Interventionsmaßnahmen nach einer physischen oder psychischen Erkrankung sind:
9.2.1 Krankenrückkehrgespräche
Bei Krankenrückkehrgesprächen handelt es sich um Gespräche, welche die direkte Führungskraft mit den Mitarbeitenden nach längerer Krankheitsdauer führt. Mit dem Gespräch sollen etwaige betriebliche Gründe, die zur Erkrankung führten, in Erfahrung gebracht werden. Krankenrückkehrgespräche können standardisiert, teilstandardisiert oder in völlig offener Form durchgeführt werden und sind eine eigenständige Maßnahme oder eine Maßnahme im Rahmen des BEM.
Durchführung von Krankenrückkehrgesprächen
- Der Arbeitgeber ist zu Krankenrückkehrgesprächen rechtlich nicht verpflichtet.
- Sind diese Gespräche betrieblich geregelt, muss der Mitarbeitende daran teilnehmen.
- Bei betrieblich geregelten Krankenrückkehrgesprächen darf der Arbeitnehmer die Interessenvertretung hinzuziehen.
9.2.2 Betriebliches Eingliederungsmanagement
Die gesetzliche Grundlage für das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) ist § 167 Abs. 2 SGB IX. Demnach sind Unternehmen verpflichtet, für Beschäftigte, die in einem Zeitraum von 12 Monaten länger als 6 Wochen (= 42 Tage) ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig waren, ein BEM durchzuführen.
Dies umfasst alle Maßnahmen, mit denen eine Arbeitsunfähigkeit überwunden werden kann. Für den Mitarbeitenden ist eine angemessene Beschäftigungsmöglichkeit zu finden. Ggf. sind benötigte Hilfsmittel und Unterstützungsangebote anzubieten. Finanzielle Unterstützung gibt es – abhängig vom Einzelfall – von den Sozialkassen.
BEM ist ein systematisches Verfahren mit festgelegten Abläufen und trotzdem flexibel in Bezug auf den einzugliedernden Mitarbeiter und die betriebsspezifischen Gegebenheiten.
Durchführung des BEM
- Durchführung des BEM obliegt dem Arbeitgeber im Rahmen seiner gesetzlich vorgeschriebenen Fürsorgepflicht.
- Die Bereitschaft eines Beschäftigten, am BEM-Verfahren teilzunehmen, ist freiwillig.
- Beschäftigte sind über Ziele, Art und Umfang von BEM zu informieren.
- Die Interessenvertretung des Arbeitnehmers ist einzubeziehen.
- BEM unterliegt strengen datenschutzrechtlichen Bestimmungen.
- Der Prozess kann unterstützt werden durch innerbetriebliches Fachpersonal sowie externe Partner, wie Kranken-, Renten- und Unfallversicherungsträger und Integrationsfachdienste.
- Bei fehlendem BEM kann eine krankheitsbedingte Kündigung rechtlich erschwert werden.
9.2.3 Stufenweise Wiedereingliederung
Im Unterschied zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement, wird die stufenweise Wiedereingliederung vom behandelnden Arzt veranlasst. Festgeschrieben ist die Maßnahme im § 74 SGB V und im SGB IX.
Die "Stufenweise Wiedereingliederung" – auch Hamburger Modell genannt – kann eine eigenständige oder eine Maßnahme im Rahmen des BEM sein. Mitarbeitende werden durch schrittweise Erhöhung der täglichen Arbeitsstunden an die ursprüngliche Arbeitszeit herangeführt (Stufenplan). Angestrebt wird die Rückkehr an den "alten" Arbeitsplatz.
Durchführung der stufenweisen Wiedereingliederung
- Die stufenweise Wiedereingliederung ist eine Maßnahme der medizinischen Rehabilitation.
- Während der Maßnahme ist der Arbeitnehmer noch krankheitsbedingt arbeitsunfähig.
- Der betroffene Mitarbeiter erhält während der Zeit der Eingliederung kein Arbeitsentgelt, sondern Leistungen von den Sozialkassen oder von der Agentur für Arbeit.
9.2.4 Psychosomatische Sprechstunde
Ein vielversprechendes Modell zur Unterstützung psychisch beeinträchtigter Beschäftigter ist das Einrichten einer psychosomatischen Sprechstunde im Unternehmen. Dabei erhalten Mitarbeitende im Betrieb oder der Behörde die Möglichkeit, mit einem ärztlichen oder psychologischen Psychotherapeuten Kontakt aufzunehmen und unkompliziert professionelle Hilfe zu erhalten. Der Charme der psychosomatischen Sprechstunde liegt darin, dass Betroffenen ein niederschwelliger Zugang zum medizinisch-therapeutischen Versorgungssystem angeboten wird. Besonders in Zeiten, in denen freie Therapieplätze knapp sind und schnelle Hilfe oft nicht verfügbar ist, gibt es Gründe dafür, dass therapeutische Unterstützung erst spät in Anspruch genommen wird. Dazu gehören auch Ängste vor Stigmatisierung sowie mangelnde Informationen über psychische Erkrankungen und deren Behandlungsmöglichkeiten.
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Fallbeispiel – Teil 5
Frau Wiese kam nach 3 Monaten Krankschreibung wieder zurück in die Abteilung und war nach der betrieblichen Eingliederung nach einigen Wochen wieder fast die "Alte". Alle freuten sich, dass die "Gutelaunemacherin" wieder an Bord war und die Stimmung in der Abteilung hob. Zudem wurde die zurückgekehrte Unterstützung bei der Erledigung der Aufgaben erfreut zur Kenntnis genommen. Herr Baum wurde in sein neues Aufgabengebiet gründlich eingearbeitet und bekam eine Assistenzkraft an seine Seite. Die Vertretungsregelung wurde in der Abteilung generell neu geregelt. Herr Wind war nicht mehr wiederzuerkennen (mit einem Augenzwinkern).