2.1 Vor- und Nachteile von Homeoffice
Die Corona-Pandemie führte dazu, dass viele Arbeitnehmer vom einen auf den anderen Tag ins Vollzeit-Homeoffice geschickt wurden. So arbeiten auch heute noch wesentlich mehr Arbeitnehmer von zu Hause aus als jemals zuvor. Die arbeitspsychologische Forschung gelangte durch diese außergewöhnliche Phase zu vielen spannenden neuen Erkenntnissen. Das Arbeiten von zu Hause geht einher mit einigen Vorteilen für die Arbeitnehmer. Häufig genannt werden hier beispielsweise ein Zugewinn an Zeit durch den Wegfall von Pendelzeiten, die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die flexiblere Gestaltung der Arbeitszeiten oder das produktivere Arbeiten durch erleichterte Konzentrationsphasen. Gleichzeitig werden oft auch Nachteile mit der Homeoffice-Tätigkeit in Verbindung gebracht. Beispielsweise der fehlende Kontakt mit Kollegen, der eine Abstimmung erschwert und zu Informationsdefiziten führen kann. Außerdem können die Grenzen zwischen Beruf und Privatleben verschwimmen und der Zugang zu Unterlagen/Akten/sonstigen Arbeitsmaterialien kann erschwert sein.
Eine aktuelle Studie von Wang und Kollegen (2021) identifiziert Prokrastination ("Aufschieberitis") als eine zusätzliche Herausforderung für im Homeoffice Arbeitende. Auch ein fehlender (zurückgezogener, gut ausgestatteter) Arbeitsplatz und körperliche Beschwerden treten insbesondere jetzt in den Vordergrund, wo klar ist, dass die Arbeit von zu Hause nicht nur kurzfristig und unmittelbar begrenzt ist.
Selbstverständlich ist nicht ein Tag wie der andere und für jeden kurz- oder langfristig im Homeoffice Arbeitenden gibt es Tage, an denen man das Arbeiten von zu Hause mehr oder weniger genießt, und Tage, an denen man mehr oder weniger damit hadert.
Darüber hinaus liegt die Annahme nahe, dass sich Personen mit Segmentierungspräferenz mit dem Vermischen der Lebensbereiche im Homeoffice schwerer tun als Personen, die von Haus aus eine Integration von Beruf und Privatleben präferieren. Während Integrierer durch das Arbeiten von zu Hause häufiger von einer verbesserten Work-Life-/Life-Work-Balance berichten sollten, sollten Segmentierer häufiger das Gefühl haben, dass der eine Lebensbereich den anderen negativ beeinflusst und die jeweiligen Rollenanforderungen behindert.
Was für den einen ein klarer Vorteil ist, kann vom anderen als Nachteil empfunden werden. Ob die Vor- oder die Nachteile der Homeoffice-Tätigkeit überwiegen, hängt also von verschiedenen individuellen Präferenzen, Rahmenbedingungen, Einstellungen und Kompetenzen ab.
Nicht nur die Präferenz zu segmentieren oder zu integrieren, sondern auch die individuelle Selbstführungskompetenz beeinflusst, ob und in welchen Situationen für den einzelnen Arbeitnehmenden die Vor- oder Nachteile im Homeoffice überwiegen.
2.2 Selbstführung als Schlüsselkompetenz
Ein Überbleibsel der Corona-Pandemie ist in vielen Bereichen der Wunsch, die Möglichkeit zu haben, von zu Hause aus zu arbeiten. Doch nicht für jeden Arbeitnehmer ist Homeoffice gleichermaßen attraktiv. Wo manche am liebsten 100 % von zu Hause aus arbeiten würden, tun sich andere Arbeitnehmer schwer mit dem Homeoffice und kommen lieber 5 Tage die Woche ins Büro. Aus der arbeitspsychologischen Forschung ist bekannt, dass bei Homeoffice-Tätigkeit die individuellen Selbstführungskompetenzen mehr in den Vordergrund rücken. Auch aktuelle Studien zeigen, dass Selbstdisziplin ein wichtiger Einflussfaktor dieses Zusammenhangs ist: Die individuelle Selbstführungskompetenz polarisiert also in Bezug darauf, ob man von der Arbeit von zu Hause profitiert und die Vorteile überwiegen oder ob das Homeoffice einem nach wie vor eher schwerfällt.
Das klassische stationäre Arbeiten im Büro gibt gewisse Rahmenbedingungen vor und schafft Struktur. Diese gilt es in flexiblen Arbeitsmodellen zu ersetzen und sich selbst zu schaffen. Das wiederum fordert unsere individuelle Selbstführungskompetenz. Doch wie genau funktioniert Selbstführung? Es lassen sich 4 Strategiegruppen unterscheiden, die im Folgenden genauer vorgestellt werden sollen.