Für viele Gefahrstoffe gibt es Arbeitsplatzgrenzwerte (AGW). Bei Einhaltung des AGW kann der Arbeitgeber davon ausgehen, dass die Gesundheit seiner Beschäftigten ausreichend geschützt ist.
AGWs gelten für viele krebserzeugende Gefahrstoffe nicht
Leider gilt das Prinzip des Arbeitsplatzgrenzwertes bis auf wenige Ausnahmen (Schwellenwertkarzinogene) nicht für krebserzeugende Gefahrstoffe. Für diese ist es meist nicht möglich, eine Schwelle zu definieren, ab der keine Gesundheitsgefährdung mehr auftritt.
Darauf hat der Gesetzgeber mit dem "Risikokonzept" reagiert, welches das im Gefahrstoffrecht ohnehin gültige Minimierungsgebot (§ 7 Abs. 4 GefStoffV) konkretisiert.
Die krebserzeugende Wirkung ist eine Gemeinsamkeit vieler Metalle mit enormer technischer und wirtschaftlicher Relevanz. Um trotzdem den Umgang mit Metallen und weiteren, krebserzeugenden Stoffen zu gewährleisten, entwickelte der Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS) das Risikokonzept für krebserzeugende Stoffe.
Dieses wurde erstmalig 2008 im Technischen Regelwerk veröffentlicht, seither weiterentwickelt und in das deutsche Gefahrstoffrecht integriert. Mit der Änderung der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) im Sommer 2013 wurden die Anknüpfungspunkte zur Gefährdungsbeurteilung und Ableitung der Schutzmaßnahmen nach den §§ 6 und 10 geschaffen und damit vom Gesetzgeber in eine rechtsverbindliche Form gegossen.
In der TRGS 910 werden für krebserzeugende Stoffe ohne Schwellenwert Expositions-Risiko-Beziehungen (ERB) abgeleitet und Krebserkrankungen mit tolerablen (4:1.000) und akzeptablen (4:10.000) Risiken verknüpft; entsprechend werden Risiken mit einer Toleranzkonzentration (TK) und einer Akzeptanzkonzentration (AK) verbunden.
Nachholbedarf für Unternehmen beim Umgang mit krebserzeugenden Stoffen
Durch die Ableitung tolerabler und akzeptabler Lebenszeitrisiken für den Arbeitnehmer, an Krebs zu erkranken, ergibt sich für viele Betriebe erheblicher Nachbesserungsbedarf, da die Toleranz- und vor allem die Akzeptanzkonzentrationen deutlich niedriger liegen, als die bis 2005 geltenden technischen Richtkonzentrationen (TRK). Der TRK-Wert war die geringste Konzentration eines krebserzeugenden Stoffes, die als "technik-basierte Obergrenze" festgelegt wurde – und auch heute noch trotz des Minimierungsgebotes in vielen Betrieben als Orientierungshilfe verwendet wird.
Metall |
TK [µg/m |
AK [µg/m³] |
TRK [µg/m³] |
Faktor |
Arsen-Verbindungen |
8,3 |
0,8 |
100 |
12 |
Cadmium und Cadmium-Verbindungen |
1,0 |
0,16 |
15 |
15 |
Cobalt und Cobalt-Verbindungen |
5,0 |
0,5 |
100 |
20 |
Nickel-Verbindungen |
6,0 |
6,0 |
500 |
83 |
Tab. 2: Vergleich zwischen Toleranz-, Akzeptanzkonzentrationen und Technischen Richtkonzentrationen
Auch bei Beryllium und Beryllium-Verbindungen wurde der neue Bewertungsmaßstab (AGW 0,14 µg/m³ für die einatembare Fraktion und 0,06 µg/m³ für die alveolengängige Fraktion) um den Faktor 14 geringer als der TRK mit 2 µg/m³ angesetzt. Bei Chrom-VI-Verbindungen mit dem neuen Bewertungsmaßstab BM (Beurteilungsmaßstab) von 1,0 µg/m³ lag die TRK bisher 50-mal höher.
Da die neuen Bewertungsmaßstäbe rein gesundheitsbasiert sind, ist die Welt des Arbeitsschutzes freilich nicht einfacher geworden. Im vorliegendem Text wird der Begriff Bewertungsmaßstäbe verwendet, um alle "Grenzwerte", also AGW, ERB (TK und AK) und BM zu beschreiben.
Inhalative Exposition hat größte Bedeutung bei krebserzeugenden Metallen
Obwohl es sicher einige Ausnahmen gibt, werden am Arbeitsplatz die meisten Risiken, die von krebserzeugenden Gefahrstoffen ausgehen, durch die eingeatmete Luft verursacht. Deswegen spielt für den Arbeitsplatz die inhalative Exposition (Aufnahme über die Atemluft) eine übergeordnete Rolle und spiegelt sich in der Tatsache wider, dass sowohl die Arbeitsplatzgrenzwerte als auch die Exposition-Risiko-Beziehungen als luftgetragene Konzentrationen in Milligramm oder Mikrogramm pro Kubikmeter angegeben sind.
Auch wenn es jetzt Beurteilungsmaßstäbe für Risiken am Arbeitsplatz gibt, sind diese z. T. derart niedrig, dass nicht nur die Messtechnik immens gefordert ist, solche Werte in der Luft zu erfassen, sondern auch die technischen Maßnahmen, die diese Werte gewährleisten können, u. U. erst installiert oder sogar noch entwickelt werden müssen. Der Gesetzgeber liefert auch dafür ein Instrument mit der Beschreibung des Standes der Technik.