Chemikalien und Lärm: Gefährliche Mischung für die Ohren

Lärmschwerhörigkeit ist nach wie vor eine der häufigsten Berufskrankheiten, besonders in Branchen wie Bau und Metallverarbeitung. Ototoxische Stoffe können das Gehör zusätzlich schädigen, wobei eine Kombination mit Lärmbelastung das Risiko erhöht. Präventive Maßnahmen, wie Lärmschutz und die Reduzierung der Exposition gegenüber schädlichen Stoffen, sind entscheidend, um irreversible Hörschäden zu vermeiden.

Das Gehör ist unser wichtigstes Kommunikationsorgan, dessen Bedeutung wir gar nicht hoch genug einschätzen können. Hören ist mehr als das bloße Verstehen einer Nachricht. Hören heißt Teilhaben: „Nicht sehen können trennt von den Dingen, nicht hören können von den Menschen“. Hören hat Warnfunktion, gibt Orientierung und ist auf der emotionalen und sozialen Ebene wichtig. Die wenigsten Menschen denken jedoch bewusst über ihre Ohren nach bzw. schützen diese im beruflichen Zusammenhang ausreichend. Einmal aufgetretene Hörschäden sind meist irreparabel.

Berufsbedingte Schwerhörigkeit weiter auf dem Vormarsch

Die Anzahl der gemeldeten Fälle der Berufskrankheit BK 2301 („Lärmschwerhörigkeit“) war 2023 weiterhin hoch. Es zeigt sich, dass Lärmschwerhörigkeit immer noch zu den häufigsten Berufskrankheiten zählt. Durch den Anstieg der Zahl älterer Arbeitnehmer wird auch die Anzahl der Beschäftigten mit altersbedingten Hörminderungen zunehmen. Die Berufskrankheit BK 2301 tritt in einigen Berufsgruppen/-feldern stärker auf, z. B. bei Tätigkeiten in der Bau-, Metall- und Holzverarbeitungsindustrie.

Ototoxische Stoffe schädigen das Ohr zusätzlich

In diesen Branchen werden gleichzeitig auch viele Chemikalien eingesetzt, die eine ototoxische Wirkung haben können. Ototoxische Stoffe sind Chemikalien, die das Innenohr und/oder die damit verbundenen Nervenbahnen schädigen und dadurch z. B. Hörverluste oder Störungen des Gleichgewichtssinns (Vestibulotoxizität) hervorrufen können. Bisher gibt es keine sichere Möglichkeit, dies rückgängig zu machen, eine Heilung ist zurzeit nicht möglich.

In vielen Fällen kann Ototoxizität zu einer irreversiblen Schädigung der Haarzellen im Innenohr führen. Sobald diese Zellen beschädigt oder zerstört sind, können sie sich nicht mehr regenerieren, was zu einem dauerhaften Hörverlust führt. Der Schweregrad hängt von verschiedenen Faktoren ab, z. B. Chemikalienart, Vorschädigungen, Einwirk- und Expositionszeiten, individuelle Veranlagung usw. Prävention ist entscheidend, eine regelmäßige audiologische Kontrolle ist dabei nur ein Baustein. Die rechtzeitige Diagnose und ein entsprechender Behandlungsplan sind ebenfalls wichtig.

Welche ototoxischen Stoffe gibt es?

Im Sicherheitsdatenblatt sind ototoxische Stoffe erkennbar am Warnhinweis H373 „Kann die Organe schädigen bei längerer oder wiederholter Exposition. Betroffene Organe: Hörorgane“.

Die folgende Aufzählung nennt unter Berücksichtigung der beruflichen Exposition einige wichtige Stoffe in alphabetischer Reihenfolge, deren ototoxische Wirkung – zumindest durch Tierversuche – als gut gesichert angesehen werden kann:

  • Acrylnitril und andere Nitrile (cis-2-Pentennitril, 3-Butennitril, cis-Crotonnitril, 3,3’-Iminodipropionitril)
  • Blei und seine Verbindungen
  • Cadmium und seine Salze
  • Cyanwasserstoff (Blausäure) und seine Salze
  • Ethylbenzol
  • Germaniumdioxid
  • n-Hexan
  • Kohlenmonoxid
  • Kohlenstoffdisulfid (Kohlendisulfid, Schwefelkohlenstoff)
  • Mangan und seine Salze
  • n-Propylbenzol
  • Styrol und Methylstyrole
  • Toluol
  • Trichlorethylen (Trichlorethen)
  • Quecksilber und seine Verbindungen
  • p-Xylol
  • Zinnorganische Verbindungen

Ototoxische Stoffe: Wirkungen auf das Ohr

Folgende Wirkungen und Zusammenhänge sind bisher bekannt:

