Ein Arbeitsschutzmanagement will die Realität der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes in einem Unternehmen verändern. Dafür müssen vor allem Strukturen und Verhaltensweisen nachhaltig verändert werden. Erfolgreich ist die Realisierung eines AMS erst dann, wenn die neuen Strukturen und Abläufe angenommen werden (also als praktikabel empfunden und gelebt werden) und die Veränderungen im Verhalten der Arbeitsschutzakteure stabil sind. Davon kann erfahrungsgemäß nach der Einführung nur bedingt ausgegangen werden.
Bei der Einführung eines AMS stehen zunächst strukturelle Aspekte im Vordergrund: Die betrieblichen Aktivitäten für die Arbeitssicherheit und den Gesundheitsschutz erhalten durch die Arbeitsschutzpolitik und die Arbeitsschutzziele eine erkennbare und i. d. R. auch akzeptierte Ausrichtung, Strukturen (insbesondere die Arbeitsschutzorganisation) werden überprüft und bei Bedarf verbessert, Zuständigkeiten geklärt, festgeschrieben und bekannt gemacht. Betriebliche Prozesse werden unter dem Blickwinkel der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes analysiert und Arbeitsschutzbelange in die Festlegungen zu diesen Prozessen (z. B. Verfahrensanweisungen) integriert.
Diese strukturellen Veränderungen sollen auch das Verhalten der Arbeitsschutzakteure ändern mit dem Ziel, dass z. B.
- Führungskräfte ihre Führungsaufgabe Sicherheit und Gesundheitsschutz stärker wahrnehmen,
- der Stellenwert verhaltensbedingter Faktoren (Unfallursachen und Präventionsmaßnahmen) zunimmt,
- auch für den Arbeitsschutz Ziele vereinbart werden,
- das Engagement für Sicherheit und Gesundheitsschutz bewertet wird,
- die Mitarbeiter ihre Verantwortung für die eigene Gesundheit erkennen und mehr Einflussmöglichkeiten (Mitwirkungsmöglichkeiten) erhalten und wahrnehmen,
- das Prinzip des kontinuierlichen Verbesserns in kleinen Schritten auch im Arbeitsschutz praktiziert wird.
Für stabile Veränderungen im Verhaltensbereich reicht der Einfluss der neuen Strukturen aber nicht aus. Spätestens zum Ende der Einführungsphase sollten deshalb Maßnahmen zur gezielten Verhaltensmodifikation initiiert und soweit möglich realisiert werden (z. B. Informationsveranstaltungen, Management-Workshops, Führungskräftetrainings, Moderationsausbildung, Feedback-Gespräche). Solche Maßnahmen helfen dann auch, die kritische Phase des Übergangs von der Einführung des AMS zu dessen Normalbetrieb zu bewältigen.
Die kritische Phase des Übergangs lässt sich wie folgt erklären:
- das Ende des Projektes wird leicht gleichgesetzt mit Thema abgeschlossen. Die Aufmerksamkeit für das Arbeitsschutzmanagement lässt dann nach;
- mit Abschluss des Einführungsprojekts zeigt das obere Management (verständlicherweise) nicht mehr so viel Interesse am Arbeitsschutzmanagement. Das wird leicht als kein Interesse mehr oder Thema abgehakt interpretiert;
- die Führungskräfte müssen nun den Arbeitsschutz mit ihren Mitarbeitern entsprechend den erarbeiteten und mit ihnen abgestimmten Festle gungen eigenständig umsetzen. Die Praxis zeigt, hier werden gerne Abstriche gemacht, vor allem wenn die Zustimmung zuvor nur halbherzig erfolgte oder den Führungskräften durch die Dominanz ihrer operativen Aufgaben (insbesondere das Tagesgeschäft) in der Einführungsphase die Sensibilität für strategische Fragestellungen fehlt;
- in vielen Unternehmen wird der Grundsatz Eine Entscheidung gilt und vereinbarte Maßnahmen sind umzusetzen, solange keine neue Entscheidung getroffen wird nicht gelebt;
- die Verhaltensveränderungen sind noch nicht stabil. Deshalb kehren leicht wieder alte Gewohnheiten zurück,
- die anfängliche Euphorie lässt (logischerweise) nach und macht einer kritischen Haltung Platz.