder die Spannung zwischen aktiven Teilen höher als 25 V Wechselspannung (Effektivwert) oder 60 V Gleichspannung (oberschwingungsfrei) ist und
- der Kurzschlussstrom an der Arbeitsstelle größer 3 mA Wechselstrom (Effektivwert) oder 12 mA Gleichstrom und
- die Energie mehr als 350 mJ beträgt.
Eine Gefährdung liegt auch dann vor, wenn diese Werte im Normalbetrieb eingehalten, aber beim Auftreten eines Fehlers überschritten werden.
Ferner liegt eine elektrische Gefährdung vor, wenn bei Annäherung an direkt berührbare aktive Teile die in der Tab. 2 angegebenen Schutzabstände Dv unterschritten werden.
Nennspannung UN (Effektivwert) [kV] |
Äußere Grenze der Annäherungszone Dv (Schutzabstand in Luft) [m] |
bis 1 |
1,0 |
über 1 bis 110 |
3,0 |
über 110 bis 220 |
4,0 |
über 220 bis 380 |
5,0 |
Tab. 2: Annährungszone Dv in Abhängigkeit der Nennspannung
Weitere Werte, die bei der Einschätzung des Risikos hilfreich sein können, sind in Normen bzw. VDE-Bestimmungen enthalten. So gilt z. B. nach DIN VDE 0100-410, dass bei über 50 V Wechselspannung und 120 V Gleichspannung Schutz gegen elektrischen Schlag erforderlich ist. Die Stromgrenzen liegen bei 3 mA effektivem Wechselstrom oder bei 12 mA Gleichstrom (Welligkeit < 10 %) als Maximalstrom bei 2 kW induktionsfreiem Widerstand.
Elektrische Betriebsmittel mit einer Nennspannung zwischen 50 und 1.000 V für Wechselstrom und zwischen 75 und 1.500 V für Gleichstrom müssen den Sicherheitsgrundsätzen der 1. Verordnung zum Geräte- und Produktsicherheitsgesetz entsprechend beschaffen sein.
Hinsichtlich der Frequenz liegt eine Gefährdung zwischen 0 Hz (Gleichstrom) und 400 Hz vor (Abb. 1). Das Maximum liegt bei 50 bis 60 Hz. Ab 400 Hz (500 Hz) nimmt die Gefährdung mit steigender Frequenz stark ab. Spannungen mit höheren Frequenzen werden z. B. für Heilzwecke eingesetzt (Reizstromtherapie (Lähmungsbehandlungen): 10 kHz, Diathermie (Wärmewirkungen im Körper): 500 kHz, Kurzwellenbehandlung: 10 MHz, Mikrowellenbehandlung: 300 MHz).
Abb. 1: Zulässige Berührungsspannung in Abhängigkeit von der Frequenz