  • Lärm und ototoxische Gefahrstoffe (bestimmte Chemikalien) können beide das Gehör schädigen.
  • Kumulative Wirkung: längere oder wiederholte Expositionen können das Risiko eines Hörverlusts erhöhen.
  • Additive und synergistische Kombinationswirkungen: Wenn eine Person im beruflichen Kontext gleichzeitig Lärm und ototoxischen Stoffen ausgesetzt ist, kann dies zu einer additiven Wirkung führen. In einigen Fällen können Lärm und ototoxische Gefahrstoffe synergistisch wirken, was bedeutet, dass die Kombination dieser Faktoren zu einer überproportionalen Verschlechterung (schnellerer oder schwererer Gehörverlust) des Gehörs führen kann. Dann ist die Gesamtschädigung des Gehörs größer ist als die Summe der möglichen Einzelschäden durch Lärm und ototoxische Stoffe allein.
  • Mit Vorschäden: Eine bestehende oder zuvor erworbene Schädigung des Gehörs durch Lärm kann die Empfindlichkeit gegenüber ototoxischen Gefahrstoffen erhöhen. Umgekehrt kann die Exposition gegenüber ototoxischen Stoffen das Gehör anfälliger für Lärmschäden machen. Dies bedeutet, dass Personen, die sowohl Lärm als auch ototoxischen Stoffen ausgesetzt sind, eine erhöhte Empfindlichkeit und Schädigungen möglicherweise schon bei niedrigeren Dosen zu erwarten haben.

Es bestehen komplexe Zusammenhänge zwischen Lärmschwerhörigkeit und ototoxischen Arbeitsstoffen. Daher ist es wichtig, bei der Einwirkung von ototoxischen Substanzen im Arbeitsbereich die gesamte arbeitsbedingte Schwerhörigkeit der BK-Nr. 2301 stets mit zu berücksichtigen.

Forschungsbedarf rund um diese Themen ist vorhanden. Hier sind bestehende Grenzwerte für die zuvor erwähnten Personengruppen ggf. schon im Vorfeld zu hoch angesetzt. Eine Anpassung der Einwirkungstabellen sollte diskutiert werden. Die Bedeutung der Kombinationswirkung von Lärm mit ototoxischen Arbeitsstoffen muss in naher Zukunft weiter beobachtet und erforscht werden, um bessere Aussagen für Risiken treffen zu können.

Prävention beim Umgang mit ototoxischen Stoffen

Im Hinblick auf die Arbeitsplatzsituation können folgende Erkenntnisse bzw. Maßnahmen greifen:

Die Prävention muss früh ansetzen. Es ist entscheidend, dass bei den betrieblichen Verantwortlichen und Arbeitsschutzexperten ein Verständnis für die Zusammenhänge zu Gehörschäden in Umgebungen, in denen Menschen sowohl Lärm als auch ototoxischen Stoffen ausgesetzt sein können, vorhanden ist.

Beide Gefahrenquellen sind im Vorfeld sicher zu identifizieren und geeignete Schutzmaßnahmen zu ergreifen, um das kombinierte Risiko bestmöglich zu verringern.

  • Substitution arbeitsbedingter ototoxischer Substanzen (Liste der TRLV Lärm, Teil 1 „Beurteilung der Gefährdung durch Lärm“).
  • Kennzeichnung ototoxischer Substanzen, z. B. Nutzung der Schweizer Grenzwertliste. Ototoxische Arbeitsstoffe werden dort mit „OL “ markiert.
  • Verringerung der Exposition gegenüber arbeitsbedingten ototoxischen Substanzen, inkl. Grenzwertmessungen.
  • Lärmminderung und Benutzung von persönlichem Gehörschutz.
  • Arbeitsmedizinische Vorsorge.

Ototoxische Stoffe: Fazit

Im Hinblick auf aktuelle Arbeitsplatzsituationen kann folgendes Fazit gezogen:

  1. Bei Einhaltung der derzeit gültigen Arbeitsplatzgrenzwerte (TRGS 900/TRGS 903) für ototoxische Arbeitsstoffe ist ein vornehmlicher Hörverlust wenig wahrscheinlich, aber nicht ganz auszuschließen.
  2. Ein erhöhtes Risiko kann bei Tätigkeiten mit ototoxischen Arbeitsstoffen in lärmbelasteter Umgebung auftreten. Hier sind immer zusätzliche Expositionsminderungsmaßnahmen anzustreben.
  3. Nicht auf den Erfolgen in der Lärmprävention der letzten Jahrzehnte ausruhen. Lärm ist der stärkste Risikofaktor für arbeitsbedingte Hörschäden. Die Bekämpfung der Lärmschwerhörigkeit bleibt weiterhin eine prioritäre Aufgabe des Arbeitsschutzes.

Mehr zum Thema

Lärm: Alles Wissenswerte zur DGUV-Empfehlung

Lärmbelästigung am Arbeitsplatz: Grenzwerte und Maßnahmen