Die aktuelle große Präventionskampagne der DGUV lautet "Kommmitmensch". Gemeint ist mit diesem Slogan, dass wirklich alle Mitarbeiter eines Unternehmens beteiligt werden müssen, um das Ziel des unfallfreien und gesunden Betriebs zu erreichen. Warum wurde dieses Ziel ausgegeben? In modernen Gesellschaften nimmt die Individualisierung immer mehr zu. Dementsprechend werden die Interessen, Wünsche, Kompetenzen und Identitäten der Mitarbeiter für die Gestaltung der Arbeitsprozesse und der Unternehmenskultur zunehmend bedeutsamer.
Die Unternehmer müssen dem Individualisierungstrend verstärkt Rechnung tragen, u. a. indem sie in den Betrieben eine größere Partizipation der Angestellten zulassen und ihre Mitarbeiter noch intensiver als bislang als Motoren für mehr Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit einsetzen. Die Individualisierung im Zusammenspiel mit der zunehmenden Bildung und beruflichen Qualifikation der einzelnen Mitarbeiter verstärkt bei den Beschäftigten wiederum die Forderung nach Mitsprache bei allen relevanten Unternehmensprozessen. Arbeitnehmer wollen ihre Interessen einbringen, verlangen mehr Transparenz und Unternehmensdemokratie. Dies gilt besonders auch für die besonders wichtigen Themen der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes.
Arbeitsschutzexperten sprechen vom "beteiligungsorientierten Arbeitsschutz" und meinen damit, dass einschlägige Maßnahmen nicht mehr allein von den Führungsebenen bestimmt werden, sondern dass sie im Rahmen von allen Mitarbeitern zugänglichen oder zumindest für sie transparenten Prozessen gemeinschaftlich geplant und umgesetzt werden. Nur so kann eine von allen Beschäftigten akzeptierte Sicherheitskultur etabliert werden. Ein wichtiger Meilenstein für die Umsetzung der Beteiligung am Arbeits- und Gesundheitsschutz im Unternehmen ist z. B. der Arbeitsschutzausschuss (ASA).
Aufgrund dieser Konstellation sind die Mitarbeiter von besonderer Bedeutung, die zwischen der Unternehmensleitung bzw. den Führungsetagen einerseits sowie den Mitarbeitern andererseits vermitteln und moderieren können. Dabei handelt es sich v. a. um die Sicherheitsbeauftragten. Denn es gibt kaum andere Personen im Unternehmen, denen der Arbeitsalltag der Kollegen vor Ort so vertraut ist. Sicherheitsbeauftragte kennen die Arbeitsbedingungen aus eigener Erfahrung und können nachvollziehen, warum Beschäftigte einerseits mit bestimmten ungelösten Sicherheitsproblemen unzufrieden sind, andererseits aber Vorschriften nicht einhalten, Sicherheitsmaßnahmen umgehen oder ihre Persönliche Schutzausrüstung (PSA) nicht tragen. Zudem sind sie die vorrangigen Ansprechpartner für die Fachkräfte für Arbeitssicherheit und die Betriebsärzte.
Dem Sicherheitsbeauftragten kommt eine Schlüsselrolle bei der Umsetzung der Mitarbeiterbeteiligung zu. In ihrem Handbuch "Sicherheitsbeauftragte" bezeichnen die Autoren die Sicherheitsbeauftragten daher als Relaisstation zwischen den unterschiedlichen Akteuren im Unternehmen. Soll diese Zusammenarbeit fortgesetzt und möglichst noch verbessert werden, ist eine Entwicklung hin zum Beauftragten für Sicherheit und Gesundheit dringend zu empfehlen. Ansonsten entsteht eine Lücke, der Kontakt bricht ab und eine erfolgreiche Mitarbeiterbeteiligung ist nicht mehr möglich.
Im Rahmen der modernen Unternehmenskultur mit seinem beteiligungsorientierten Arbeits- und Gesundheitsschutz bedeutet dies auch, dass Sicherheitsbeauftragte zugleich auch Interessenvertretung sind: Mit ihrer räumlichen, zeitlichen und tätigkeitsbezogenen Nähe zu den anderen Beschäftigten ist es auch aus diesem Grund sinnvoll, Sicherheitsbeauftragte noch viel stärker als bislang als wichtige Akteure in einem beteiligungsorientierten Arbeits- und Gesundheitsschutz zu positionieren. Es spricht also viel dafür, dass sie über die gesetzlich verankerten Aufgaben hinaus für gute und gesunde Arbeit engagiert sind.
Dass die Sicherheitsbeauftragten genau dies wünschen, zeigt eine Umfrage bei 1.643 Sicherheitsbeauftragten in deutschen Unternehmen aus dem Jahr 2012 Nur rund die Hälfte aller Befragten fühlte sich im eigenen Unternehmen bezüglich des Arbeits- und Gesundheitsschutzes gut eingebunden, rund 80 % der Befragten wünschten sich "unbedingt" eine (noch) bessere Einbindung.
Betriebs- und Personalräte
In Bezug auf die Rolle der Sicherheitsbeauftragten bei der Mitarbeiterbeteiligung im Unternehmen ist auch deren Nähe zu den Betriebs- und Personalräten zu beachten. Zum einen sind die Personalvertretungen stets bei der Bestellung von Sicherheitsbeauftragten beteiligt – sehr oft schlagen sie auch einen geeigneten Kandidaten vor. Zum anderen sind, wie die oben zitierte Umfrage aus dem Jahr 2012 aufzeigt, über 20 % der Sicherheitsbeauftragten in "mittleren Unternehmen" auch gleichzeitig Mitglieder der Betriebs- und Personalräte. Es handelt sich dabei also um eine Doppelfunktion, die, wie Siegmann und von Kiparski es formulieren, "interessante Perspektiven eröffnet".
In jedem Fall können Sicherheitsbeauftragte niemals gegen ...