Ein 21-jähriger Betriebsstudent eines mittelständischen Unternehmens, der im Besitz eines Führerscheins und eines Gabelstapler-Scheins war, fuhr am Morgen, ohne einen Brems- oder Ausweichversuch zu unternehmen, mit seinem Arbeitsgerät in ein geschlossenes Alu-Rolltor. Durch den Aufprall wurde die zentnerschwere Ladung über ihn hinweg geschleudert, sodass nur Sachschaden entstand. Der Mann wirkte nach dem Unfall (wie üblich)sehr fahrig und hyperaktiv, als ihn Fachkräfte für Arbeitssicherheit befragten, was aber nicht ungewöhnlich für ihn war. Auch eine gewisse verbale Aggressivität war feststellbar. Die internen Ermittlungen ergaben, dass der Werkstudent seit Jahren mit dem Medikament RITALIN® behandelt wurde und in der Freizeit außerdem andere illegale Drogen konsumiert hatte. Zudem hatte er in der Nacht vor dem Vorfall nach eigenen Angaben nicht geschlafen.
Der Mann war seinen Vorgesetzten schon vor dem Vorfall aufgefallen, weil er häufig unkonzentriert und sehr unruhig war. Außerdem unterliefen ihm immer wieder kleinere Fehler. Niemand hatte etwas unternommen. Dass der Mann regelmäßig Medikamente einnahm, die dem Betäubungsmittelgesetz unterliegen und eine Amphetamin-ähnliche Wirkung entfalten, war keiner Führungskraft und keinem Personalvertreter bekannt. Weder in den Bewerbungsunterlagen noch im Ausbildungsvertrag des Mannes war etwas über seine Hyperaktivitätsstörung und die zur Behandlung notwendigen Medikamente erwähnt. Es war nicht erfragt worden, ob Krankheiten oder medikamentöse Behandlungen vorliegen, die in Bezug auf die nötige Arbeitssicherheit beachtet werden müssten. Er wurde ohne Überprüfung mit Fahrtätigkeiten und Arbeiten im Lagerbereich betraut.
Probleme und Lösungsansätze:
In diesem Fall stellte ein Unternehmen eine Person ein, die regelmäßig betäubungsmittelhaltige Medikamente einnahm und dennoch im Besitz einer Fahrerlaubnis war. Der Besitz der Fahrerlaubnis war vor der Einstellung abgefragt worden, die Frage nach der Einnahme von Substanzen, die die Arbeitssicherheit beeinträchtigen können, wurde nicht gestellt. Personen, die regelmäßig betäubungsmittelhaltige Medikamente einnehmen müssen, erhalten i. d. R. erst dann eine Fahrerlaubnis, wenn gutachterlich festgestellt worden ist, dass die Verordnung des BtM-Medikamentes im Sinne des § 13 BtMG begründet (Ultima Ratio-Regel/Nihil Nocere) erfolgt ist, die Person als zuverlässig gilt, keine Intoxikation durch die Medikamente erfolgt und auch weitere Kriterien die Erteilung einer Fahrerlaubnis rechtfertigen. Die Person aus dem Beispiel hatte ihre Krankengeschichte verschwiegen.
Versicherungsverträge, wie Berufsunfähigkeits-, Kfz- oder Kranken-Versicherung, können ungültig werden oder zu Einschränkungen der Versicherungsleistung führen, wenn der Versicherungsnehmer betäubungsmittelhaltige Medikamente einnimmt und die Versicherung davon nichts weiß. Der direkte Vorgesetzte des jungen Mannes war nicht darüber informiert, dass es durch die ärztlich verordneten Medikamente, die dem BtMG unterstellt sind, Probleme bei der Erteilung von Arbeitsaufträgen kommen kann, wenn diese das Führen von Kraftfahrzeugen oder Arbeitsmaschinen betreffen. Führungskräfte sollten nach subjektiver Beurteilung entscheiden, ob ihre Mitarbeiter für die jeweilige Arbeit geeignet sind (siehe Unfallverhütungsvorschriften).
Daher wäre es bereits beim ersten persönlichen Kontakt mit dem Werkstudenten wichtig gewesen abzufragen, ob die Einnahme ärztlich verordneter, betäubungsmittelhaltiger Medikamente, Alkoholprobleme oder andere Gründe, die die Arbeitssicherheit beeinträchtigen könnten, vorliegen. Das Unternehmen und die verantwortlichen Führungskräfte hätten die Person dann dort einsetzen können, wo es gefahrlos möglich gewesen wäre. Man hätte auch die Chance nutzen können, die Person erst dann einzustellen, wenn sie die nötigen Gutachten vorgelegt hätte, die belegen, dass sie die angedachte Tätigkeit auch unter Einfluss der Medikamente gefahrlos ausführen kann.
Ob neu einzustellendes Personal freiwillig die entsprechenden Informationen preisgibt, ist offen. Hier wären Unternehmensleitung, Personalverantwortliche und Juristen gefragt, entsprechende Regelungen an die jeweilige Firmenstruktur und die auszuführenden Tätigkeiten angepasst zu erarbeiten. Mit entsprechender Aufklärung und dem Hinweis auf die gesetzlichen Vorgaben zur Arbeitssicherheit sollten die Anwärter auf eine neue Arbeitsstelle im persönlichen Gespräch oder auf einem Personalbogen die Fragen nach Drogen- oder Medikamenteneinnahme beantworten.
Die zweite Chance, die im vorgestellten Fall verspielt wurde, betrifft die kleineren Fehler des jungen Mannes und seine Fahrigkeit, was seinem Vorgesetzten aufgefallen war. Die Vorgesetzten hätten aufgrund seines Verhaltens die Möglichkeit gehabt, im Rahmen eines Fürsorgegesprächs die Gründe für das Verhalten des Mannes zu erfahren und dann angemessen zu reagieren. Führungskräfte sollten sich Basiswissen über Drogen und Medikamente aneignen und die rechtlichen Voraussetzung...